Samstag, 28. Februar 2015

Ein Diskussionsbeitrag zum Abstimmungsverhalten der Linken im Bundestag über die Kreditverlängerung für Griechenland

1. Hätte der Bundestag die Vereinbarung zwischen den "Institutionen" und der griechischen Regierung mehrheitlich abgelehnt, wäre die Vereinbarung gescheitert. Eine Neuverhandlung mit deutlichen Nachbesserungen für Griechenland wäre aber bis Ende Februar nicht zu erreichen gewesen. Infolgedessen hätte Griechenland ab März die fälligen Tilgungsraten nicht bezahlen können und damit das Ausscheiden aus der Währungsunion riskiert.

2. Wenn also der deutsche Bundestag mehrheitlich dem Votum der Linken-Minderheit gefolgt wäre, hätte er die griechische Regierung in die Zwangslage gebracht, gegen den erklärten Willen der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit den Euro zu verlassen und damit noch viel größeres Leid über die griechische Bevölkerung zu bringen als durch die Vereinbarung über die Kreditverlängerung. Das hätte nicht nur die soziale und humanitäre Katastrophe verschärft, sondern vermutlich auch die Syriza-Regierung gestürzt und unkalkulierbare chaotische Entwicklungen ausgelöst.

3. Die mit Nein oder Enthaltung stimmenden Abgeordneten der Linksfraktion konnten sich ihr Abstimmungsverhalten also nur leisten, weil eine sichere Mehrheit für die Zustimmung zu erwarten war. Ein Abstimmungsverhalten, das sich nur eine Minderheit leisten kann, weil und solange sie Minderheit bleibt, das also explizit oder implizit nicht nach der Mehrheit strebt, ist im Wortsinn "verantwortungslos", weil es die Verantwortung für seine Folgen nicht übernehmen muss und will.

4. Dieser rein deklamatorische Radikalismus der linken Minderheit, den von der griechischen Regierung erzielten Kompromiss mit den europäischen Institutionen abzulehnen, lässt die Tatsache außer acht, dass noch in keinem Land der Eurozone eine Mehrheit bereit ist, mit der Herrschaft der Oligarchie zu brechen. Solange dies sich nicht ändert, kann keine Regierung und kein Parlament die Zusammenarbeit mit diesen Institutionen verweigern. Solange geht es immer darum, ob ein jeweils erzielter Kompromiss den realen Kräfteverhältnissen entspricht oder hinter ihnen zurück bleibt.

5. Im Fall der jetzt erzielten Vereinbarung über die Kreditverlängerung war nach realistischer Bewertung aller Fakten kein besserer Kompromiss erreichbar. Die Solidarität mit Griechenland und Syriza hätte also geboten, ihm zuzustimmen.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Nach zehn Jahren Hartz IV finden Sozialamt und Jobcenter: „Es gibt eine Vielzahl von sinnvollen Tätigkeiten, die nicht am Markt entstehen.“


Lesermeinung zu RuhrNachrichten vom 03.02.2015: „Tausende sind in Arbeit zu bringen“

Ja, die Menschen tun gerne Sinnvolles – aber der Markt hat leider nur Sinn für profitable Tätigkeiten. Das Wort Kapitalismus kommt in dem Interview nicht vor - er aber sorgt dafür, dass unprofitable Tätigkeiten „am Markt nicht entstehen“, seien sie noch so sinnvoll. Wo es sie früher mal gab, wurden sie vom Markt genommen und in Familie oder Kommune verwiesen.
Das Reparatursystem Hartz IV beruht darauf, dass der Markt sich um die Rausgeworfenen nicht zu kümmern braucht. Für ihn sind sie unbrauchbar, weg damit. Die Politik, den Rausgeworfenen oder nie Reingekommenen mit amtlichem Druck „Marktfähigkeit“ beizubringen, ist zynisch – denn marktgängige Tätigkeiten sind dabei nicht erlaubt (werden unter der Hand allerdings abverlangt).
Jetzt rufen Sozialpolitik und Arbeitsverwaltung nach „10.000 öffentlich geförderten Arbeitsplätzen“ - als gäbe es die nicht längst. Frau Zoerner hat sie in der Raumfahrt entdeckt: „vollständig öffentlich geförderte Arbeitsplätze.“ Auch Zoerner, Neese und Neukirchen-Füsers selbst sitzen gut dotiert und durch Tarifverträge gesichert auf solchen, im öffentlichen Dienst.
Aber was sie nun vorschlagen, sind untertariflich ausgestattete Plätze für sinnvolle Tätigkeiten oder anders gesagt für „gute Seelen.“ Von denen halten Stadt und andere Träger in Räumen eigenen, zumeist minderen Rechts bereits 3.000 Menschen (vgl. Ihren Hintergrundbericht vom 31.01.). Nur ganz wenige erreichen aus solchen Programmen „den Markt“, die allermeisten bleiben im Kreislauf von Armut, Hunger und Zwangssystem.
Das Reparatursystem Hartz IV ist nicht zu reparieren. „Der Markt“ braucht Regeln, die über den Profit hinausweisen.

Wolfgang Richter

Montag, 23. Februar 2015

Aufklärung hilft: Zustimmung zu TTIP deutlich gesunken.

Emnid-Umfrage im Auftrag von "foodwatch", Mitte Feburar 2015, repräsentativ (1002 Befragte):

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA verliert in der deutschen Bevölkerung massiv an Zuspruch. Nur noch 39 Prozent der Bürger halten TTIP für „eine gute Sache“, ergab eine aktuelle Repräsentativ-Befragung des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch. Bei identischer Fragestellung hatten im Oktober 2014 noch 48 Prozent, im Februar 2014 sogar noch 55 Prozent der Bürger die Handelspartnerschaft befürwortet. In der aktuellen Umfrage sagen 40 Prozent der Befragten, TTIP sei „eine schlechte Sache“ (Oktober 2014: 32 Prozent, Februar 2014: 25 Prozent).

Besonders kritisch sehen die Bürger, dass TTIP voraussichtlich zu einer Einschränkung des Gestaltungsspielraums für die Gesetzgeber führen würdet. Die so genannte regulatorische Kooperation und die völkerrechtliche Bindung eines TTIP-Vertrags hätten zur Folge, dass die EU und Deutschland viele Gesetze nicht mehr ohne Zustimmung des Handelspartners USA beschließen könnten. Eine solche Einschränkung des Gesetzgebungsspielraumes lehnen fast zwei Drittel der Bürger ab (64 Prozent).

mehr: http://www.foodwatch.org/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung-emnid-umfrage-zustimmung-zu-ttip-deutlich-gesunken-buerger-lehnen-einschraenkung-der-gesetzgebungskompetenz-ab-heutige-spd-konferenz-geht-an-wesentlichen-themen-vorbei/?utm_medium=twitter&utm_source=twitterfeed

Freitag, 20. Februar 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Freie Deutung der Armutsstatistik.

"Armutsquote sinkt in Dortmund gegen den Trend."
So titelten die RuhrNachrichten im Dortmunder Lokalteil vom 20.02.2015. Da können die für unser Wohlergehen Zuständigen sich ja selbstgefällig zurücklehnen: Alles "auf gutem Weg", die neueste Imagekampagne bringt's doch: "Dortmund überrascht. Dich."
Nur leider musste die Erfolgsmeldung der Statistik etwas Gewalt antun. Erstens reichen die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband veröffentlichten Armutsquoten nur bis 2013 und bilden die jüngste Entwicklung gar nicht ab, so dass im zitierten Titel die Gegenwartsform glatt aus der Luft gegriffen ist. Zweitens - und das wiegt schwerer: Die Armutsquote sank in den sieben aufgeführten Jahren seit 2006 nur ein einziges Mal, von 2012 auf 2013. Und warum? Weil sie 2012 um 1 % noch stärker gestiegen war als der siebenjährige Trend es eigentlich erwarten ließ. Mit anderen Worten: 2013 bewegte der Anstieg sich wieder genau auf der Trendkurve und lag um 1,3 Prozentpunkte höher als 2011. Der Wahrheit näher kommt also die Schlagzeile:
Anstieg der Armutsquote in Dortmund ungebrochen.

Donnerstag, 19. Februar 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: RWE-Ausverkauf geht weiter, in RWE-Dortmund – noch – nicht


Am Freitag-dem-dreizehnten (Februar) meldete die WAZ:
RWE verkauft Hälfte des Groß-Windparks Triton Knoll“ vor der englischen Ostküste.
Am selben Tag berichtete die taz:
„Divestment Day in Münster - Kein Kapital für Kohle. Als wenn das Kohle- und Atom-Unternehmen RWE nicht schon genug Probleme mit der Energiewende hätte. Nun kommt auch noch die Stadt Münster und will Aktien des Konzerns verkaufen, um Druck für mehr Klimaschutz zu machen. „Soweit wir wissen, sind wir die erste deutsche Kommune, die das beschlossen hat“, sagte Otto Reiners, der Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat.
Damit agiert die Stadt ganz im Sinne der Umweltschützer, die sich am Freitag und Samstag bei Aktionen an vielen Orten in Deutschland und anderen Staaten für das sogenannte Divestment einsetzen: Investoren wie Kommunen, Staatsregierungen, Banken und Pensionsfonds sollen Anlagekapital aus Industrien abziehen, die Kohle, Gas und Öl fördern, verarbeiten und verbrennen. Damit wollen die Aktivisten Firmen drängen, aus fossilen Energien auszusteigen und mehr Klimaschutz zu betreiben. In Münster hat der Stadtrat unter anderem mit den Stimmen der Grünen und der SPD einen solchen Beschluss gefasst. Der Kämmerer von der CDU muss ihn nun umsetzen. Allerdings geht es um relativ bescheidene Summen. In zwei Investmentfonds stecken Rücklagen für die Pensionen der städtischen BeamtInnen in Höhe von 10 bis 12 Millionen Euro, die umgeschichtet werden sollen. Ein Teil davon ist unter anderem in Aktien von RWE angelegt.“ (Infos zum Global Divestment Day: gofossilfree.org/de/)

Münster wird damit Vorbild in Sachen Klimaschutz. Die RWE-Hochburg Dortmund hingegen prahlt zwar mit einem „Handlungsprogramm Klimaschutz“ und einem „Masterplan Energiewende“ – ist aber mit ganz anderen Summen an den Atom- und Kohle-Multi gekettet: Die Dortmunder Stadtwerke halten ca. 23 Millionen Stück RWE-Aktien mit einem aktuellen Börsenwert von rund 540 Mio.€ im Portefeuille (vor der Energiewende war Dortmunds RWE-Aktienpaket noch über 2 Mrd.€ wert, heute nur noch 540 Mio!). Das sind zwar „nur“ ca. 3,7 % des gesamten Aktienkapitals von RWE. Aber wollten sie die heute verkaufen, würden sie wohl kaum einen Käufer finden. Denn der Börsenkurs des Unternehmens ist binnen sechs Jahren auf weniger als ein Viertel abgesackt und wird voraussichtlich weiter verlieren, weil RWE mit der brutalen Macht der „Systemrelevanz“ gegen die Energiewende gepokert und sich verzockt hat. Erkennbar etwa an der WAZ-Meldung oben.
Allerdings wäre es heute nicht mehr möglich, mit dem Verkaufserlös der RWE-Aktien die 40-%-Beteiligung der RWE an der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung abzulösen, um diese vollständig zu rekommunalisieren. Hat doch hier erst vor wenigen Wochen eine GroKo der RWE-Amigos im Stadtrat bedenkenlos den Klimaschutz nieder gestimmt und den Gesellschaftsvertrag mit RWE um 25 Jahre verlängert. Und das obgleich nach neuer Rechtslage Kommunen nicht erst bei einem Verkauf der RWE-Aktien, sondern fortlaufend Wertverluste gegenüber einem höheren Einkaufspreis der Aktien als realen Verlust von ihrem Vermögen abbuchen müssen. Allein die 3,3 Millionen Stück, welche die Dortmunder Stadtwerke seit 2008 zugekauft hatten, mussten sie bis Ende 2013 um 80 Mio € „wertberichtigen“, das heißt als Verlust ausbuchen, und bis zum heutigen Tageskurs der RWE-Aktie dürften weitere 10 Mio € abgeschmolzen sein. Das mindert das Eigenkapital und zwingt die defizitäre Stadtkasse, den Stadtwerken immer neues Kapital nachzuschießen. Bei einem Verkauf des ganzen Pakets dürften weit über hundert Millionen Miese den Verkaufserlös schmälern.
Fazit: Die Stadt Dortmund bleibt auf absehbare Zeit an den Niedergang des Dinosauriers RWE gekettet. Und zwar aus eigenem Versagen und Verschulden. Da fragt man sich, was gewählte Stadtpolitiker antrieb, die Kommune so auf Gedeih und Verderb an einen privaten Großkonzern auszuliefern. Wenn man sich nicht mit dem naheliegenden, aber unzureichenden Verweis auf die Bestechung mit Aufsichtsrats- und Beiratsgeldern von RWE zufrieden gibt, bleibt als Erklärung nur die Ideologie: Ein Jahrhundert lang hielten auch Sozialdemokraten, durch keinerlei Katastrophen belehrbar am bürgerlichen Glauben fest, das Wohl und Wehe des Staatswesens und somit auch der Gemeinden hänge am Wohlergehen großer Wirtschaftsunternehmen, egal ob in öffentlicher oder privatkapitalistischer Hand. Von dieser Ideologie wollen sie auch heute nicht lassen – mit seltenen Ausnahmen wie jetzt in Münster – die neueste Spielart des Sozialdemokratismus gibt sogar dem neoliberalen „Privat vor Staat“ den Vorzug, siehe Sigmar Gabriel und TTIP. Koste es was es wolle – nur bei extremer politischer Wetterlage müssen sie ja persönlich dafür haften.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: RWE pokert gegen Kommunen auch um Grundstücke


Dortmund hat's ja - das Geld für den nächsten "Leuchtturm", das nächste Spekulationsprojekt, das zu scheitern droht: "NewPark", ein riesiges neues Industriegebiet zwischen Datteln und Waltrop. Seit 2009 kämpft DieLINKE im Dortmunder Stadtrat gegen die Beteiligung der Stadt an diesem Wahnsinn. Nachdem die rot-grüne Landesregierung nach einigem Hin und Her eine Landesbürgschaft für das Vorhaben ablehnte - immerhin trägt sie 90 % der Entwicklungskosten von 2,9 Mio € und hat noch im Dezember 2014 eine neue Rate von 585.000 € nachgeschossen! - verstieg sich die Lokalpolitik zur Idee, das Projekt selber zu stemmen. Neun Gesellschafter wollen sich die Finanzierung des 100 Millionen Euro teuren Industriegebietes teilen. Die Dortmunder Wirtschaftsförderung ist mit 15 % dabei. Das ist schon abenteuerlich in einer unter Spardiktaten stöhnenden Region.
Doch wir haben noch weitere gewichtige Gründe, das Projekt abzulehnen.

Der Standort liegt in den ehemaligen Dortmunder Rieselfeldern, einer ehemaligen Heidelandschaft zwischen Datteln, Waltrop und Lünen. 1978 endete die Berieselung der Flächen. Die Stadt Dortmund verkaufte die ca. 1.000 ha an die VEW, heute RWE. Diese plante hier zunächst den Bau eines Großkraftwerks. Seit am Strommarkt immense Überkapazitäten auflaufen, wird für das Gelände die Idee des "NewPark" verfolgt; seit 2003 ausschließlich auf Dattelner Stadtgebiet, nachdem der Waltroper Stadtrat die Umsetzung des NewPark-Konzeptes ablehnte.

Noch heute dienen die ehemaligen Rieselfelder primär der landwirtschaftlichen Nutzung und der Freizeit. Dorthin kommt man einzig mit Kfz. Wasserstraßen, Bahnlinien, Autobahnen, Stromleitungen usw. sind relativ weit entfernt. Für die Anbindung werden zwei neue Straßen geplant: die B 474n als Verlängerung der sogen. Sauerlandlinie und eine Weiterführung der Kreisstrasse K12.

Die betroffenen Gebiete stellen eine bäuerliche Kulturlandschaft dar, die sich durch Hecken und Waldbestand auszeichnet. Mit den angrenzenden Lippeauen bilden sie einen ökologisch wertvollen Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Von 92 erfassten Vogelarten stehen 42 auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Zu den ökologischen Auswirkungen gesteht der Rahmenplan ein: "Eine Zunahme der Kfz-Menge - insbesondere des LKW-Verkehrs - und der damit verursachten Emissionen und Immissionen wäre für den sensiblen Bereich der Lippeaue, in deren Einflussbereich sich der Fahrzeugstrom auf der K 12 bewegt, nicht unproblematisch." Dieses großenteils als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesene Areal ist zudem Naherholungsgebiet für die angrenzenden Wohnsiedlungen.

Hinzu kommt als dritter Grund unserer Ablehnung das spekulative Pokern des Atom- und Braunkohle-Multis RWE. Jahrelang verlangte RWE 15 Mio.€ für das Gelände. Der Grunderwerb war bis 30.09.14 vorgesehen. Doch nach etlichen verstrichenen Fristen will der Konzern jetzt nicht mehr nur einen ‚Schnäppchenpreis‘, sondern einen ‚marktgerechteren‘ Preis erzielen. Die Rede ist jetzt von 30 Mio €.

Samstag, 7. Februar 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Hinter’m Mond nichts Neues.


11,2 Milliarden Euro haben Deutschlands Stromverbraucher im Jahr 2013 gespart, weil in großem Umfang Erneuerbare Energien ins Stromnetz eingespeist wurden. Das ermittelten jetzt Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) im Auftrag der Siemens AG.
Im ganzen Land gründeten sich in den letzten Jahren 72 neue Stadtwerke, um von den Chancen der Energiewende für ihre Bürger zu profitieren. Doch in Dortmund gehen die Uhren anders, hier bleibt die Energieversorgung hinter’m Mond. Der hiesige Stadtwerke-Chef Pehlke bewies sich auf einer ganzen Zeitungsseite wieder mal als nibelungentreuer Lobbyist des Atom- und Braunkohle-Multi‘s RWE, mit dem er durch Über-Kreuz-Verflechtungen eng verbandelt ist. Wie Don Quichote ficht er gegen die Erneuerbaren Energien, und das mit Halbwahrheiten, die bekanntlich schlimmer als offene Lügen sind.

Pehlke’s Halbwahrheit:
Die Verbraucher würden „pro Jahr mit 25 Milliarden Euro EEG-Umlage belastet.“
Die volle Wahrheit zeigt die Studie der Nürnberger Wissenschaftler: Die rein konventionelle Stromerzeugung mit Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken, ohne Wind, Biomasse und Photovoltaik wäre in den vergangenen Jahren deutlich teurer ausgefallen als die Belastung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Den Kosten der EEG-Umlage von 20,4 Milliarden Euro standen im Jahr 2013 Einsparungen für konventionell erzeugten Strom von rund 31,6 Milliarden Euro gegenüber. Daraus errechnen sich für die Letztverbraucher – die den Strom privat oder gewerblich verwenden und nicht weiterveräußern – im Jahr 2013 trotz der Mehrkosten durch die EEG-Umlage insgesamt Einsparungen in Höhe von etwa 11,2 Milliarden Euro.
Der Grund dafür ist der Rückgang der konventionellen und nuklearen Stromerzeugung nach dem von der Bundesregierung beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie. Das verringerte Strom-Angebot hätte zwar das Verhältnis von Angebot und Nachfrage an den deutschen Strommärkten hin zu deutlich höheren Börsenpreisen verschoben. Aber der Ausbau Erneuerbarer Energien und das daraus resultierende Überangebot an den Strommärkten wirkten sich preismindernd aus.
Allerdings fällt die Ersparnis unterschiedlich groß aus. Für Privathaushalte und gewerbliche Stromverbraucher entsprach die Einsparung von 5,29 ct/kWh durch die Stilllegungen in etwa den Mehrkosten der EEG-Umlage von 5,277 ct/kWh – für sie hätte sich also wenig geändert, aber nichts verschlechtert. Für die von der EEG-Umlage befreiten Betriebe aber hätten sich die Einsparungen mehr als verdoppelt auf knapp 11 Milliarden Euro.

Pehlke‘s Halbwahrheit:
„Wenn wir diesem Systemansatz (der Energiewende) jetzt nicht gegensteuern, ist die Versorgungssicherheit ab 2020 aufgrund des Ausstiegs aus der Kernkraft nicht mehr gewährleistet.“
Im exakten Gegensatz zu dieser Gerüchtemacherei zeigt die Nürnberger Studie: Ohne Wind und Photovoltaik, nur mit der maximal zur Verfügung stehenden konventionellen und nuklearen Erzeugungskapazität hätte 2013 die Nachfrage allein nicht gedeckt werden können. Dies bedeutet zwar nicht automatisch, dass Großstörungen („Blackouts“) entstanden wären, da die Betrachtung Reservekraftwerke und mögliche Stromimporte nicht berücksichtigt. Aber ein stabiler Netzbetrieb konnte nur durch die Einspeisung Erneuerbarer Energien sicher gewährleistet werden. Erneuerbare Energien erhöhen also vor dem Hintergrund reduzierter konventioneller und nuklearer Kraftwerkskapazitäten auch die Versorgungssicherheit am bundesdeutschen Strommarkt.

Details und link zur Studie: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24905#h014
zu Pehlke`s Halbwahrheiten und seiner Hinter’m-Mond-Strategie der Dortmunder Stadtwerke: RuhrNachrichten 07.02.15, Seite DOLO2.

Freitag, 6. Februar 2015

"Modell Deutschland" gerät in die Defensive.


Wenn nach jüngsten Umfragen hierzulande immer noch eine Mehrheit den Merkel'schen "Spar- und Reformkurs" gutheißt und, weil er ja uns Deutschen den Aufschwung aus der Krise beschert habe, ihn auch den Griechen und ganz Europa aufdrücken will, so geht diese Mehrheit bewußt oder gutgläubig der regierungsamtlichen und medialen Propaganda auf den Leim. Diese stellt anhand einseitiger und verzerrender Auswahl statistischer Daten "Deutschland" als ein besonders erfolgreiches, nachahmenswertes Modell dar. Die Schattenseiten des Vorsprungs der deutschen Wirtschaft aber werden systematisch verschwiegen.


Die langen Schatten des "Modells Deutschland"



Zum Beispiel lässt unsere mit vielen Tricks geschönte Arbeitslosenstatistik kaum noch erkennen, wie hoch die Arbeitslosigkeit wirklich ist. Der riesige Niedriglohnsektor, mit dem sie "bekämpft" wird, übertrifft die meisten anderen Euroländer bei weitem, weshalb Merkel auch die 1-Euro-Jobs in ganz Europa einführen will. Über 3,1 Millionen Erwerbstätige im reichen Deutschland gelten als arm trotz Arbeit (2013), weil ihre Löhne plus staatliche Hilfen (Wohngeld, Kindergeld, ergänzendes Arbeitslosengeld) zusammen weniger als 979 Euro netto im Monat ergeben. Der Mindestlohn, der am 1.Januar endlich auch in Deutschland Gesetz wurde, liegt niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern. Er wird an der anwachsenden Armut in Deutschland wenig ändern, denn sein Nettobetrag reicht in den meisten Fällen kaum an die Armutsschwelle heran und dient unterhalb dieser Schwelle mehr zur Entlastung der Staatskasse von Sozialleistungen als zu echten Einkommenssteigerungen. Auch schießt die Unternehmerlobby in den Regierungsparteien immer mehr Löcher ins Gesetz, was man durchaus als eine Variante von Klientelpolitik bezeichnen muss, wie sie "den Griechen" vorgeworfen wird.

Zu den Schattenseiten "unseres" Aufschwungs gehört auch die skandalöse Kinderarmut, die verlotterte öffentliche Infrastruktur, das vorzeitige Burnout der Arbeitskraft, der hohe Krankenstand bei stressbedingten Leiden, das hohe Maß an Frühverrentungen, die Überlastung und Überforderung der Familien, unser altmodisches Bildungssystem mit viel höheren Klassenfrequenzen als in den meisten Nachbarländern, die finanziell ausgebluteten Kommunen, die explodierende Belastung privater Haushalte durch Mieten und Energiepreise (in anderen Ländern schützt eine höhere Wohneigentumsquote auch vor Altersarmut) und-und-und. Vor den Lobgesängen auf das "Modell Deutschland" muss also die Frage stehen:



Wer ist "Deutschland", wer sind "die Griechen"?



Wem gehören denn die Banken, die in der Finanzkrise ihre faulen Kredite auf die EZB abwälzen konnten? Sie gehören dir und mir so wenig wie den griechischen Arbeitern und Kleinbauern - aber diese und wir zusammen müssen letztlich dafür bluten. Wem gehören denn die Supergewinne, die hier wie in Griechenland an der Steuer vorbei auf Auslandskonten verschoben werden? Wer macht denn hier wie in Griechenland solche Steuergesetze, dass Großkonzerne praktisch keinen Euro Steuern zahlen müssen, während der griechischen Bevölkerung die Mehrwertsteuer von 19 auf 23 % erhöht wurde? Wer hat den Nutzen davon, dass in Deutschland schon viel länger als in Griechenland die Löhne weit hinter der Arbeitsproduktivität der Industrie zurück blieben?

Nüchtern und ohne chauvinistische Scheuklappen betrachtet müssen wir feststellen, dass es mittel- und längerfristig auch unsere Löhne sind, die die Mehrheit der Arbeiter und Bauern in Griechenland gegen ihre und unsere Oligarchenschicht verteidigt. So wie es auch in unserem Interesse als Steuerzahler liegt, dass Griechenland nicht noch mehr erdrosselt wird mit den Diktaten der Troika, sondern Luft bekommt, um sich zu erholen.

Das "Modell", das Merkel u.co. Europa aufzwingen wollen, ist drauf und dran, Europa zu ruinieren. Die meisten Völker Europas sind dabei, das zu erkennen und Konsequenzen daraus zu ziehen. In Deutschland hat Merkel noch eine Mehrheit.