Sonntag, 3. November 2013

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Ein Aktionsplan für den sozialen Abstieg



2007 bestätigte der erste amtliche Bericht zur sozialen Lage in Dortmund die tiefe Spaltung der Stadt in wohlhabende und abgehängte Wohnquartiere. Von 39 unterschiedlichen Sozialräumen liegt jeder dritte nach Einkommen, Beschäftigung, Schulabschlüssen, Wohnverhältnissen weit unter dem städtischen Durchschnitt. Seitdem versucht die Stadtverwaltung, mit einem „Aktionsplan Soziale Stadt“ das Abrutschen ganzer Viertel in Elend und Verwahrlosung zu stoppen.

Vergebens: Wie der neue Sachstandsbericht zum Aktionsplan belegt, hat der Graben quer durch die Bevölkerung sich seit 2007 noch weiter vertieft, blieben die 13 „Aktionsräume“ des Aktionsplans noch weiter hinter der allgemeinen Entwicklung zurück.

Das beginnt bei der sozialen Mischung nach Familienstand und Herkunft. Der Anteil der Migrant-innen wuchs von 2007 bis Ende 2012 in Dortmund um 2,4 % - in den 13 Aktionsräumen jedoch überdurchschnittlich um 3,2 %. Nun ja, den Zuzug aus anderen Ländern kann die Stadtpolitik kaum beeinflussen, so wenig wie die Zunahme der Single-Haushalte: in der Gesamtstadt um 1,9 % - in den Aktionsräumen dagegen um 2,4 %.

Größeren Einfluß könnte die Kommunalpolitik schon auf den Wohnungsmarkt ausüben. Aber während stadtweit die Wohnfläche in fünf Jahren um 1,1 % stieg (auf 40 qm pro Einwohner), erreicht sie in den benachteiligten Vierteln nur 35,3 qm (plus 0,8 %). Die besonders prekären Wohnverhältnisse der Nordstadt kommen sogar nur auf 33 qm pro Einwohner (plus 0,5 % gegenüber 2007).

Vertieft hat sich auch der Graben am Arbeitsmarkt. Die Zahl der sozialversichert Beschäftigten am Wohnort Dortmund stieg von 2007 auf 2012 um ca. 10.000 (plus 5,8 %) – in den 13 Problemquartieren aber nur um 2.200 (plus 4,5 %). Entsprechend verringerte sich die Zahl der registrierten Arbeitslosen in den benachteiligten Gebieten nur um 6,0 % - in ganz Dortmund um 7,5 %.

Gerade die Lage am Arbeitsmarkt könnte die Stadt sehr wohl direkt verbessern, indem sie den Personalabbau im öffentlichen Dienst stoppt und ihre Wirtschaftsförderung stärker vom allgemeinen „Wettbewerbs“-gequatsche auf die Förderung sozialer Beschäftigungsprojekte verlagert, wie die LINKE es seit Jahr und Tag verlangt. Aber dazu bietet der „Aktionsplan Soziale Stadt“ nicht mehr als die paar Placebos einer vom Rat zerrupften Kommunalen Arbeitsmarktstrategie und die 1-€-Jobs vom Jobcenter.

Welche Folgen der Rückstand in der Beschäftigung für Einkommen und Kaufkraft hat, darüber schweigt sich der Bericht aus. Angeblich liegen keine aktuellen Zahlen vor. Wir können es nur indirekt aus der Zahl der Transferempfänger-innen schließen: Während ihr Anteil an der Stadtbevölkerung um 0,2 % zurück ging, stieg er in den von Arbeitslosigkeit am meisten betroffenen Gebieten weiter an (+ 0,1 %).

238.000 € hat die Politik für diesen Aktionsplan jährlich „übrig“. Mehr als das vierfache dessen will sie 2014 in einem Fußballmuseum versenken. So entwertet, missbraucht und verhöhnt die große Dortmunder Rathauskoalition das bewundernswerte Engagement Tausender Bürger-innen, die – auch das zeigt der Bericht – zumeist ehrenamtlich mit einer Fülle von Ideen und Tatkraft gegen Armut und Niedergang in den abgehängten Quartieren ankämpfen. Sie hätten besseres verdient als so ein Feigenblatt vor den Privilegien der „besseren Viertel“.