Dienstag, 30. Juni 2015

Mit Tricks und Lügen den Euro retten?


Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, Sozialdemokrat, behauptete am Samstag in der ARD, die Gläubiger hätten den Griechen ein ganz neues, supergünstiges Angebot gemacht, über das aber der Grieche Tsipras nicht mal verhandeln wollte und stattdessen die Verhandlungen mit seinem Referendumsplan platzen ließ.
Inzwischen fand dies "neue Angebot" den Weg ins Internet. Wie Jens Berger von den Nachdenkseiten feststellte und der Grüne Europaabgeordnete Sven Giegold bestätigte, gleicht das "neue" aufs Haar den alt bekannten Forderungen der Troika nach Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen, gekürzten Mindestlöhnen und Arbeitslosengeldern und ausgehebelten Arbeitsrechten. Neu daran war nur ein Punkt: die Verlagerung eines Teils der griechischen Staatsschulden vom IWF auf den Euro-Rettungsschirm ESM.

Das angeblich so großzügige Angebot war also nur ein Trick der "Institutionen", um das griechische Volk weiter mit unsozialen "Reformen" zu erpressen und das Referendum zu verhindern. Ihr Komplize Schulz belügt darüber frech das deutsche Publikum.

Und auch der Chef der EU-Kommission Juncker log mit der Behauptung, das Angebot der Gläubiger an Athen habe “weder Lohn- noch Rentenkürzungen” enthalten, sondern sei darauf ausgerichtet gewesen, “mehr soziale Fairness zu schaffen”.
 



Montag, 29. Juni 2015

Klare Mehrheit in Deutschland für Volksentscheide zum Euro

Update 18.40 Uhr: In einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap für die ARD-Sendung »hart aber fair« sprach sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür aus, auch in Deutschland Volksentscheide bei wichtigen Fragen zum Euro und zur Europäischen Union durchzuführen. 65 Prozent der Befragten halten direkte Abstimmungen in solchen Fällen für sinnvoll. Im Vergleich zum Jahr 2012 ist das eine Steigerung um 14 Prozentpunkte: Damals wünschten sich 51 Prozent der Deutschen Volksabstimmungen zu wichtigen Euro-Fragen. Besonders groß ist der Wunsch nach mehr direkter Demokratie in Ostdeutschland: Dort wünschen sich 75 Prozent Volksentscheide bei europäischen Fragen.
Update 7.05 Uhr: Hektischer Positionswechsel der SPD-Spitze
Ein hektischer Positionswechsel der SPD-Spitze zum Referendum in Griechenland sorgt für Diskussionen. Führende Vertreter der Partei hatten sich am Samstagmorgen zunächst positiv zur Volksabstimmung geäußert. Parteichef Sigmar Gabriel hatte erklärt, das Referendum könne sinnvoll sein. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich zunächst positiv. In einer Vorabmeldung zu einem Interview in der »Welt am Sonntag« sagte er, »es liegt jetzt ein gutes Angebot auf dem Tisch - ich hoffe, dass Griechenland die ausgestreckte Hand ergreift. Wenn dies in Form eines Referendums sein soll, dann sei es so«. Das Zitat wurde dann auch von der Nachrichtenagentur AFP verbreitet - am Samstag kurz vor 14 Uhr. Am frühen Sonntagmorgen meldete die Deutsche Presse-Agentur dann jedoch, Steinmeier habe harsche Kritik an der griechischen Regierung geübt. »Ich verstehe nicht, wie eine gewählte griechische Regierung seinem Volk empfiehlt, den europäischen Vorschlag abzulehnen und die Menschen in Griechenland damit in Geiselhaft nimmt, um Europa weitere Konzessionen abzutrotzen. Der Zickzackkurs der griechischen Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslos.« Nach Recherchen von Zeit online »veranlasste Steinmeier die Redaktion der ›Welt am Sonntag‹ dazu, seine Antwort zu Griechenland ins Gegenteil zu verwandeln«. Niemand in der SPD-Spitze habe Samstagfrüh gewusst, so die Erklärung, »dass die Referendumsankündigung durch Tsipras in Wahrheit eine Provokation gewesen sei«. Dies wurde so begründet, dass »in Brüssel die Verhandlungen angeblich kurz vor einer Einigung gestanden hätten«. Ein namentlich nicht genannter SPD-Politiker habe aber bezweifelt, dass eine Einigung zwischen den Vertretern Griechenlands und der Gläubiger wirklich schon so nah bevorgestanden habe, wie es in vielen Medien behauptet wird. Dann stünde auch die Referendumsankündigung in anderem Licht da. Unionspolitiker hätten dagegen schon am Freitagabend vor der entsprechenden Rede von Alexis Tsipras zum Referendum über die Pläne in Athen gewusst. »Wurde Gabriel nicht informiert?«, fragt Zeit online.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/976101.gabriel-erklaert-referendum-zur-grexit-frage.html

Gläubiger erpressen Griechenland weiter

Operation geglückt, Europa tot

Verantwortlich:   Wenn dieses Wochenende uns eins gelehrt hat, dann ist es folgendes: Wer es wagt, das neoliberale Dogma auch nur zu hinterfragen, wird gnadenlos von seinen europäischen „Partnern“ an die Wand gestellt. Europa spielt bereits den „Grexit“ durch und es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die „Institutionen“ ein Exempel statuieren wollen, um die linke griechische Regierung zu entfernen. Schon wird ein „Plan B“ ins Spiel gebracht – der Staatsbankrott und anschließende Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Doch um was geht es bei diesem Plan B konkret? Ist er noch abzuwenden oder dient er vor allem als ultimatives Druckmitteln, um das Referendum im Sinne des neoliberalen Europas zu verschieben. Wie dem auch sei, der Schaden, den die Finanzminister der Eurozone angerichtet haben, ist gigantisch. Der europäische Gedanke ist tot, Europa ist tot. Von Jens Berger.
Syriza hatte nie eine echte Chance. Die linke griechische Regierung wurde vom Volk gewählt, um mit der Vetternwirtschaft der Vorgängerregierungen aufzuräumen und einen Weg zu finden, das Land aus der Krise zu führen. Jeder – auch die Herren Schäuble und Dijsselbloem – weiß, dass dies mit einer Fortführung oder gar Verschärfung der Sparmaßnahmen nicht möglich ist. Daher konnte Syriza die Forderungen der Gläubiger nicht annehmen, ohne sich selbst unglaubwürdig zu machen und dabei auch noch das Land zu ruinieren. Das Ziel der Gläubiger war und ist „den linken Spuk“ zu beenden, so dass in Spanien, Portugal oder sonst wo auch ja niemand nur auf die Idee kommt, eine linke Regierung zu wählen, die nicht nur die Austeritätspolitik, sondern gleich den ganzen Neoliberalismus hinterfragt. Denn wer weiß – hätten diese linken Regierungen Erfolg, könnte dies das Dogma der Alternativlosigkeit auch anderswo erschüttern und daran können die Herren und Damen der Alternativlosigkeit natürlich kein Interesse haben.

Plan B? Welcher Plan B?
Mit seiner Ankündigung eines Referendums hat Alexis Tsipras – so gut die Idee auch gemeint war und so berechtigt seine Forderungen sind – sein eigenes Todesurteil abgenickt. Die Finanzminister der Eurogruppe interpretierten die Ankündigung bar jeder Logik zu einem Scheitern der Gespräche und kündigten an, nun von Plan A auf Plan B umzuschalten. Als Plan B wird in Brüsseler Kreisen die Vorbereitung des griechischen Staatsbankrotts und der Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone bezeichnet. Wie dieser Plan B aussehen soll, ist jedoch vollkommen unbekannt und dass er noch vor dem Referendum in Kraft gesetzt wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Schließlich haben die Finanzminister zumindest in der nächsten Woche überhaupt keine Handhabe, einen Staatsbankrott zu erklären oder gar Griechenland aus dem Euro zu werfen. Die entscheidenden Akteure bis zum Referendum sind vielmehr der IWF und vor allem die EZB und die ist ja – so zumindest die Definition – politisch unabhängig.
Am Dienstag – bzw. am Mittwochmorgen – müsste Griechenland beim IWF eine Kreditrate in Höhe von 1,5 Milliarden Euro tilgen. Dieses Geld hat Griechenland „dank“ der Weigerung der „Institutionen“, neue Auszahlungen aus dem „Hilfspaket“ zu bewilligen, offensichtlich nicht. Einzig und allein die EZB könnte dies jetzt noch ändern, indem sie den griechischen Banken gestattet, ihrer Regierung einen kurzfristigen Kredit in dieser Höhe zu geben. Dies ist jedoch eher unwahrscheinlich. Wenn der IWF am Mittwochmorgen feststellt, dass die Rate nicht bezahlt wurde, passiert noch nichts. Erst wenn IWF-Direktorin Christine Lagarde dem IWF-Gouverneursrat meldet, dass keine Zahlung aus Athen eingegangen ist, löst dies, wie es finanzjuristisch korrekt heißt, ein Kreditereignis aus. Sie hat jedoch laut IWF-Statut einen Ermessensspielraum von dreißig Tagen, bis sie diese Meldung abgibt. Sie kann also ohne Probleme das Referendum und die politischen Reaktionen darauf abwarten.
Automatismen sind nicht vorgesehen
Wenn in den Medien und der Politik immer wieder von einem Staatsbankrott oder einer Pleite die Rede ist, so ist dies fürchterlich ungenau. Selbst wenn der IWF ein Kreditereignis auslöst, hat dies erst einmal gar nichts zu bedeuten. Der IWF müsste dann lediglich Griechenland zu Konsultationen auffordern, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die EU-Kommission und die EZB können, müssen dies aber nicht als Vorlage nehmen, um ihrerseits ein Kreditereignis auszulösen. Es gibt also keinen Mechanismus, der besagt, dass Griechenland unweigerlich den Staatsbankrott erklären müsste, wenn es am Mittwochmorgen die IWF-Rate nicht überweist. Christine Lagarde hat dreißig Tage Zeit, die EU-Kommission und die EZB könnten die nicht gezahlte Rate komplett ignorieren, wenn sie dies denn wünschen.
Und hier bekommt die ganze Sache den entscheidenden Drive: Wenn die Griechen am nächsten Sonntag „für“ die Annahme der Forderungen der Institutionen stimmen, ist sehr wohl eine Wideraufnahme der Verhandlungen möglich. Wahrscheinlich wird dies von den Regierungen der Eurogruppe und der griechischen Opposition auch so kommuniziert werden. Es wird dann heißen: Griechenland stimmt ab, ob es im Euro bleiben will. Und eine Mehrheit der Griechen will im Euro bleiben. Alexis Tsipras hat seine Mitbürger aber explizit aufgefordert, „gegen“ die Annahme der Forderungen zu stimmen. Und es ist davon auszugehen, dass die Eurogruppe tatsächlich ihren „Plan B“ verabschiedet, wenn die Griechen die Forderungen ablehnen und ihrer Regierung den Rücken stärken. Was passiert aber, wenn die Griechen unter diesem gigantischen Druck von außen einknicken, und „für“ eine Annahme der Forderungen stimmen? Dann müsste Alexis Tsipras wohl oder übel Neuwahlen ausrufen. Und sollte er sich weigern, werden die „Institutionen“ Neuwahlen als Voraussetzung für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen bestimmen.
Eine Wahl, die keine ist
Die Griechen haben also folgende Wahl: Entweder sie stimmen „für“ die Annahme, dann kann die linke Syriza-Regierung als gescheitert angesehen werden, es wird Neuwahlen geben und die Austeritätspolitik wird fortgesetzt, wobei man je nach Wahlergebnis vielleicht sogar ein paar „Zuckerle“ verteilt. Oder sie stimmen „gegen“ die Annahme, dann wird „Plan B“ ausgelöst und Griechenland fliegt aus dem Euro und wird einer politischen wie wirtschaftlichen Krise epochalen Ausmaßes entgegenblicken, die dann nicht den eigentlichen Verantwortlichen in Brüssel und Berlin, sondern Syriza angehängt wird.
Wie könnte dieser Plan B denn aussehen? Nach den Verträgen von Maastricht kann man kein Land aus dem Euro werfen. Man kann Griechenland jedoch zwingen, den Euro zu verlassen. Sobald die EZB ihre ELA-Kredite einstellt, ist das griechische Bankensystem ausgetrocknet und de facto insolvent. Natürlich könnte Griechenland – so wie dies einige wenige Entwicklungsländer praktizieren – weiterhin den Euro als offizielle Währung behalten, ohne Banken wird dies jedoch für ein Industrieland unmöglich. Die Schaffung einer neuen Währung wäre der einzig gangbare Weg aus dieser Misere.
Mit dem Grexit fangen die Probleme jedoch erst an. Ein Staatsbankrott besagt ja nicht, dass der betreffende Staat seine Schulden danach los ist. Es kommt auf den Schuldenschnitt (Haircut) an. Selbst wenn die Gläubiger nun die Hälfte der Schulden abschreiben, ändert sich bezüglich der relativen Verschuldung für den griechischen Staat aber gar nichts, wenn die neue Währung um 50% abwertet. Der griechische Staat würde dann „Neue Drachmen“ über Steuern, Abgaben und Zölle einnehmen, müsste seine Schulden aber in Euro zurückzahlen. Sollte die „Neue Drachme“ um 50% abwerten, verdoppelt sich damit der relative Wert der Schulden. Und das betrifft nicht nur den Staat. Sämtliche Haushalte und Unternehmen, die offene Kredite im Ausland haben, werden mit dem Tag der Währungsumstellung relativ doppelt so hohe Schulden haben, da die Kredite ja weiterhin in Euro laufen, die Haushalte und Unternehmen (sofern sie nicht exportieren) aber nur „Neue Drachmen“ einnehmen. Der Staatsbankrott wäre nur der Anfang. Eine ganz Kaskade von Privat- und Unternehmensinsolvenzen wäre die Folge. Das ehemals wohlhabende Industrieland könnte dann als Schwellenland wieder neu anfangen. Eine solche Entwicklung hat es historisch in Friedenszeiten noch nie gegeben.
Eine echte Alternative haben die Griechen also nicht. Was Europa hier betreibt, ist eine Erpressung, wie es sie noch nie gegeben hat. Ein ohnehin schon gedemütigtes Volk hinterfragt das neoliberale Dogma und wird dafür gnadenlos bestraft. Demokratie, Solidarität, friedliches Zusammenleben, Fortschritt, Wohlstand – all dies waren die Säulen, auf denen ein gemeinsames Europa ursprünglich errichtet wurde. Sämtliche dieser Säulen gelten im modernen Europa nichts mehr. Europa ist tot.

Freitag, 19. Juni 2015

Bild Dir Deinen Sigmar!

aus: NachDenkSeiten http://www.nachdenkseiten.de/?p=26449#h02

Man könnte mittlerweile eine eigene Deutschstunde eigens für Sigmar Gabriels Beiträge einrichten. Von Woche zu Woche hat man das Gefühl, dass der Parteivorsitzende der Sozialdemokratie mit Wortbeiträgen verzweifelt darum bemüht ist, sein eigenes Profil zu schärfen. Nun wird vielleicht mancher Leser einwenden, wie sonst könne das politische Profil geschärft werden, wenn nicht mit aktuellen Ansichten zur politischen Lage? Nur zur Illustration: Angela Merkel ist es über die Jahre gelungen, durch strikte Dosierung von persönlichen Bekenntnissen das Image der besonnenen Fachfrau zu schaffen. Sigmar Gabriel entwickelt sich zunehmend und genüsslich zum parlamentarischen Arm der Bild-Zeitung. […]
Ein Anruf der Bild-Redaktion und die Bitte für einen Gastbeitrag ist etwas, das für manche Politiker wie ein Sechser im Lotto oder eine Doppelportion Bockwurst mit Schrippe wirkt: das pure Glück.
Für Gabriel muss es eine Dauerbockwurstparty sein, die ihn dazu bewegt, Politik mithilfe des Boulevards zu machen. Innerparteilich ist er schwach. Seine Parteigenossen haben mittlerweile keine Hemmungen, sich öffentlich von ihm zu distanzieren oder zu widersprechen. Wer aber regelmäßig in der Bild sprechen darf, hat fünfmal mehr Zuhörer als Mitglieder in der eigenen Partei. Und so hat er Aussicht auf mehr Zustimmung in der Bevölkerung und damit eine Form der Macht, die mächtiger als das Parteimandat ist.
Natürlich geht es Gabriel in seiner Äußerung keine Sekunde lang über die griechischen Kommunisten (wer?) und ihre “überzogenen Wahlversprechen” (welche?), die vom deutschen Arbeitnehmer und seiner Familie (hier gleichzusetzen mit “der Bild-Leser”) alimentiert werden. Es geht um den Wunsch, wahrgenommen zu werden. Politiker wie Wolfgang Bosbach machen es vor. Sie verknüpfen ihr persönliches Schicksal mit dem Schicksal eines europäischen Mitglieds an der Ägäis und drohen mit Bosbexit. Sigmar Gabriel will von dem Graben, der in der Griechenland-Frage innerhalb der CDU herrscht, profitieren. Er schlägt sich auf die Seite der Grexit-Befürworter in der Hoffnung auf mehr Fans.
Quelle: Mely Kiyak auf Zeit Online

Montag, 15. Juni 2015

„ … Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern …“


Eine Gruppe von TheologInnen aus verschiedenen Kirchen der Bundesrepublik fordern sofortigen Schuldenerlaß für Griechenland und ein Ende der Austeritätspolitik:

Schuldenerlaß für Griechenland und STOP mit der Verarmungspolitik!

ChristInnen sehen die Geschichte nicht aus der Perspektive der Herrschenden. Weder aus der Perspektive der „Institutionen“ noch aus der Perspektive der deutschen Bundesregierung oder eines Herrn Schäuble. Wir schauen auf die Verhältnisse auch nicht aus der Perspektive der griechischen Oligarchie oder Banken: Den Armen und Schwachen ist die Gerechtigkeit Gottes zugesagt. An uns liegt es, das Recht der Armen durchzusetzen. (Ex 3,7-8)

In Griechenland erleben wir zur Zeit eine Auspressung der Armen, Arbeitslosen und Bedürftigen ohnegleichen. Es ist an der Zeit, darüber zu sprechen, welche Konsequenzen die Politik der EU, allen voran unsere Bundesregierung, den griechischen Menschen aufzwingt. Jede Hilfszahlung an Griechenland kommt bisher zu 80% den Banken und Finanzinverstoren zugute und ist zugleich stählern mit Auflagen verbunden: Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen, Privatisierung öffentlicher Güter oder Kürzung von Kündigungsfristen.

Die Reform des Gesundheitswesens hat bereits jetzt zu einer Schließung von Krankenhäusern geführt, bis zu einem Drittel der Bevölkerung sind nicht mehr krankenversichert, die Arbeitslosenquote liegt bei ca. 30% und offene und verdeckte Armut breiten sich erschreckend schnell aus. Gerade jetzt hat erneut der IWF sinkende Löhne und weitere Einschnitte in die Rechte von Arbeitnehmern gefordert. Systematisch wurden mit den Auflagen der “Troika” die sozialen Grund- und Menschenrechte außer Kraft gesetzt, wie selbst das Europäische Parlament kritisiert hat.

„Wenn ihr denen leiht, von denen ihr es wieder zu erhalten hofft, welchen Dank habt ihr da? Denn auch Sünder leihen Sündern, um das gleiche zurückzuerhalten. … tut Gutes und leihet ohne zurückzuerwarten, und euer Lohn wird groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein …“( Lk 6,34-35)

Ein gutes Leben ist nur möglich, wenn alle leben können. Oder in ökonomischen Worten: Griechenland wird nur dann genug für alle produ­zieren können, wenn die Menschen nicht zu krank und zu hungrig dazu sind. Im Januar hatte die neue griechische Regierung eine europäische Konferenz zum Schuldenabbau vorgeschlagen: Man könne die Rückzahlungen an eine Wachstumsklausel koppeln (also dann beginnen, wenn ein signifikantes Wirt­schaftswachstum vorliegt). «Wenn ich ein verantwortlicher griechischer Politiker wäre, würde ich keine Debatten über einen Schuldenschnitt führen», reagierte Bundesfinanzminister Schäuble zynisch darauf.

Schulden müssen erlassen werden, wenn sie nicht zurückgezahlt werden können und zu Verelendung und Armut führen. Nach der Bibel besteht die Schuld des Menschen vor Gott darin, unbezahlbare Schulden unerbittlich einzutreiben. Gott erlässt dem Menschen die Schuld, die er bei Gott hat, wenn Menschen die Schulden erlassen, die andere bei ihm haben. Die Bibel enthält die jahrtausende alte Weisheit, die sich auch heute in Griechenland bewahrheitet: Unbezahlbare Schulden zerstören das Leben des Schuldners. Die Vaterunser-Bitte “Und vergib uns unsere Schulden” verlangt Verzicht auf die Erfüllung von Gesetzen, die Menschen umbringen. Um des menschlichen Lebens willen, damit also Schuldner leben können, bittet das Vater-unser um Widerstand gegen das Gesetz, dass die Schulden bezahlt werden müssen.

Gerade Deutschland sollte um diesen Zusammenhang doch wissen. Denn im Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurde auch uns so ein Neuanfang ermöglicht, in dem viele legitime Reparationszahlungen zunächst zurückgestellt wurden. Dass sie nur vorläufig zurückgestellt wurden, darum wußte auch Horst Teltschik, der 1990 im Zusammenhang der Verhandlungen um die Wiederver­einigung an Helmut Kohl schrieb: „Ein Anspruch unserer ehemaligen Kriegsgegner auf Reparations­leis­tungen könnte erst aufgrund von Verpflichtungen entstehen, die wir im Rahmen eines friedensvertrag­lichen … Abkommens eingehen. Die Übernahme solcher Verpflichtungen wollen wir unter allen Umständen vermeiden.“ Deshalb wurde damals kein formeller Friedensvertrag geschlossen! So also geht Deutschland mit Schuldenrückzahlungen und seiner historischen Verantwortung um!

Im Jahr 2000 haben die christlichen Kirchen einen Schuldenerlaß für Länder der dritten Welt gefordert. Heute, wo es um das eigene Haus Europa geht, schweigen sie, obwohl ein Schuldenerlaß für Griechenland nach ökonomischen und nach christlichen Kriterien ein notwendiger Schritt wäre. Sie schweigen, weil sie sich mit den Profiteuren anlegen müssten und obwohl es, nach all diesen Finanz- und Schuldenkrisen der letzten Jahre und ihren sozialen Verwüstungen vernünftig wäre, diesen neoliberalen Kapitalismus und die europäische Austeritätspolitik anzugreifen.

Machen wir uns nichts vor: Wenn wir jetzt zu Griechenland schweigen, werden die Verwüstungen zunehmen, wird diese Politik der Verarmung und Verelendung in den nächsten Jahren unangefochten sein.

Wir, ChristInnen aus verschiedenen Kirchen, fordern eine Europäische Schuldenkonferenz, damit nicht die Demokratie und der Sozialstaat den Finanzinvestoren geopfert werden. Wir fordern von unserer Regierung und der EU Griechenland die Schulden zu erlassen und die Verelendungspolitik zu beenden!

ErstunterzeichnerInnen:
Prof. em. Dr. Franz Segbers, Sozialethiker an der Universität Marburg – Dr. Kuno Füssel, Theologe und Mathematiker/ Andernach – Dr. Michael Ramminger, Institut für Theologie und Politik/ Münster – Prof. Dr. Ulrich Duchrow/ Heidelberg – Werner Gebert, Pfr. i.R., Plädoyer für eine ökumenische Zukunft – Pfr. em. Norbert Arntz/ Kleve – Ulrich Schmitthenner, Pfr. i. R. – Dr. Katja Strobel, Theologin/ Frankfurt am Main – Jürgen Kaiser, erlaßjahr.de/ Düsseldorf – Prof. DDr. Hermann Steinkamp/ Münster – Prof. Dr. Franz Hinkelammert/ Costa Rica – Günther Salz, ehem. Vorsitzender des Diözesanverbandes KAB-Trier/ Engers – Dr. Julia Lis, Institut für Theologie und Politik/ Münster – Carl-Peter Klusmann, kath. Pfr. i.R./ Dortmund – Prof. Dr. Stylianos Tsompanidis, Prof. für Ökumenische Theologie/ Thessaloniki, Griechenland – Dr. Paul Petzel, Gymnasiallehrer für Kunst u. kath. Religionslehre/ Andernach – Prof. Dr. Heinrich Fink/ Berlin – Ilsegret Fink, evgl. Theologin u. Pastorin i.R. – Jürgen Klute, ehem. Mitglied des Europäischen Parlaments

http://www.itpol.de/?p=1761

Dienstag, 9. Juni 2015

Zwei Millionen Unterschriften 'STOP TTIP'


Das Bündnis 'STOP TTIP' hat gestern bekannt gegeben, dass es zwei Millionen Unterschriften unter die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (EBI) erreicht hat. Das ist die größte Unterschriftenzahl seit der Einführung dieses Instrumentes im Jahr 2012. Nach den Regeln würde eine erfolgreiche EBI die Hälfte dieser Unterschriften benötigen. Außerdem hat 'STOP TTIP' die erforderliche Mindestanzahl von Unterschriften in 14 EU-Mitgliedstaaten gesammelt, das Doppelte der Zahl, die für eine offizielle Antwort der Europäischen Kommission und eine Anhörung im Europäischen Parlament erforderlich ist.

Die Europäische Bürgerinitiative 'STOP TTIP' hat wenige Tage vor einer wichtigen Abstimmung im Europäischen Parlament den Unterschriftenrekord erreicht. Am 10. Juni 2015 wird das Europäische Parlament über eine Resolution zu TTIP abstimmen.

'STOP TTIP' fordert das Europäische Parlament auf, in der bevorstehenden Resolution die Konzernklagerechte (ISDS) abzulehnen

Michael Efler, Mitglied des 'STOP TTIP' Bürger-Komitees, erklärte:
"Zwei Millionen Menschen fordern, die Verhandlungen über TTIP zu beenden. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments sollten sich daran erinnern, wenn sie ihre Stimme abgeben. Wir fordern das Europäische Parlament auf, TTIP zurückzuweisen, weil es eine Bedrohung der Demokratie sowie der Schutzstandards für Arbeitsrechte, die Umwelt und das Gesundheitswesen ist. Zumindest sollte das Europäische Parlament eine klare Haltung gegen die privaten Schiedsstellen („ISDS“)  einnehmen. Alle Verbesserungen von ISDS, die von der Europäischen Kommission und den Sozialdemokraten eingebracht wurden, sind ungenügend. Das Problem bleibt bestehen, dass ISDS ein paralleles Rechtssystem für Kapitalanleger einführen würde, das Konzernen erlauben würde, Regierungen vor privaten Schiedsstellen zu verklagen für praktisch jede staatliche Handlung, die Investitionen stört und deren erwartete Profite verringert. Wenn die Resolution keine klare Ablehnung von ISDS enthält, dann sollte das Europäische Parlament alles zusammen zurückweisen."

'STOP TTIP' wird von einer Allianz aus mehr als 470 zivilgesellschaftlichen Organisationen durchgeführt - Verbraucherschützer, Umweltgruppen und Gewerkschaften – quer durch Europa. Die Unterschriftensammlung wird bis zum 6. Oktober fortgesetzt, um den politischen Druck weiter zu verstärken.
Die Europäische Kommission hatte 'STOP TTIP' im Herbst im letzten Jahr nicht als offizielle EBI anerkannt. Die Allianz klagt jetzt gegen diese Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof und führt inzwischen die EBI-Unterschriftensammlung auf selbstorganisierter Basis durch.

10. Oktober in Berlin!

"Wenn wir jetzt dran bleiben, dann haben wir gute Chancen TTIP und CETA zu Fall zu bringen. Deshalb unsere Bitte: Notiert euch den 10. Oktober in Berlin! Mit vielen, vielen zehntausenden Menschen wollen wir dort auf die Straße gehen, wenn die heiße Auseinandersetzung um TTIP und CETA beginnt." (Campact)