Eine
Gruppe von TheologInnen aus verschiedenen Kirchen der Bundesrepublik fordern
sofortigen Schuldenerlaß für Griechenland und ein Ende der Austeritätspolitik:
Schuldenerlaß für Griechenland und STOP mit der
Verarmungspolitik!
ChristInnen
sehen die Geschichte nicht aus der Perspektive der Herrschenden. Weder aus der
Perspektive der „Institutionen“ noch aus der Perspektive der deutschen
Bundesregierung oder eines Herrn Schäuble. Wir schauen auf die Verhältnisse
auch nicht aus der Perspektive der griechischen Oligarchie oder Banken: Den
Armen und Schwachen ist die Gerechtigkeit Gottes zugesagt. An uns liegt es, das
Recht der Armen durchzusetzen. (Ex 3,7-8)
In
Griechenland erleben wir zur Zeit eine Auspressung der Armen, Arbeitslosen und
Bedürftigen ohnegleichen. Es ist an der Zeit, darüber zu sprechen, welche
Konsequenzen die Politik der EU, allen voran unsere Bundesregierung, den
griechischen Menschen aufzwingt. Jede Hilfszahlung an Griechenland kommt bisher
zu 80% den Banken und Finanzinverstoren zugute und ist zugleich stählern mit
Auflagen verbunden: Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen, Privatisierung
öffentlicher Güter oder Kürzung von Kündigungsfristen.
Die
Reform des Gesundheitswesens hat bereits jetzt zu einer Schließung von
Krankenhäusern geführt, bis zu einem Drittel der Bevölkerung sind nicht mehr
krankenversichert, die Arbeitslosenquote liegt bei ca. 30% und offene und
verdeckte Armut breiten sich erschreckend schnell aus. Gerade jetzt hat erneut
der IWF sinkende Löhne und weitere Einschnitte in die Rechte von Arbeitnehmern
gefordert. Systematisch wurden mit den Auflagen der “Troika” die sozialen
Grund- und Menschenrechte außer Kraft gesetzt, wie selbst das Europäische
Parlament kritisiert hat.
„Wenn ihr
denen leiht, von denen ihr es wieder zu erhalten hofft, welchen Dank habt ihr
da? Denn auch Sünder leihen Sündern, um das gleiche zurückzuerhalten. … tut
Gutes und leihet ohne zurückzuerwarten, und euer Lohn wird groß sein, und ihr
werdet Söhne des Höchsten sein …“( Lk 6,34-35)
Ein gutes
Leben ist nur möglich, wenn alle leben können. Oder in ökonomischen Worten:
Griechenland wird nur dann genug für alle produzieren können, wenn die
Menschen nicht zu krank und zu hungrig dazu sind. Im Januar hatte die neue
griechische Regierung eine europäische Konferenz zum Schuldenabbau
vorgeschlagen: Man könne die Rückzahlungen an eine Wachstumsklausel koppeln
(also dann beginnen, wenn ein signifikantes Wirtschaftswachstum vorliegt).
«Wenn ich ein verantwortlicher griechischer Politiker wäre, würde ich keine
Debatten über einen Schuldenschnitt führen», reagierte Bundesfinanzminister
Schäuble zynisch darauf.
Schulden
müssen erlassen werden, wenn sie nicht zurückgezahlt werden können und zu
Verelendung und Armut führen. Nach der Bibel besteht die Schuld des Menschen
vor Gott darin, unbezahlbare Schulden unerbittlich einzutreiben. Gott erlässt
dem Menschen die Schuld, die er bei Gott hat, wenn Menschen die Schulden
erlassen, die andere bei ihm haben. Die Bibel enthält die jahrtausende alte
Weisheit, die sich auch heute in Griechenland bewahrheitet: Unbezahlbare
Schulden zerstören das Leben des Schuldners. Die Vaterunser-Bitte “Und vergib
uns unsere Schulden” verlangt Verzicht auf die Erfüllung von Gesetzen, die
Menschen umbringen. Um des menschlichen Lebens willen, damit also Schuldner
leben können, bittet das Vater-unser um Widerstand gegen das Gesetz, dass die
Schulden bezahlt werden müssen.
Gerade
Deutschland sollte um diesen Zusammenhang doch wissen. Denn im Londoner
Schuldenabkommen von 1953 wurde auch uns so ein Neuanfang ermöglicht, in dem
viele legitime Reparationszahlungen zunächst zurückgestellt wurden. Dass sie
nur vorläufig zurückgestellt wurden, darum wußte auch Horst Teltschik, der 1990
im Zusammenhang der Verhandlungen um die Wiedervereinigung an Helmut Kohl
schrieb: „Ein Anspruch unserer ehemaligen Kriegsgegner auf Reparationsleistungen
könnte erst aufgrund von Verpflichtungen entstehen, die wir im Rahmen eines
friedensvertraglichen … Abkommens eingehen. Die Übernahme solcher
Verpflichtungen wollen wir unter allen Umständen vermeiden.“ Deshalb wurde
damals kein formeller Friedensvertrag geschlossen! So also geht Deutschland mit
Schuldenrückzahlungen und seiner historischen Verantwortung um!
Im Jahr
2000 haben die christlichen Kirchen einen Schuldenerlaß für Länder der dritten
Welt gefordert. Heute, wo es um das eigene Haus Europa geht, schweigen sie,
obwohl ein Schuldenerlaß für Griechenland nach ökonomischen und nach
christlichen Kriterien ein notwendiger Schritt wäre. Sie schweigen, weil sie
sich mit den Profiteuren anlegen müssten und obwohl es, nach all diesen Finanz-
und Schuldenkrisen der letzten Jahre und ihren sozialen Verwüstungen vernünftig
wäre, diesen neoliberalen Kapitalismus und die europäische Austeritätspolitik
anzugreifen.
Machen
wir uns nichts vor: Wenn wir jetzt zu Griechenland schweigen, werden die
Verwüstungen zunehmen, wird diese Politik der Verarmung und Verelendung in den
nächsten Jahren unangefochten sein.
Wir,
ChristInnen aus verschiedenen Kirchen, fordern eine Europäische
Schuldenkonferenz, damit nicht die Demokratie und der Sozialstaat den
Finanzinvestoren geopfert werden. Wir fordern von unserer Regierung und der EU
Griechenland die Schulden zu erlassen und die Verelendungspolitik zu beenden!
ErstunterzeichnerInnen:
Prof. em. Dr. Franz Segbers, Sozialethiker an der Universität Marburg – Dr.
Kuno Füssel, Theologe und Mathematiker/ Andernach – Dr. Michael Ramminger,
Institut für Theologie und Politik/ Münster – Prof. Dr. Ulrich Duchrow/
Heidelberg – Werner Gebert, Pfr. i.R., Plädoyer für eine ökumenische Zukunft –
Pfr. em. Norbert Arntz/ Kleve – Ulrich Schmitthenner, Pfr. i. R. – Dr. Katja
Strobel, Theologin/ Frankfurt am Main – Jürgen Kaiser, erlaßjahr.de/ Düsseldorf
– Prof. DDr. Hermann Steinkamp/ Münster – Prof. Dr. Franz Hinkelammert/ Costa
Rica – Günther Salz, ehem. Vorsitzender des Diözesanverbandes KAB-Trier/ Engers
– Dr. Julia Lis, Institut für Theologie und Politik/ Münster – Carl-Peter
Klusmann, kath. Pfr. i.R./ Dortmund – Prof. Dr. Stylianos Tsompanidis, Prof.
für Ökumenische Theologie/ Thessaloniki, Griechenland – Dr. Paul Petzel, Gymnasiallehrer
für Kunst u. kath. Religionslehre/ Andernach – Prof. Dr. Heinrich Fink/ Berlin
– Ilsegret Fink, evgl. Theologin u. Pastorin i.R. – Jürgen Klute, ehem. Mitglied
des Europäischen Parlaments
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