Montag, 24. März 2014

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Neue Arbeit nicht nur für Studierte!

„Strukturwandel“ vertieft die Spaltung der Stadt
 
Dortmunds Wirtschaftsförderer klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, weil der von ihnen geförderte „Strukturwandel“ von Kohle-Stahl-Bier zum regionalen Dienstleistungszentrum  den Verlust industrieller Arbeitsplätze schon fast ausgeglichen habe. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag Ende 2013 zwar noch um ca. 20.000 hinter dem Niveau von 1980 zurück – und die Arbeitslosenzahl um 24.000 höher  – aber schon um ein Prozentchen höher als 1987.
Wenn man den Zuwachs an Beschäftigung nach Ausbildungsabschlüssen aufschlüsselt, stellt sich jedoch heraus: Die Zahl der sozialversichert Beschäftigten wächst ausschließlich im Segment der Hoch- und Höchstqualifizierten, der Akademiker – neudeutsch: „High Potentials“ (+131 % gegenüber 1987). Hingegen ging die Zahl der Beschäftigten mit abgeschlossener Lehre oder Fachschule zurück (-12 %), die der Ungelernten sank sogar fast um die Hälfte (-47 % gegenüber 1987).

Das ganze Ausmaß der Misere zeigen folgende Zahlen: Ende 2013 gibt es in Dortmund noch 23.273 Arbeitsplätze für Ungelernte, das sind 21.342 Stellen weniger als 1987. Und beinahe ebenso viele Ungelernte sind Ende 2013 arbeitslos gemeldet: 22.190 (Quelle: Information der ARGE Jobcenter Dortmund an den Ratsausschuß für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, 19.03.14).

Der „Strukturwandel“ nützte also ausschließlich der Oberschicht und schadete der breiten Masse der Dortmunder-innen. In absehbarer Zukunft besteht auch keinerlei Aussicht, dass der auf Unternehmensgewinn gerichtete „erste“ Arbeitsmarkt die Beschäftigungslücke schließt. Den 22.190 Arbeit suchenden Ungelernten stehen nämlich inzwischen über 62.000 Minijobs und andere prekäre Arbeitsverhältnisse gegenüber, mit rasch steigender Tendenz. Wenn diese in reguläre sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen umgewandelt würden, wäre – rein rechnerisch – die Lücke geschlossen. Doch die gewinnorientierte Wirtschaft fährt genau den entgegengesetzten Kurs.

Wie die Stadtverwaltung die Ungelernten abhängt

Die Dortmunder Wirtschaftsförderung (WF-DO) trägt große Mitschuld an diesem gespaltenen Arbeitsmarkt. Seit dem Jahr 2000 fördert sie massiv einerseits solche Unternehmen, die überproportional viele Akademiker beschäftigen (IT, MST, Biomedizintechnik, „Kreativwirtschaft“), andrerseits solche, die besonders viele prekäre Jobs anbieten (Logistik, Gesundheitswirtschaft).

Dabei war die Erfolgsbilanz der WF-DO 2013 äußerst dürftig. Durch Neugründungen von Unternehmen, worauf WF-DO besondere Hoffnungen setzt, entstanden im vergangenen Jahr gerade mal rund 200 Arbeitsplätze in 78 neuen Klein- und Kleinstbetrieben – bei 37.000 registrierten Arbeitslosen. In den genannten „Leitbranchen“ des Strukturwandels meldete WF-DO ganze 14 Unternehmensgründungen oder Erweiterungen – die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Dortmund lag um das 25-fache höher.

Diese miserable Bilanz kostete uns auch 2013 wieder runde 10 Mio € aus dem Stadtsäckel.

Im Gegenzug setzt die Stadtverwaltung als ausführendes Organ die Kürzungen der Bundesregierung an der Arbeitsförderung um. So hatte noch die schwarz-gelbe Bundesregierung beschlossen, das Förderinstrument „Bürgerarbeit“ für Arbeitslose mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen bis Ende 2014 ersatzlos zu streichen. In Dortmund waren Ende 2013 in diesem Programm 400 Menschen beschäftigt:
100 im Service- und Präsenzdienst auf den Straßen der Stadt,
200 Hilfshausmeister an Schulen,
54   „Quartierskümmerer“ in den Stadtteilen,
40   Küchenhilfen in Kitas (überwiegend im städtischen Eigenbetrieb FABIDO),
6     Fahrer-innen auf dem Hauptfriedhof.

Parallel dazu hatte der Stadtrat Ende 2012 eine „Kommunale Arbeitsmarkt-Strategie 2015“ beschlossen, mit 685 Jobs im Jahr bis 2016. Aktuell versucht die Stadtverwaltung 111 Bürgerarbeitsplätze zu retten, indem sie sie in das kommunale Programm übernimmt. Aber ohne dessen Budget (knappe 1,6 Mio €) entsprechend aufzustocken. Also indem sie andere Teilprojekte streicht oder kürzt:

Von den 100 Jobs im Service- und Präsenzdienst sollen 80, von den 54 Quartierskümmerern 27 und von den 6 Friedhofsfahrer-innen sollen 4 in das Projekt „FAV“ überführt werden, aber ohne dies Projekt auszuweiten, also de facto wird es um diese 111 Stellen gekürzt. Neben 200 neuen „1-€-Jobs“ (denen wir keine Träne nachweinen) und der Ausbildung von 35 neuen Erzieherinnen fällt auch die Unterstützung der Umwandlung von 400 Minijobs in sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeit komplett unter den Tisch. Die restlichen 289 Bürgerarbeitsstellen  werden ebenfalls bis zum Jahresende wegfallen.

Insgesamt wird die öffentlich geförderte Beschäftigung in diesen Programmen von 1.085 Stellen um 674 auf nur noch 411 reduziert – obwohl gerade solche einfachen Arbeiten genau für die 22.000 gering qualifizierten Arbeitslosen dringend gebraucht würden.

Wirksame Beschäftigungspolitik kommt von links – und nur von dort

Seit 1993 warb die Vorläuferin der Linkspartei, die PDS, und seit 2007 wirbt die LINKE ununterbrochen für staatliche und kommunale Förderung sozialer, kultureller und ökologischer, nicht auf Gewinn gerichteter Beschäftigungsinitiativen. Nicht zuletzt diesem zähen Bohren ist es zu verdanken, dass heute der eine oder andere nicht-linke Kommunalpolitiker die Worte „Öffentlich geförderte Beschäftigung“ schon mal ausspricht ohne sich auf die Zunge zu beißen.

So auch in Dortmund. Hier kam der neue OB Sierau unserem ständigen Drängen auf Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung zur Beschäftigungsförderung ein erstes Schrittchen entgegen und brachte die „Kommunale Arbeitsmarkt-Strategie 2015“ ein. Doch die Alternative zur marktgläubigen Gesundbeterei, der „ÖBS“ (Öffentlich geförderter Beschäftigungs-Sektor) stößt noch immer auf scharfen Gegenwind aus Wirtschaftsverbänden und Kammern sowie den anderen Dortmunder Ratsfraktionen. Und wie wir sehen, knickt im Gegenwind der Unternehmerlobby ein sozialdemokratischer OB wieder ein. Wir müssen also weiter bohren.

Wir werden in den nächsten Wochen in Gesprächen mit Sozialverbänden und Initiativen Möglichkeiten darstellen, wie der ÖBS konkret vor Ort ausgeweitet werden kann, ohne die knappen Haushaltsmittel der Stadt zu überfordern.

Montag, 17. März 2014

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Giftmüll in Bergwerken der Ruhrkohle - Dortmund „nicht betroffen“? LINKE-Ratsfraktion lässt nicht locker


Im November 2013 griff die Dortmunder LINKE-Ratsfraktion Medienberichte auf, nach denen der Bergbaukonzern Ruhrkohle AG zwei Jahrzehnte lang bis 2006 ausgekohlte Flöze und Strecken unter Tage mit 1,6 Millionen Tonnen hochgiftigem Sondermüll verfüllt hat. Mit Genehmigungen der Landesbehörden NRW, die die Rechtsgrundlage dafür passend hinbogen. 
Die Dortmunder LINKE richtete dazu im Umweltausschuß des Stadtrats eine Anfrage an die Stadtverwaltung, um zu erfahren, inwieweit Dortmunds Grundwasser durch den Giftmüll bedroht ist und wie die Stadtspitze sich dazu verhält. Hintergrund der Anfrage: Unter Tage hängen sämtliche Steinkohlezechen des Ruhrgebiets untrennbar miteinander zusammen, das Grubenwasser bildet darin sozusagen einen großen See. Die eingelagerten Giftstoffe könnten also das ganze Ruhrgebiet kontaminieren.
Die Stadtverwaltung antwortete Anfang Januar ausweichend: „Eine Verwertung von bergbaufremden Abfällen in untertägigen Bauwerken hat es nach Kenntnis des Umweltamtes im Bereich des Dortmunder Stadtgebietes nicht gegeben.“ – Das hatten wir gar nicht gefragt, denn das wußten wir schon vorher. Im übrigen versteckte die Stadt sich hinter der Bezirksregierung Arnsberg als Genehmigungsbehörde und diese hinter einem allgemeinen Bericht der Landesregierung an den Landtag.
Damit gaben wir uns nicht zufrieden. Nach weiteren Nachforschungen stellten wir jetzt eine zweite Anfrage im Umweltausschuß:

„Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

zu unserer Anfrage zum Thema Sondermüll in Bergwerken haben wir einige ergänzende Nachfragen an die Dortmunder Verwaltung:

1. Ist die Stadt Dortmund im Rahmen der seinerzeitigen Genehmigungsverfahren zum Einbringen bergbaufremder Versatzstoffe in Steinkohlebergwerke der Ruhrkohle AG durch die Bergbehörde angehört worden, und / oder wie hat sie dazu Stellung genommen?

2. Bis zu welcher Teufe reichen die alten Flözhorizonte unterhalb des Dortmunder
Stadtgebiets?

3. Ist der Verwaltung bekannt, dass die den seinerzeitigen bergrechtlichen Genehmigungen
zum "vollständigen Einschluss" bergbaufremder Versatzstoffe zugrunde gelegten Annahmen (die im Bericht der Landesregierung wiederholt werden), insbesondere über Abbindeverhalten und Festigkeit der Stoffgemische, nach neueren Untersuchungen nicht mehr uneingeschränkt haltbar sind und infolgedessen die Sicherheit des "vollständigen Einschlusses" nicht gewährleistet ist? (vergl. Presseberichte DER SPIEGEL 29/23013; Die WELT 28.07.2013, Junge Welt 09.11.2013)

4. Kann die Verwaltung ausschließen, dass nach der beabsichtigten Flutung der stillgelegten
Steinkohlebergwerke (ab 2018) deren Grubenwässer sich untertägig auf Dortmunder Stadtgebiet ausbreiten?

5. Welche Erkenntnisse hat die Verwaltung über die Gefährdung des Grund- und
Oberflächenwassers durch in Brüchen, geologischen Sprüngen und eingestürzten Hohlräumen
aufsteigendes Grubenwasser? Kann die Verwaltung diese Gefährdung für das Dortmunder Einzugsgebiet ausschließen?

6. Gibt es noch Wasserhaltungen in Bergwerken auf Dortmunder Stadtgebiet, bei denen Grubenwasser abgepumpt wird? Wenn ja, wohin werden diese Grubenwässer eingeleitet?

Mit freundlichen Grüßen
Utz Kowalewski“

Sollte die Stadtverwaltung sich weiter um eine sachgerechte Antwort drücken, werden wir unser Recht auf Akteneinsicht wahrnehmen.

Donnerstag, 13. März 2014

Krise bei RWE – Folgen für Dortmund. Erklärung des Bündnisses „DEW kommunal“


Alte Gewissheiten zerbrechen. RWE stehe dicht am Abgrund, titelte eine der Ruhrgebiets-Zeitungen etwas sehr dramatisch. Der Konzern halte nicht mehr lange im (fossilen) Energiegeschäft durch, wenn die Bundesregierung nicht mehr dafür tue, den Vormarsch der Erneuerbaren zu stoppen. Als hätte es Berlin zu verantworten, dass die Konzernvorstände die Energiewende verschlafen haben.
Ähnliche Klagen sind von einigen Ruhrgebiets-Städten zu hören, die bislang an den satten Dividenden von RWE partizipieren durften. Bei der mittelfristigen Finanzplanung für die kommenden Jahre war man wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Dividenden weiter munter sprudeln.
Eng wird es auch für Dortmund, und ganz besonders für die Herren Pehlke und Sierau. Letzterer hatte im vergangenen Jahr kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit RWE zu werben. Der RWE-Konzern sei für Dortmund wichtig, und also sei auch nur folgerichtig, an der 47 %-igen Beteiligung der RWE am örtliche Versorger DEW21 festzuhalten. Dass diese Verbindung rückwärtsgewandt ist und Dortmund damit seine Chance verspielt, ein eigenständiges Profil als Energiewende-Stadt zu gewinnen, ließen die Herren nicht gelten.
Und es wird eng auch, und das sagen wir ohne jegliche Häme, für die Belegschaftsvertretungen von RWE und DSW. Ihr Schulterschluss mit dem Unternehmensvorständen hat den Belegschaften nichts genutzt. 6.750 Leute sollen bis Ende 2016 allein bei RWE gehen. Bei der DSW21 hat Vorstandschef Pehlke ein Sparprogramm im Umfang von 30 Mio. € jährlich angekündigt, wobei die jüngste Dividenden-Kürzung bei den RWE-Aktien noch nicht mal berücksichtigt ist.
Wir sind gespannt, ob die Genannten bereit sind, Lehren aus diesen Entwicklungen zu ziehen, und vielleicht doch noch für eine vollständige Kommunalisierung der DEW21 zu gewinnen sind. Ein Tausch der RWE-Aktien gegen den RWE-Anteil an DEW – das wäre der Weg! Nach wie vor zieht diese Option. Und noch gibt es dafür ein schmales Zeitfenster, das allerdings von Tag zu Tag, von Woche zu Woche immer kleiner wird. Es liegt allein in der Zuständigkeit und Verantwortung des Rates der Stadt, eine entsprechende Kurskorrektur vorzunehmen.
Um es noch einmal zu bekräftigen: Wir brauchen die RWE nicht, um die Versorgung der Dortmunder Haushalte und Betriebe mit Energie und Wasser sicherzustellen.
Heiko Holtgrave (Akoplan): „Wenn das gelänge, könnten wir uns vielleicht endlich darüber unterhalten, was man noch tun könnte - für eine Minderung des Energieverbrauchs und zugunsten möglichst kleinteiliger, dezentraler Erzeugungsstrukturen in unserer Stadt.“
Sollten wir am Ende doch noch mit unseren Ideen durchsetzen? Es wäre zu schön!
Dortmund, den 12. März 2014
www.dew-kommunal.de

Sonntag, 2. März 2014

DIE LINKE wirkt, Politik beginnt zu reagieren


Schlussteil meines Vortrags bei attac Dortmund „Die Mitverantwortung der Stadtpolitik an der Armut in Dortmund“

Die LINKE Dortmunder Ratsfraktion untersuchte vor Ort den Umfang, gesellschaftlichen Nutzen und die Beschäftigungsbeiträge von Initiativen und Verbänden der nicht-kommerziellen Selbsthilfe-Ökonomie. Wirtschaftswissenschaftler fassen sie unter dem Begriff  „2. Arbeitsmarkt“ zusammen. Weil die allermeisten Projekte ohne öffentliche Fördermittel nicht überleben könnten, nennen wir ihn treffender den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS).

Wir stellten fest: Auch heute in unserer durchkapitalisierten, marktkonformen Gesellschaft gibt es einen breiten, lebendigen, unverzichtbaren Sektor der Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe, sozialer, ökologischer und kultureller Initiativen. Wir waren überrascht von der Breite dieses Sektors und seiner Bedeutung für die Lebensqualität der Dortmunder Bevölkerung:

Die von uns untersuchten Projekte bieten ca. 4.500 sozialversicherte Arbeitsplätze, 1.300 "Arbeitsgelegenheiten" nach SGB II sowie fast 20.000 ehrenamtliche Tätigkeiten. Von unserer Stichprobe aus hochgerechnet bietet der gesamte öffentlich geförderte Wirtschaftssektor in Dortmund 13.000 sozialversicherte Stellen und 40- bis 50.000 weitere Beschäftigungsverhältnisse (in Teilzeit, Ehrenamt und Eingliederungsmaßnahmen). Alles in allem können wir das effektive Arbeitsvolumen des ÖBS in Dortmund heute auf 50-60.000 Stellen veranschlagen.

Unsere Untersuchung ergab aber auch einen fast grenzenlosen Bedarf. Arbeit gibt es mehr als genug. Vieles bleibt unerledigt liegen, weil es sich für gewinnorientierte Unternehmen nicht "rechnet" und staatliche Mittel dafür nicht zur Verfügung stehen. Gemessen am ungedeckten Bedarf an Betreuung, Beratung, Kinder- und Jugendpflege, kulturellen und Bildungsprojekten, Selbsthilfegruppen, Sozialkaufhäusern, Stadtteilentwicklung und Umweltschutz, Zuverdienstwerkstätten könnte die Beschäftigtenzahl des ÖBS glatt verdoppelt werden.

Es fehlt vor allem an öffentlicher Förderung und am politischen Willen dazu. Die meisten von uns befragten Verbände und Projekte wissen heute nicht, ob morgen das Geld noch reicht, um weiter zu arbeiten. Fördermittel kommen heute zu >80% von EU-Bund-Land, nur 16% von der Stadt DO. Nur ein verschwindend geringer Anteil der Projekte finanziert sich aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen, viele kleinere überleben nur mit privaten Spenden. Die am häufigsten genannten Forderungen der Projekte an die Politik sind daher:

Mehr Geld, mehr öffentliche Wertschätzung ihrer Arbeit, weniger bürokratische Gängelung, Mindestlöhne!

Ergebnis: Arbeit anstatt Arbeitslosigkeit zu fördern, ist sofort möglich. Unter anderem durch Umwandlung sämtlicher 1-Euro-Jobs in tariflich bezahlte Vollzeitstellen. Wir rechneten nach, was die ARGE Jobcenter DO auch schon herausfand: Wenn die Politik will, könnte sie die 1-Euro-Jobs sofort kostenneutral umwandeln, das heißt ohne Mehrkosten, sozialversichert und zum Mindestlohn von 10 €/h. Das wäre sozialer als die menschenverachtenden Hartzgesetze.

Zögerliches Umdenken

Mit dem Wechsel an der Stadtspitze zum neuen OB Sierau und zum neuen Wirtschaftsförderer Thomas Westphal macht sich nun ein vorsichtiges Umdenken bemerkbar. Um die Jahreswende 2011/12 brachte der Verwaltungsvorstand eine „Kommu­nale Arbeitsmarktstrategie 2015“ auf den Weg.

Sie umfasste zunächst neun Beschäfti­gungsprojekte mit nicht mehr als 655 Stellen im Jahresdurchschniit. Auch bei der Finanzierung des Programms brachen Sierau und Kämmerer Stüde­mann mit den Tabus der Langemeyer-Jahre und gingen den Weg, den sowohl die LINKE als auch Sozial­verbände seit langem fordern:
-  Knapp die Hälfte der Kosten (etwa 2,7 Mio € p.a.) sind durch Einsparung der Kosten der Unterkunft (bei ALG 2) für die ins Programm aufgenom­menen Arbeitslosen abzudecken,
-  Für den Rest (3,5 Mio €) wurde die Gewerbesteuer angehoben.

Aber sogleich bremste eine große Koalition aller marktgläubigen Ratsfraktionen den OB aus und kürzte seinen zaghaften Plan noch mal auf die Hälfte zusammen. Nur die LINKE stimmte gegen die Kürzungen. Immerhin trägt unsere jahrelange Propaganda für den ÖBS, an der Seite der Wohlfahrtsverbände und Beschäftigungsinitiativen, erste Früchte, die Politik bewegt sich allmählich.

Unsere Untersuchung zeigte allerdings auch, dass Vollbeschäftigung auf diesem Weg nur zu finanzieren ist auf Grundlage einer wirklich durchgreifenden Gemeindefinanzreform, die der Kommune ermöglicht, über die Kosten der Unterkunft hinaus noch mal doppelt soviel für ihre Beschäftigungspolitik aufzuwenden. Das wären für Dortmund zusammen rund 480 Mio € oder etwa ein Viertel ihres aktuellen Gesamthaushalts – also mehr als „Peanuts“!

Auch das wäre keine Utopie. Es würde nicht mal den Kapitalismus sprengen. Es wäre nur die Rückkehr von der antisozialen, unsere Grundlagen zerstörenden Plünderung des Gemeinwesens zum sozialen Kompromiss der 50er bis 70er Jahre, der unser sogenanntes „Wirtschaftswunder“ ermöglichte. Den marktgläubigen Partei­en geht dieser Kurswechsel heute offenbar schon in Dortmund gegen den Strich, von Berlin und Brüssel gar nicht zu reden.

Doch wie im Leben der Menschen gibt es auch in der Geschichte kein Zurück. Der Klassenkompromiss der Nachkriegsjahrzehnte lässt sich nicht wieder herstellen, so wenig wie die Art Vollbeschäftigung, auf die er sich damals gründete, die sich aus dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Produktionsbasis selbst ergab und mit diesem zu Ende ging.

Die zukünftige neue Art Vollbeschäftigung ist nur auf nicht-marktkonformer Grundlage möglich, nämlich durch gezielte staatlich-kommunale Beschäftigungspolitik am kapitalistischen Arbeitsmarkt vorbei. Sie muss folglich von „außen“, von unten, von den Menschen selbst erzwungen werden, als ein Baustein – neben anderen – einer humaneren Gesellschaft.