Mittwoch, 26. August 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Gegen die EU-Oligarchie ein Europa der Menschen setzen


Im Oktober 2015, im Jahr acht der tiefsten Existenzkrise der Europäischen Union legt die Dortmunder Stadtverwaltung ein "Handlungskonzept Perspektive Europa" auf: Einen neuen technokratischen „Masterplan“, mit dem die Elite in gewohnter Manier von oben nach unten für die Bürger handeln und diese nur "mitnehmen und einbinden" will. Seine Kernpunkte lauten:
verstärktes Abgreifen europäischer Fördergelder, Lobbyarbeit und Mitarbeit in europäischen Netzwerken, "Sensibilisierung" der Bürger für "europäische Themen". Alles nicht falsch, ohnehin Alltagsgeschäft, aber als „Perspektive“ ein Armutszeugnis.

"Zunehmende Europaskepsis und -kritik" stellt unsere Stadtspitze fest. Kein Wunder, seit den drakonischen und ruinösen Kürzungsdiktaten gegen das griechische Volk wird auch vielen Befürwortern der europäischen Integration bewusst, wie die EU-"Institutionen" immer brutaler und bedrohlicher in das Leben der Menschen eingreifen, und zwar auf allen Ebenen des Zusammenlebens, von der Familie und Versorgungseinrichtungen über Produktion und Dienstleistungen bis zur Kommunalpolitik. Das gilt auch für Deutschland, auch in Dortmund ist dies der Hauptgrund für die wachsende Enttäuschung der Bürger-innen von dieser Art Integration.

Aber unsere Stadtspitze sieht die Ursache ausschließlich in Informationsdefiziten und „Hemmschwellen“ der Bürger-innen, sich mit Fragen und Themen der Europäischen Union zu befassen und hält dagegen: "Durch verschiedene Kommunikationsinstrumente, Netzwerkarbeit und ein breites Angebot an Europaveranstaltungen...soll Europa als wirtschaftliches Erfolgsmodell und die Chancen in Europa dargestellt werden, z.B. Jobs, Fachkräftesicherung, Binnenmarkt."

Europa als "wirtschaftliches Erfolgsmodell"?? - konsequenter kann man nicht ausblenden, was dem elitären Eigennutz nicht passt und vor welchen Problemen Europa heute wirklich steht. Bis in großbürgerliche Medien hinein kommen unabhängige Experten zur Einschätzung: Die Fehlkonstruktion der Einheitswährung Euro kann und wird so nicht mehr lange existieren. Ihr Scheitern aber droht die ganze EU und damit die europäische Integration insgesamt in die Luft zu sprengen.

Eine Perspektive für die Kommunen und Menschen in Europa ist das ganz und gar nicht. Ein solidarisches, also demokratisches und soziales Europa muss und wird sehr anders aussehen als diese EU mit dieser Währungsunion.

Die Strategie der Linken gegenüber der EU und dem Euro bewegt sich heute wesentlich zwischen drei Leitlinien:
- einem mehr oder weniger zögernden "Ja-aber", verbunden mit Bemühungen, die EU-Strukturen und -Verfahren "von innen heraus" durch konstruktive Mitarbeit demokratisch und sozial gestalten zu können,
- Appellen zu einem "Kurswechsel der EU-Politik", bis hin zu plakativen Leerformeln wie "Europa neu begründen",
- dem bedingungslosen Bruch mit der EU- und Euromitgliedschaft (Exit-Strategien).

Alle drei Positionen haben starke Gründe sowohl für sich als auch gegen sich. Keine von ihnen bietet Aussicht auf massenhafte Mobilisierung großer Teile der europäischen Bevölkerungen, ohne die Europa nicht von den neoliberalen Kürzungs- und Privatisierungsdiktaten befreit werden kann. Denn über Europas Zukunft wird eben nicht nur in den Glaspalästen der Banken und Regierungsviertel, sondern letztlich in den Tageskämpfen um die Existenzbedingungen der Menschen entschieden.

Um zu einer alltagstauglichen , massenwirksamen Gegenstrategie gegen die Zumutungen der EU-Oligarchen zu kommen, muss die europäische Linke ihr eigenes Europakonzept weiter klären und entwickeln. Dazu müssen alle drei oben genannten Positionen, ausgehend von ihren richtigen Ansätzen ebenso wie von ihren Defiziten und Illusionen, an ihrer sozialen Basis in den Massenkämpfen überprüft werden.

Der Kreisvorstand der Dortmunder LINKEN sieht auch die Kreisverbände der Partei gefordert, sich an diesem anstehenden Klärungsprozess zu beteiligen. Dazu hat er eine Reihe öffentlicher Beratungen ab Mitte Oktober beschlossen, deren erste voraussichtlich am 16.10.15 stattfindet. Also schon mal notieren.

Freitag, 7. August 2015

Die Linke und der Euro


Die Eurogruppe ist drauf und dran, die ganze Europäische Union mit sich in den Strudel zu reißen. Die europäische Linke muss daraus richtige Schlüsse ziehen.

Ein zentrales, weit verbreitetes und schwerwiegendes Argument, um die europäische Integration als historischen Fortschritt gegenüber dem in Nationalstaaten zersplitterten Europa zu verteidigen, war und ist, dass sie Kriege zwischen EU-Mitgliedern faktisch ausschließt.

Indessen sind Militäreinsätze nicht die einzige Methode, Nachbarländer politisch zu unterwerfen und wirtschaftlich auszuplündern - nicht einmal die einzige Methode des Massenmords. Am Konflikt um Griechenland zeigt sich, dass die Währungsunion die Konkurrenz unter ihren Mitgliedstaaten mitnichten aufgehoben hat, sondern im Gegenteil auf eine zerstörerische, ja buchstäblich mörderische Spitze treibt. Dem Gutgläubigsten muss jetzt aufgehen, dass diese Währungsunion von Grund auf, in allen ihren Mechanismen und Prozeduren - übrigens erklärtermaßen - den "Wettbewerb" verschärft bis zur politischen Entrechtung und wirtschaftlichen Zerstörung der nicht so leistungsfähigen Konkurrenten durch die dominierende Gruppe unter deutscher Führung. Manche nennen das Wirtschaftskrieg.

Jedenfalls, wie sich seit der Griechenlandkrise bis in die bürgerlichen Medien herumspricht, kann diese Währungsunion die Hoffnungen ihrer wohlmeinenden Anhänger nicht erfüllen. So wie sie jetzt wirkt, muss sie scheitern.

Eine "Flucht nach vorn" ist der Linken nicht möglich. Reformieren ließen sich die Eurogruppe und die EZB nur durch einstimmigen Beschluss, und wie das griechische Beispiel lehrt, würden Deutschland und einige weitere Länder Reformen nur zustimmen, wenn diese nicht mehr Demokratie und mehr sozialen Ausgleich brächten, sondern noch mehr autoritäre Herrschaft der Finanzoligarchie über die Euro-Nationen. Um das Euroregime demokratisch und sozial zu gestalten, müsste nicht nur in anderen Euroländern, sondern vor allem in Deutschland die Linke die Regierung übernehmen. Und wie wir an Griechenland sahen, kann linke Politik nur gegen die Diktatur der Eurogruppe und der EZB gewinnen, aber nicht zu Schäuble-Gabriel-Draghi's Bedingungen.

In der EU als ganzer haben die meisten Mitgliedsländer sich vertraglich gebunden, Zug um Zug dieser Währungsunion beizutreten. Scheitert der Euro, so droht sein Scheitern die ganze EU zu zerstören. Wie immer man die Aussichten auf eine Linksregierung in Deutschland sowie auf eine Reformierbarkeit der EU als ganzer einschätzen mag: Befreit sie sich nicht vom Desaster dieser Währungseinheit, so wird sie mit dieser untergehen.

Die Linke muss folglich vom Euro abrücken.

Natürlich gibt es Alternativen zum Euro, wie er uns jetzt aufgezwungen ist. Doch sofort warnen wohlmeinende Freunde, auch auf der Linken, vor den verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer Aufgabe dieser Währung. Natürlich haben sie Recht mit den Warnungen. Tatsächlich steht nicht nur die Linke, sondern die ganze Gesellschaft vor der Frage: Wollen wir vermeiden, dass unser Wohlstand je, auch nur vorübergehend, zu keiner historischen Sekunde das heutige Niveau unterschreitet? Dann und nur dann hätte Merkel Recht mit ihrer Behauptung, es gebe keine Alternative, weder zum Euro noch zu sonst irgend etwas von Bedeutung. Dann allerdings wäre nicht nur der Euro alternativlos, sondern die ganze Wachstumsgesellschaft; dann hätten die Grünen recht getan, ihre früheren Ideale aufzugeben; dann wäre überhaupt der heutige Kapitalismus unüberwindlich; die Kämpfe um eine mögliche "andere Welt" würden uns unweigerlich für einen historischen Moment des Übergangs hohe wirtschaftliche und soziale Kosten aufladen; also Finger weg von jeder einschneidenden Veränderung!  Linke, vergesst euch, "TINA!"

Wollen wir das?