Sonntag, 25. Dezember 2011

Unser Weihnachtspräsident: Käuflich? Nein. Er gehört doch sowieso „allen“.

Das war schon eine Glanznummer an Coolness. In allen Medien wird seit Wochen rauf und runter spekuliert, wielange Merkel ihn noch im Amt halten kann – und dann diese Weihnachtsansprache. Ihr Unterton: „Ich habe wichtigeres zu tun als über Kredite und Urlaubsreisen zu stolpern.“ Großes Schauspiel das. Eiskalt der Mann. Zugabe!

Wieso auch sollte dieser Bundespräsident zurücktreten? Er ist doch ein würdiges Staatsoberhaupt in einem Land, in dessen Parlamenten nur eine einzige Partei sich weigert, Spenden von Konzernen und Banken anzunehmen. (So beschlossen im neuen Programm der LINKEN.) Für wen sollte Wulff also das Schloß Bellevue räumen? Für DIE LINKE? Das geht doch gar nicht. Das wäre dann kein Staat der Konzerne und Banken mehr.

Dieser Präsident passt auch deswegen so gut, weil er ahnungslos genug ist, um angesichts der fast 150 Todesopfer von neofaschistischen Anschlägen in der Bundesrepublik an Weihnachten behaupten zu können: Die Taten der Zwickauer Mörder „haben wir nicht für möglich gehalten.“ Das nimmt man ihm ab, denn so wie „wir“ schon als Ministerpräsident von Niedersachsen kein besonderes Interesse an der Aufdeckung der Nazinetzwerke bis nach Hannover hatten, so verharmlosen „wir“ selbst in dieser Weihnachtsansprache noch mit dem treuherzigsten Augenaufschlag die faschistischen Umtriebe durch deren Gleichsetzung mit jeder Art „Extremismus“.

Ganz große Klasse. Weihnachten wie es sein soll: Ein Märchen vom Märchenprinz.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Was uns arm macht

Doch, es ist wahr, wir leben über unsere Verhältnisse: Wir leisten uns eine Klasse, die uns arm macht.

Wieder einmal haben wir es schwarz auf weiß. Wer sich nicht blind und taub stellt, bekommt sein Erfahrungswissen bestätigt, vom Paritätischen Wohlfahrtsverband frisch herausgefiltert aus der amtlichen Einkommensstatistik: Die stärkste Wirtschaftsmacht Europas leistet es sich, daß von ihren Bürger-innen fast jede-r sechste mit weniger als 826 € über den Monat kommen muß (Singlehaushalte; Paare mit zwei Kindern: 1735 €). Dies ist die amtliche Armutsgrenze (nach EU-Kriterien).

Seit 2005 SPD und Grüne die Hartzgesetze ausheckten, denen die ganze herrschende Klasse bis heute Beifall klatscht – nur die PDS stimmte dagegen – schnellte die Armut in Deutschland sprunghaft nach oben. Zwar würde die Sozialdemokratie inzwischen gern vergessen machen, daß sie vor allem mit Hartz IV die Schleusen öffnete für den Hungerlohnsektor, die Hauptursache der Verarmung. Aber verantwortlich dafür waren beileibe nicht nur ihr „Genosse der Bosse“ Schröder, sein treuer Knecht Münte und die „Immer-noch-Möchtegern-Kanzlerkandidaten“ Steinbrück und -meier. Sondern die Mentalität der Dumpingkonkurrenz hat sich tief durch die ganze Partei gefressen. Bis hinunter zu sozialdemokratischen Stadträten, die „Strukturwandel“ sagen, wenn sie genau die Branchen mit den niedrigsten Löhnen fördern. Und die keine Skrupel mehr haben, in städtisch beherrschten Betrieben die Tarife auszuhebeln.

Dortmund ist dafür ein krasses und daher besonders lehrreiches Beispiel. Zwölf Jahre lang konzentriert sich nun die Dortmunder Wirtschaftsförderung mit Zig-Millionen-€-Aufwand auf das Ansiedeln von Logistik, Callcenters, Softwareentwicklern, Gastronomie und Hotels. Mit dem Ergebnis, daß Dortmund in dieser Zeit zur „heimlichen Hauptstadt der prekären Beschäftigung“ wurde (Guntram Schneider, ehemaliger DGB-Vorsitzender NRW). Und – darauf kommt es hier an – alles Branchen mit bekannt niedrigen Lohnniveaus und vielen Aufstockern. So daß Dortmund in den sechs Jahren seit Einführung von Hartz IV bis 2010 zur „zweitärmsten Großstadt der Republik“ nach Leipzig herunter kam (RuhrNachrichten). Die amtliche Armutsquote explodierte hier geradezu von 18,6 % auf 23 %, weit schlimmer als in anderen Städten vergleichbarer Größe.

Ein Schelm, wer dies mit der betont neoliberalen Dortmunder Wirtschaftsförderung, dem Ausstieg aus der öffentlichen Beschäftigungsförderung und dem andauernden Personalabbau bei der Stadt in Zusammenhang bringt. Alles dies die ganzen Jahre von Sozialdemokraten verantwortet.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Das Dortmunder „U“ wird mit Geld beheizt

Die Linken im Dortmunder Stadtrat vertreten seit 2003, dass der Umbau eines maroden Hochkellers einer Großbrauerei zum Museum und gar zum „Kreativzentrum“ keine sinnvolle öffentliche Aufgabe ist. Schon damals drängte sich uns der Verdacht auf, dass hier der Eigennutz eines Großkonzerns sich mit dem politischen Größenwahn einer bestimmten Art Wirtschaftsförderung paarte:

Die Brauerei wollte die denkmalgeschützte Ruine nicht sanieren müssen, sondern billig los werden. Nachdem ihr ein Investor für die Sanierung abgesprungen war, weil ihm das wirtschaftliche Risiko unkalkulierbar erschien, verschenkte sie den Klotz für 1 € an die Stadt.

Dass die Stadtspitze an Größenwahn litt, wird auch an den anderen Großprojekten der zehn Langemeyer-Jahre deutlich. Man leistete sich ein Konzerthaus, das wir mit jährlich an die 5 Mio € subventionieren. Auf dem Hauptbahnhof sollte ein monströses „UFO“ landen, an dem haben sich dann zwei der größten Immobilienentwickler Europas verhoben. Dann mußte Dortmunds Verkehrslandeplatz in die Weltliga des Massenflugtourismus aufsteigen, das Ergebnis ist ein Faß ohne Boden, in dem mögliche städtische Einnahmen um die 20 Mio € jährlich verbrannt werden. Zeitgleich gönnte man sich noch einen See, von dem es stolz heißt, er sei größer als die Hamburger Binnenalster. Geschätzte Folgekosten jährlich 5 Mio €. Und nun dies mit über 80 Mio € vergoldete Mahnmal des Größenwahns. Es wird den Stadthaushalt jährlich mehr als 10 Mio € kosten.

Tatsächlich wurde das „Dortmunder U“ zum Wahrzeichen – im genauen Wortsinn: Es bezeichnet die Wahrheit. Eine Wahrheit, die der international hoch geachtete, kürzlich verstorbene Soziologe Hartmut Häußermann die „Festivalisierung“ der Stadt nannte. Damit meinte er eine Stadtpolitik, die von einem Groß-Event zum nächsten hechelt, weil sie nur noch auf den „Standortwettbewerb“ setzt, das heißt auf Konkurrenz der Städte um Investoren, auf das gegenseitige Überbieten mit „Alleinstellungsmerkmalen“. Aber die Wohnsiedlungen liefert diese Politik an globale Finanzhaie aus.

Vergleicht man die explodierenden Folgekosten des U-Turms mit dem Jahresbudget des „Aktionsplans Soziale Stadt“, so erkennt man, dass das U für eine elitäre Politik steht. Elitär in dreifacher Hinsicht. Einmal im Verhältnis zur sozialen Verantwortung in den benachteiligten Stadträumen. Dann bedient diese „Leuchtturm“politik einseitig das Bildungsbürgertum und die „Besserverdienenden“. Drittens ist es eine elitäre Frechheit, „Kreativität“ nur solchen Berufsgruppen und Einrichtungen zuzuschreiben, die mit Hochkultur, Film und neuen Medien umgehen. Und selbst von denen kam nur eine Handvoll mit den besten Beziehungen in den Kulturpalast, während den übrigen kulturellen Aktivitäten der Stadt, dem Breitensport usw. die Mittel gekürzt werden, um den U-Turm finanzieren zu können.

Wir sind also keine Kulturbanausen, wenn wir den Größenwahn einer Möchtegern-„Metropole“ bekämpfen, sondern wir setzen dagegen die Förderung der Breitenkultur.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: In Dortmund muß die Ratswahl wiederholt werden

Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte heute den Beschluß der Ratsmehrheit, den die LINKE-Fraktion initiiert hatte: Die Ratswahl von 2009 muß wegen rechtswidriger Falschinformation der Wähler durch den damaligen Oberbürgermeister Langemeyer (SPD) über das 150-Millionen-Loch im Haushalt  wiederholt werden.

Nicht nur die FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und ihr Oberguru Frank Schirrmacher entdecken, daß die Linken gar nicht so verkehrt liegen mit ihrer Kritik an der herrschenden Misere. Neuerdings greift die Ketzerei auf die Provinz über. Das Gerichtsurteil ist nur das jüngste Beispiel, aber nicht das einzige:

- Die Dortmunder Stadtwerke, Mehrheitseigner des Dortmunder Flughafens, sehen keinen Ausweg mehr aus der „existenzbedrohenden“ Schieflage ihres notorischen Verlustbringers (20 Millionen € Miese Jahr für Jahr), als ihn „gesund zu schrumpfen.“ Das hatte die Dortmunder LINKS-Fraktion schon vor drei Jahren gefordert und mit einem Gutachten eines international renommierten Flughafenplaners untermauert: den Ausstieg aus der ruinösen  Billigfliegerei und Rückbau auf seine eigentliche, sinnvolle Funktion für den Geschäftsverkehr der regionalen Wirtschaft.
- Der Dortmunder Stadtkämmerer bestätigt, was attac schon lange verbreitet und die LINKE-Ratsfraktion an Dortmunder Beispielen nachweist: „PPP“ (Öffentlich-Private Partnerschaft für Bau, Finanzierung und zum Teil auch Betrieb öffentlicher Einrichtungen) ist erheblich teurer, als wenn die Stadt in Eigenregie baut und betreibt. Was der Kämmerer so nicht bestätigen mochte: PPP ist also die pure Abzocke öffentlicher Gelder durch private Investoren und Banken.
- Vier Jahre, nachdem die Linken im Stadtrat es vorgeschlagen hatten, kam auch die Stadtspitze auf den Einfall, den Umbau eines denkmalgeschützten Brauereihochkellers zum Kulturzentrum („Dortmunder U“) über eine Stiftung zu finanzieren. Doch da war es zu spät, für den maroden Kasten fanden sich keine privaten Geldgeber. Jetzt muß die Stadt jährlich 10 Millionen € Folgekosten für den elitären Größenwahn ihrer Oberen opfern. Dafür kürzt die große Koalition das Budget für Kultur, Sport und Freizeit.

Der sofort in der heutigen Ratssitzung aufgeflammte Wahlkampf zur Wiederholungswahl wird also für die LINKE spannend. Ihr Wahlerfolg hängt davon ab, ob sie ihre tatsächlichen Erfolge „rüberbringen“ kann.

Montag, 12. Dezember 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: „Spende Ullrich Sierau“


Bestechungsverdacht gegen Dortmunder OB

"Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht, also müssen wir nichts erklären.“ So einfach wie ihre ungenannte Sprecherin es hoffte, wird die Dortmunder SPD sich nicht aus dem Anfangsverdacht eines Ermittlungsrichters davonstehlen können, OB Sierau sei von den Immobilienentwicklern Kölbl und Kruse (Essen) mit knapp 10.000 € bestochen worden. Als kleines Dankeschön, dass die Spender direkt neben dem „Dortmunder U“, an einer der prominentesten Ecken der Stadt einen brutalen Bürokomplex hinklotzen durften und im weiten Umkreis des U-Turms auch sonst noch ins Geschäft kommen mögen. Dumm gelaufen, dass bei den Ermittlungen gegen den Duisburger OB Sauerland (Loveparade) der Ermittlungsrichter Schunzik zufällig über den Namen Sierau und eine Kontonummer der Dortmunder SPD stolperte…

Das passt wie die Faust aufs Auge zum „Dortmunder U“. Zeitgleich zum Deal mit Kölbl-Kruse entwickelte sich ein paar Meter weiter die Größenwahn-Idee des damaligen OB Langemeyer und seines Planungsdezernenten Sierau, ein stillgelegtes Kellereihochhaus einer Großbrauerei erst zum Museum, dann gar zum „Kreativzentrum“ aufzumotzen, in ein Fass ohne Boden.

Ein verdächtiges G’schmäckle hatte es schon, als die Brauerei, nachdem ein Investor für den morschen Bau abgesprungen war, die denkmalgeschützte Ruine für 1 € an die Stadt verschenkte. Die Umbaukosten zum Museum schätzten Wirtschaftsprüfer 2005 auf 34,5 Mio €. Dann kam eins zum andern. 2008 waren es schon 45,8 Mio. Bis heute wurden daraus 84 Mio. Mit allerlei Schattenspielen umging man die Fördergrenzen der EU. Und immer noch müssen Schäden an der maroden Bausubstanz nachgebessert werden. Ende offen.

Noch dramatischer explodierten die laufenden Betriebskostenzuschüsse aus dem Stadthaushalt für das U. Ging die Schätzung 2008 von 3,8 Mio € aus, waren es 2010 schon 4,9 Mio – 2011: 6,1 Mio – 2012: 9,6 Mio – 2013: 10,2 Mio €, auch hier kein Ende absehbar. Dafür werden die Betriebskostenzuschüsse für die anderen städtischen Kulturbetriebe um 2,3 Mio € gekürzt (26,5 Stellen gestrichen) – für das Theater um 1,3 Mio – Sport- und Freizeitbetriebe um 1,8 Mio und und und.

An diesem „Leuchtturm der Westfalenmetropole“ haben sich Dutzende Unternehmer goldene Klobrillen verdient. Damit kommen wir zurück auf die Dortmunder SPD und ihren neuen OB Sierau, die das alles zu verantworten haben: Ob auch Sierau’s Klobrille…? Aber nein, er hat bestimmt wieder nichts gewußt – sowenig wie vom 150-Millionen-Haushaltsloch seines damaligen Chefs Langemeyer. Wenn nicht wieder „Kommissar Zufall“ ermittelt, von der Dortmunder SPD werden wir es nicht erfahren. Und von der Dortmunder Staatsanwaltschaft wohl auch nicht. Warum die dem Bestechungsverdacht gegen Sierau nicht nachgeht, kann Ermittlungsrichter Schunzik „nicht nachvollziehen,“ schreibt er. – Können Sie’s?

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Empörung und Bewußtsein


und die Anti-Parteien-Partei

Die Wellen der Empörung über die herrschenden Zustände haben viele Hoffnungen geweckt. Wenngleich diese Wellen in Deutschland gerade erst die Oberfläche kräuseln, werfen sie Fragen auch an die Linke hier auf.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Empörung allein so schnell wieder abflaut wie sie aufwallt, wenn sie sich nicht mit Bewußtsein auflädt. Hier setzt die Verantwortlichkeit der Linken (im Plural) ein. Sie müßten die Empörten anregen, den Faden wieder aufzunehmen, den sie selbst, die Linken, 1989/90 fallen ließen: die Kritik der bürgerlichen Herrschaft, mit der sich alle Gegenentwürfe zu den herrschenden Zuständen auseinandersetzen müssen. Dabei geht es heute vor allem um die Kritik der modernen Demokratie als einer Form der Klassenherrschaft.

Wie jede Formation vor ihr verwirklicht sich die demokratische Herrschaft der bürgerlichen Klasse im wesentlichen über fünf „Apparate“:
- das Wirtschafts- und Finanzsystem (Ernährung, Versorgung),
- Polizei und Militär (Staatsgewalt),
- Rechtswesen (gesellschaftliches Reglement),
- Repräsentanz und soziale Teilhabe (Massenorganisation),
- Medien (Ideologie).

Auf allen Gebieten zeigt der Kapitalismus die Tendenz zur Hierarchisierung, zur Vermachtung der ganzen Gesellschaft von oben nach unten: von den die gesamte Volkswirtschaft und den Staat beherrschenden Finanz- und Industriekonzernen bis hinunter zu den abhängigen Zulieferern, Dienstleistern und Stadtkämmerern; vom Innenminister bis hinunter zu den Spitzeln in demokratischen Organisationen; von der Hartz-IV-Bundesagentur bis hinunter in die 1-€-Jobs und Ehrenämter der örtlichen Wohlfahrtsverbände usw. Dem entspricht auf der anderen Seite die Entmachtung (und Selbstentmachtung) der Gewerkschaften.

Die Tendenz zur Hierarchisierung der Macht widerlegt auch nicht, sondern bestätigt noch der eine große Fortschritt der modernen, nach-faschistischen Demokratie – wenngleich sein Wert eher propagandistisch als real ist: die Proklamation der Menschenrechte, einschließlich der Meinungsfreiheit. Die bürgerliche Macht über das Denken, Fühlen und Meinen der Menschen braucht kein Propagandaministerium und keine Pressezensur mehr, sie funktioniert durch die Zentralisation der Medien, d.h. deren freiwillige Selbstgleichschaltung auf die Ideen der Herrschenden.

Aber hier, auf dem Gebiet der Propaganda, hat man auch den Typus der „modernen“ Partei als medialer Bühne zur Massenbeeinflussung von den Nazis übernommen, nur zivilisiert und pluralistisch erweitert. Dass die Menschen intuitiv durchschauen, wie sie von den Parteien bloß zum Systemerhalt mißbraucht und von der parlamentarischen Dramaturgie hinters Licht geführt werden, ist die Ursache der massenhaften Politikverdrossenheit, die das Gemeinwesen zersetzt: Der Mensch wird dahin gedrängt, sein Wesen als „zoon politicon“ zu verleugnen.

Der erste Schritt der Bewegung der Empörten zu einem gesellschaftlichen Gegenentwurf ist, dass sie sich selbst als basisdemokratisches Gegenkonzept zur Medien- und Parteiendemokratie begreift. Darin besteht ihre erste politische Handlung und Wirkung, und schon diese stellt das ganze Herrschaftssystem in Frage.

Das Kunststück der LINKEN (Partei) besteht darin, einerseits diesen Bewußtseinsprozess tatkräftig zu unterstützen, ohne ihn vereinnahmen oder instrumentalisieren zu wollen – denn das wäre dem Selbstbewußtsein entgegengesetzt – andererseits ihre eigenen Wirkungsmöglichkeiten als Partei innerhalb des bürgerlichen Parteiensystems zu nutzen. Ob ihr dieser Spagat gelingt, steht und fällt damit, wie sie sich von den bürgerlichen Parteien zu unterscheiden lernt. Nur als „Anti-Parteien-Partei“ kann sie die Empörten erreichen. Bei aller Skepsis, versuchen wir’s. Der ist schon tot, der nicht aus seinen Fehlern lernt.

Montag, 5. Dezember 2011

Sparpolitik löst Rezession aus

Jetzt sprechen es auch Mainstream-Ökonomen aus. Handelsblatt-online schreibt am 05.12.2011:

Schuldenstaaten rutschen immer tiefer in den Krisenstrudel
Sparpolitik löst Rezession aus
Die Entwicklung in den südeuropäischen Krisenländern bestätigt historische Erfahrungen. Die Sparpolitik löst eine Rezession aus, und die Investoren ziehen sich zurück. Das wiederum verschärft die Sparanforderungen. (...)
"Es kommt darauf an, dass die Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Anpassungen versteht und den Schuldenabbau sowie die dafür nötigen Maßnahmen unterstützt", so die Forscher. Genau das trauen die CEP-Autoren der griechischen Regierung nicht zu. Drastische Lohnsenkungen, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden könnte, zeichneten sich nicht ab - "und dürften angesichts des vorhandenen Widerstands in der Bevölkerung gegen die bislang eingeleiteten Reformen auch nicht durchsetzbar sein".

---Doch genau diese Therapie will Merkel mit Sarkozy an der Leine jetzt ganz Europa verordnen. Die Hinterabsicht wird immer klarer: Das deutsche Kapital will um sich herum eine Brache ruinierter Halbkolonien schaffen, die es nach Belieben nutzen kann. Das hat man in der DDR und Osteuropa schon geübt.---

Sonntag, 4. Dezember 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Schilda in der Schuldenfalle

Als der Dortmunder Stadtrat vor kurzem debattierte, zwei Stadtbezirke einzusparen, leiteten die Vertreter der betroffenen Bürger ihren Protest so ein: „Wir alle sind uns einig, daß die Stadt sparen muß.“

Nein, nicht alle sind sich da einig. Man sollte wenigstens nochmal drüber nachdenken: Warum soll die Stadt sparen müssen?
- Weil sie Schulden hat.
Warum hat sie Schulden?
- Weil sie mehr ausgibt als sie einnimmt. Die berühmte „schwäbische Hausfrau“ dürfte sich das nicht leisten.
Eine Stadt aber funktioniert anders: Mit den Mehrausgaben vergibt die Stadt Aufträge, bezahlt Beschäftigte, schafft Kaufkraft, bringt die Wirtschaft in Schwung. So dass sie mehr Steuern einnehmen kann, mit denen sie auch mehr soziale Aufgaben erfüllen könnte. Was ist daran verkehrt?
- Das geht nicht. Die Wirtschaft lässt sich ihre Gewinne nicht einfach wegsteuern. Sie klagt, die Steuern seien ohnehin zu hoch.
Wozu braucht die Wirtschaft ihre Gewinne dann?
- Sie schafft Arbeitsplätze...
Nein, vor allem zerlegt sie Arbeitsplätze zu Hungerjobs. Dortmund gilt als „heimliche Hauptstadt der prekären Beschäftigung“. Wozu noch?
- Sie wächst, schluckt Konkurrenten, investiert in Märkte, wo die Gewinne höher, die Steuern niedriger sind, spekuliert an Börsen, Finanzmärkten, mit Rohstoffen, Grundnahrungsmitteln usw.
Und deswegen muß die Stadt ihre sozialen Leistungen kaputt sparen? Steht da die Welt nicht auf dem Kopf? Kann das gut gehen?
- Tja, dazu gibt es leider keine Alternative.
Oh doch!
- Hä???

Und hier finge das Nachdenken erst richtig an. Aber die Ratsmehrheit fragte nicht nach Alternativen zum Kaputtsparen, sie beschloss gegen alle Proteste, die beiden Stadtbezirke aufzulösen.
Mich erinnerte das wieder an die Geschichte, wie die Bürger von Schilda ihre Stadt zerstörten: Weil sie eine schwarze Katze vertreiben wollten – die bringt bekanntlich Unglück – und die Katze auf ein Dach flüchtete, zündeten sie das Haus an, und weil die Katze aufs nächste Dach flüchtete, auch dies Haus... bis die ganze Stadt in Schutt und Asche lag. Nicht klüger ist eine Stadt, die sich wegen ihrer Schulden kaputt spart.

Samstag, 3. Dezember 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Kaffeesatz gegen Krise

Auf den ersten Blick scheint Dortmunds Haushalt für 2012 bessere Zeiten zu versprechen. Sein Volumen soll nach dem Loch von 2011 wieder um 80 Millionen € zulegen (ordentliche Aufwendungen), die Erträge sogar um knapp 110 Mio auf 1,8 Milliarden €. Unter dem Strich soll so das Defizit um 40 Mio gegenüber dem Plan 2011 schrumpfen auf „nur noch“ 72 Millionen Miese. Die Verschuldung wächst dennoch immer weiter auf den neuen Rekord von 2,2  Milliarden €.

Verursacht wird die Ausweitung des Etats vor allem durch enorm anwachsende soziale Transferleistungen für Langzeiterwerbslose, Kinder- und Jugendhilfe, die Betreuung Behinderter durch den Landschaftsverband sowie mehr Personal. Um das Personalbudget ist ein Krach der CDU und FDP/BL mit der Personalverwaltung entbrannt. Ebenso um die schleppende Umsetzung der Privatisierungsbeschlüsse und Vermögensverkäufe. Der Hintergrund des Streits ist, dass die Kürzungspläne des Rates vom Vorjahr die Verwaltung teilweise lahmlegen würden. Das behauptet nun nicht mehr nur DIE LINKE, sondern der OB selbst und der städtische Personalrat bestätigten es öffentlich.

Die Ertragssteigerungen begründet der Kämmerer mit dem Konjunkturaufschwung, der sich, so hofft er, in 2012 fortsetzen solle. Sein Optimismus passt aber weder zum Herbstgutachten der Wirtschaftsweisen noch zu den bereits absehbaren Belastungen aus der Finanzkrise. Immerhin räumte er ein, der Haushaltsplan sei „hoch spekulativ“, da niemand wisse, wie es an den Finanzmärkten weitergeht. Da hat er seinen Haushalt wohl im Kaffeesatz gelesen. Soviel ist sicher: Sollten die Einnahmen infolge der Krise auch nur um 10 Millionen hinter Stüdemanns Optimismus zurückbleiben, gerät die Stadt unter die Fuchtel der Kommunalaufsicht – oder es drohen weitere substanzielle Einschnitte.

Von der Kaffeesatzleserei abgesehen setzt dieser Haushaltsplan 2012 die neoliberale Umverteilung der Langemeyer-Jahre fort:

- Infolge höherer Kassenkredite, mit denen Langemeyer angefangen hat, wächst die Verschuldung auf nunmehr über 2,2 Milliarden €. Einschließlich neuer "kreditähnlicher“ Verpflichtungen aus „PPP“-Geschäften.
- Infolge dessen steigt die jährliche Zinslast 2012 um 10,2 Mio auf 72,7 Mio €. Von 2010 bis 2015 soll sie von 55 auf 99 Mio € explodieren.
- Damit einher geht die weitere Vernichtung städtischen Anlagevermögens. Von 2006 (Start des „Neuen Kommunalen Finanzmanagements“) bis Ende 2012 wird mehr als ein Viertel des städtischen Eigenkapitals den Banken verpfändet sein.
- Ohnehin laufen noch die vor einem Jahr beschlossenen Privatisierungen von Sport- und Freizeiteinrichtungen, Jugendfreizeitstätten usw.
- Einnahmen wie Ausgaben bleiben stark konjunkturabhängig. Das heißt, sie verschärfen die Krise, statt sie zu dämpfen.
- Die Bauinvestitionen schrumpfen weiter (-4,4 Mio €), der Produktbereich Bauen und Wohnen wird vom Wachstum abgekoppelt und drastisch zusammengestrichen (-26,7 %).
- Die Wirtschaftsförderung bleibt Sklavin der Wettbewerbsideologie. Sie bevorzugt exportlastige Unternehmen und Niedriglohnbranchen und vernachlässigt den regionalen Binnenmarkt.
- Um die Haushaltssicherung zu vermeiden, sollen nicht etwa die Unternehmen und die Reichen mehr Steuern zahlen, sondern die Grundsteuer B, die vor allem Mieter und kleine Wohneigentümer, also die kleinen Leute belastet, wird um 20 Mio € erhöht.
- Kommunale Beschäftigungspolitik, die die Binnenkaufkraft stärken könnte – also keine 1-€-Jobs, Billigjobs und Bürgerarbeit ! –  bleibt unterentwickelt.
- Die Folgekosten von Langemeyer’s und Sierau’s „Leuchttürmen“ nähern sich inzwischen 50 Mio € jährlich. Der U-Turm verschlingt im nächsten Jahr 9,5 Millionen, ab 2013 über 10 Mio € jährlich, ein Ende ist noch nicht abzusehen. Das Fußballmuseum steht noch gar nicht, aber es produziert schon „Verlustausgleiche“, fast eine halbe Million jährlich. Ab 2013 kommt noch der Phönixsee hinzu.

Noch hält die Verwaltung sich mit neuen Leistungskürzungen zurück. Doch schon im vergangenen Jahr schwangen die Ratsfraktionen von CDU, SPD und FDP/BL den Rotstift noch rabiater als der Kämmerer – ein Spiel mit verteilten Rollen – und auch jetzt überbieten sie sich wieder gegenseitig mit Sparanträgen, die der Rat zwei Wochen vor Weihnachten den Bürgern auf den Gabentisch knallen soll.

Gerade vor der sich verschärfenden Finanz- und Wirtschaftskrise kann DIE LINKE diesem Haushaltsplan nicht zustimmen. Stattdessen stellen wir eine Reihe von Einzelanträgen, die den Haushalt nicht ausweiten, sondern durch Umschichtungen die genannten Fehlentwicklungen korrigieren sollen.