Montag, 19. Dezember 2016

Notizen aus der Provinzhauptstadt: „Lieber jedes Jahr 20 Millionen Defizit als mit anderen zusammenarbeiten!“

Nach einem Jahr sinkender Fluggastzahlen und erneut hoher Verluste des Dortmunder Flughafens stellte die Ratsfraktion DIE LINKE&Piraten zum städtischen Haushaltsplan 2017 unter anderem diesen Antrag:
„Der Rat fordert die Flughafen GmbH auf, mit den Flughäfen Münster/Osnabrück und Paderborn/Lippstadt in Verhandlungen zu treten – mit dem Ziel einer dauerhaften Kooperation. Bis dahin gibt es ein Moratorium, keine baulichen Veränderungen auf dem Flughafen-Gelände vorzunehmen. Dem Rat ist hierzu regelmäßig Bericht zu erstatten.
Begründung: Eine dauerhafte Kooperation mit den Nachbarflughäfen eröffnet neue Möglichkeiten der Kostensenkung bzw. der Generierung neuer Einnahmequellen.“

Wie nicht anders zu erwarten hat die große SPD-CDU-Koalition auch diesen vernünftigen Antrag im Rat Anfang Dezember abgelehnt. Fünf Tage darauf verkündete der Flughafenchef ein Plus von 612 An- und Abreisenden im November (knapp einem Prozent) gegenüber dem Vorjahr und jubelte das gleich zur „Trendwende“ hoch.

Was doch sehr nach dem berühmten Pfeifen-im-Wald klingt, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass über dem Flughafen weiterhin die Auflage der EU-Kommission schwebt, die rechtswidrige Dauersubvention durch die Stadt (-werke) bis 2023 auf null zu bringen. Dazu müsste er nach seinen eigenen Berechnungen schon im laufenden Jahr rund 250.000 Passagiere mehr befördert haben als in 2015 – in Wirklichkeit kommt er aber bis Jahresende auf ein Minus von ca. 65.000. Und selbst wenn es gelänge, wie Mager hofft, im kommenden Jahr die 2-Millionen-Latte zu überspringen, vergrößert sich die Differenz zum planmäßigen Defizitabbau auf über 500.000 Passagiere. Das bei der EU vorgelegte Zahlenwerk ist also heute schon Makulatur.

Obendrein dürfte das vor kurzem eingeführte neue Rabattsystem für die Airlines das operative Defizit weiter erhöhen. Es bleibt wahr was wir schon seit 2008 vorrechnen: Jeder zusätzliche Billigflug-Passagier bringt den Flughafen tiefer in die Miesen.

Daraus gibt es nur einen Ausweg, wenn Dortmund einen eigenen Flughafen behalten will: Mit den umliegenden Regionalflughäfen eine solche Kooperation zu vereinbaren, bei der Dortmund aus der ruinösen Low-cost-Konkurrenz aussteigt und sich auf rentable Angebote konzentriert. Wie allerdings die Haushaltsberatung wieder zeigte, könnte die Ratsmehrheit in verbohrtem Fanatismus die Zeichen der Zeit erst erkennen, wenn das Desaster nicht mehr abwendbar ist.

Außerdem beantragten die LINKE&Piraten im Stadtrat:

„Keine Landebahnerweiterung am Dortmunder Flughafen

Begründung: Der Flughafen Dortmund schreibt seit Jahren Defizite im zweistelligen Millionenbereich, die über den Querverbund im Stadtwerkekonzern finanziert werden. Die Rücklagen zur Schuldenübernahme bei DSW21 sind inzwischen aufgebraucht. Weitere finanzielle Abenteuer kann sich Dortmund nicht leisten, zumal die Leistungen der DSW21, wie der ÖPNV, Energie und Wasser, die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum oder Leistungen für die Wirtschaft am Dortmunder Hafen für die Stadtgesellschaft nicht verzichtbar sind.“

„Keine Verlängerung der Betriebszeiten
Der Rat lehnt jede weitere Verlängerung der Betriebszeiten in den Nachtflugbereich hinein ab.“


Auch diese Anträge stießen bei der vereinigten Front der Flughafen-Fanatiker auf taube Ohren.

Freitag, 16. Dezember 2016

Top-Ökonomen sehen den Euro am Ende

Vor ein paar Tagen empfahl Roland Berger, als Gründer und Chef der gleichnamigen Unternehmensberatungsfirma einer der einflussreichsten deutschen Wirtschaftslenker, Deutschland solle aus der Eurozone austreten. "Wir sollten nicht soviel darüber nachdenken, ob Griechenland gerettet werden kann, sagte Berger in einem Interview mit Handelsblatt-Global (13.12.2016), "stattdessen sollten wir erwägen, ob es nicht logischer ist, dass Deutschland die Eurozone verlässt, um die EU als ganze zu erhalten."

Radikale Lösungen seien notwendig, um den "katastrophalen Zustand" zu beenden, der nach seiner Meinung in erster Linie durch die Währungsunion verursacht sei. Deutschlands finanzielle und wirtschaftliche Stärke, wie sie sich im Überschuss seiner Leistungsbilanz zeigt, habe ein Ungleichgewicht innerhalb der Europäischen Union geschaffen, das anders nicht zu beheben sei als durch den deutschen Austritt.

Doch würde Deutschland, wie der Wirtschaftsberater sagte, niemals so einen radikalen Schritt wagen. Deshalb schlägt er eine alternative Lösung vor: "Die andere klare Lösung zur Rettung des Euro wäre eine Transferunion, wie sie lange Zeit zwischen den deutschen Ländern existierte."

Soweit Roland Berger. Dass aber die deutsche Führung so eine Transferunion, also den Finanzausgleich zwischen Schuldner- und Gläubigerstaaten und eine abgestimmte Finanz- und Wirtschaftspolitik in Europa stur verweigert, stellte der ehemalige Direktor der Deutschen Bundesbank und ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing klar. Seiner Meinung nach soll die EZB unverändert Preisstabilität verfolgen und die Regierungen zu „soliden“ öffentlichen Finanzen drängen, also in Richtung der berüchtigten "schwarzen Null". Damit steht Deutschland weiterhin in krassem Gegensatz zu den meisten Ökonomen in USA, UK, China, Japan. Alle diese Länder halten sich die Möglichkeit eines „bail-out“ offen, weil sie seit Lehman-Brothers wissen: Geht eine Bank Pleite, könnten andere folgen, und am Ende kippen sie alle wie Dominosteine um. Issing und die Deutsche Bundesbank hingegen sehen eine Finanzunion als "Desaster". Eine Erhöhung der Staatsausgaben in Deutschland lehnt Issing kategorisch ab. Selbst bei Massenarbeitslosigkeit darf der Staat nicht Arbeitsplätze schaffen durch zusätzliche Ausgaben, er muss sie sogar durch Austeritätspolitik vernichten. 

Entsprechend dunkel sieht er die Zukunft der Eurozone. Die Währungsunion werde von Krise zu Krise taumeln, dies könne aber nicht unendlich weitergehen. Eines Tages werde das Kartenhaus kollabieren, prophezeit Issing - einer der wichtigsten Architekten der Währungsunion auf deutscher Seite.

Wie es weitergehen soll, verrät Issing uns nicht. Durch ein neues Verbundsystem zwischen nationalen Währungen die europäische Einigung vom Kopf auf die Füße zu stellen, kommt auch ihm nicht in den Sinn.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Altersarmut schon jetzt auf hohem Niveau

Information von Carsten Klink, Ratsmitglied DIE LINKE&Piraten Dortmund:

Im Dezember 2016 sind 10.100 Seniorinnen und Senioren in Dortmund auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Das heißt, sie erhalten – zusätzlich zu ihrer geringen Rente – Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Dies geht aus einer aktuellen Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN  hervor. Damit liegt die Zahl der Betroffenen nahe dem Vorjahresniveau von 10.152. Im Dezember 2014 lag die Zahl der Grundsicherungsbezieher*innen mit 9.488 noch um 6,5 Prozent niedriger.

Dazu erklärt Ratsmitglied Carsten Klink (DIE LINKE): „Mit 10.100 Betroffenen sind ungefähr neun Prozent der Dortmunder Bevölkerung, die älter als 65 Jahre ist, auf Grundsicherung angewiesen. Ihre Rente reicht nicht. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein, wenn ältere Menschen trotz geringer Rente aus Stolz, Unwissenheit oder Überforderung keine Sozialleistungen beantragen.“
Die Anzahl der Grundsicherungsempfänger*innen stagniert auf hohem Niveau. Zudem müssen immer mehr Menschen im Alter arbeiten. Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit belegen für Dortmund, dass die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 65 Jahre eine Zuwachsrate von über zehn Prozent haben. Die Quote bei den geringfügig Beschäftigten über 65 liegt bei fünf Prozent.
Carsten Klink: „Wir brauchen eine armutsfeste Rente. Dazu möchte ich unseren Bundespräsidenten-Kandidaten zitieren, den Armutsforscher Prof. Christoph Butterwegge: Die Teilprivatisierung der Rente unter SPD und Grünen hat das Problem der Altersarmut noch verschärft. Eine Lösung bieten auch die jüngsten Beratungen der Bundesregierung nicht. Dabei gibt es eine Alternative: eine solidarische Bürgerversicherung für alle.“


Montag, 5. Dezember 2016

Renzirendum: Klatsche für Europas schwarze Nullen

Mit einer für italienische Verhältnisse hohen Beteiligung (68,5% der Wahlberechtigten) hat die Mehrheit der Bevölkerung den autoritären Angriff der Regierung Renzi auf die Verfassung zurückgewiesen. Das „NO“ setzte sich mit 59,1% der Stimmen (19.419.507 Stimmen gegen 13.432.208) durch.

Renzi’s Reformplan war von einer Parlamentsmehrheit durchgewunken worden, die aufgrund eines geänderten Wahlgesetzes zustande gekommen war, welches später das Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt hatte. Mit dem Referendum wollte Renzi das Verfassungsgerichtsurteil überspielen.

Gewinner des Referendums sind nicht nur rechte Parteien und Populisten, wie unsere Leitmedien behaupten, sondern die demokratische Verfassung, die noch stark vom Geist der Überwindung des italienischen Faschismus geprägt ist, sie wurde verteidigt gegen den Versuch der Oligarchie, sie „effektiver“ zu machen, nämlich autoritär zurecht zu stutzen.

Nein, Renzi’s Niederlage ist kein Votum gegen Italiens EU-Mitgliedschaft. Obschon die Medien vorher fast wortgleich solche Folgen in den schwärzesten Farben malten. Aber sie ist auch eine Klatsche für die herrschenden Kreise der EU. Denn hinter seinem Reformplan steht die Banken- und Schuldenkrise, die sich in den drei Jahren seiner Regierung weiter zuspitzte, und die er entgegen seinen vollmundigen Versprechungen nicht in den Griff bekam. Prompt meldeten sich heute führende EU-Größen und deutsche Banker zu Wort und forderten eine Neuauflage der „Technokraten“-Regierung, wie Italien sie vor Renzi schon zwei Jahre lang mit dem EU-Kommissar Mario Monti hatte (der auch schon daran scheiterte, Italien aus der europäischen Krise herauszuführen).

Gegen das „Renzirendum“ mobilisierten auch Rifondazione Comunista, der Partito dei Comunisti Italiani, Altra Europa, die Gewerkschaft CGIL, der Partisanenverband (ANPI) und viele andere linke Organisationen. Beachtlich ist auch, dass die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen die Renzi-Reform ablehnte.

Damit hat Italien ein hohes Maß an politischem Durchblick gezeigt. Zu hoffen ist, dass der gemeinsame Erfolg gegen das Referendum die italienische Linke nachhaltig stärkt und einigt.