Dienstag, 2. April 2019

Die Zukunft Europas ist nicht EU-konform. Was am Demo-Aufruf "Ein Europa für Alle" falsch ist.


Ein beachtliches Bündnis sozialer Verbände, unterstützt von linken und nach links blinzelnden Parteien, ruft "europaweit" (?) zu Demonstrationen kurz vor den Wahlen zum EU-Parlament auf: "Für die Zukunft Europas, gegen Nationalismus!" Anlass und Begründung des Aufrufs ist die Sorge, nach der Wahl könnten Nationalisten und Rechtsextreme mit weit mehr Abgeordneten als bisher ins Europaparlament einziehen und “das Ende der EU einläuten“.

Ob so ein Wahlergebnis wahrscheinlicher ist, als dass die EU sich in Kürze selbst zu Ende bringt, soll hier nicht erörtert werden - unterstellt wird damit jedoch unausgesprochen, die Wähler*innen hätten nur die Wahl zwischen Nationalismus-Rechtsextremismus einerseits oder der EU andrerseits. Bei bestem Willen kann dies behauptete Entweder-Oder nur das Ende beschleunigen, das man verhindern will.

Das Europa, das da gegen die Rechten geschützt werden soll, deckt sich dem Aufruf zufolge restlos und nahtlos mit der Europäischen Union. Und weil Nationalismus schlecht ist, muss die EU wohl gut sein, jedenfalls bleibt sie von jeglicher Kritik verschont. Kein Wort zu den antisozialen und antidemokratischen Diktaten der Troika, kein Wort zu den Kahlschlägen nach dem Maastricht-Vertrag und zum Fiskalpakt der "schwarzen Nullen", kein Wort gegen die Bankenrettung zu Lasten der Bevölkerungen, kein Wort gegen das katastrophale ökonomische Übergewicht Deutschlands durch seine Dumpinglöhne im EURO-System, kein Wort gegen das Aufrüstungsprogramm der EU, kein Wort gegen das Aushebeln demokratischer Verfahren durch Machtsprüche von Ministerrunden usw.

Es gäbe also mehr als genug Gründe, gegen diese EU zu stimmen und ihr "Ende einzuläuten", ohne damit auf den nationalistischen oder gar rechtsextremen Leim zu gehen. Wer jede Alternative zur EU als nationalistisch diffamiert, unterschlägt nicht nur die vielen guten, nicht nationalistischen Gründe zur Verteidigung staatlicher Souveränität, Sozialgesetzlichkeit und Demokratie - sondern verschafft obendrein den rechten EU-Gegnern ungewollt ein Alleinstellungsmerkmal: Wenn Ablehnung dieser EU nur rechts sein kann, werden die Rechten zur ersten Adresse für EU-Kritik aufgewertet.

Das ist natürlich genau das Bild, das die Rechten sich wünschen und das ihnen Stimmen bringt. Es lenkt ab von den Machenschaften der Regierungen, die selbst immer mehr Menschen den Rechten in die Arme treiben. Es lenkt ab davon, dass die Gefahr des Rechtsrucks in der EU viel mehr von der neoliberalen Politik der Herrschenden ausgeht als vom EU-Parlament. Es trifft schon genau zu, was attac Österreich erklärte (anders als attac Deutschland, die den Aufruf mitträgt): "Die EU ist ein idealer Nährboden für die extreme Rechte. Die jahrelange neoliberale EU-Politik hat zu einem Anstieg an Arbeitslosigkeit, Armut, Unsicherheit und Zukunftsängsten geführt. Die Rechten nutzen diese Verunsicherung und diese Ängste."

"Ein Europa für Alle" soll die EU sein? Nein, diese unkorrigierbar neoliberale EU ist Gegnerin "aller" Europäer*innen. Wer Europa gemeinsam mit Parteien verteidigt, die den Neoliberalismus im EU-Format zu verantworten haben, bekommt ein neoliberales Europa. Das darf nicht "Europas Zukunft" werden!