Donnerstag, 24. März 2016

Nicht alle Narren sagen immer die Wahrheit


Kinder und Narren sprechen die Wahrheit, sagt das Sprichwort. Doch wie Kinder manchmal auch lügen, plappern manche Narren auch über Dinge, von denen sie nichts verstehen.

Wenn ein deutscher Staatsgast in China sich arrogant zum Oberlehrer für Demokratie und Menschenrechte aufbläst, trampelt er nicht nur auf der fernöstlichen Gastfreundschaft und der Würde seiner Gastgeber wie ein Elefant herum, sondern dass er sich dort so ungehindert aufplustern darf, zeigt zugleich, wie unglaubwürdig sein Beschwörungsritual inzwischen ist. Chinesen sind zu höflich um ihm zu antworten: „Menschenrechte, Demokratie – und das von euch??! Kehrt doch erst mal vor eurer eigenen Tür, ehe ihr andere belehren wollt!“

Tatsächlich dient das alte Wessi-Ritual nur dem einen Zweck, den Leuten zuhause zu versichern: „Seht her, mit diesem Besuch müssen wir zwar notgedrungen anerkennen, dass die Kommunisten wirtschaftlich erfolgreicher sind als wir wahr haben wollten, aber wir bleiben dennoch die alten Kommunistenfresser.“

Mittwoch, 23. März 2016

An den Terroranschlägen von Brüssel trägt die europäische Politik große Mitschuld, auch die deutsche.


Die Politik hat nach den neuen Anschlägen wieder absolute Hilflosigkeit demonstriert. Hilflos sind die wohlfeilen "Kriegserklärungen" an den Terror, an einen Feind, dem mit Krieg nicht beizukommen ist, weil man ihn nicht zu fassen kriegt. Weil er alltäglich vor unseren Augen neu aufwächst, nicht nur in den vom Westen unterworfenen und mit westlichen Waffen zerstörten Städten des "europäischen Hinterhofs" Nahost, sondern auch mitten in unseren Städten. Den Terrorismus kann man nicht mit Polizei und Militär stoppen, weil seine Ursachen auch hier im Westen liegen, und die sind ohne eine radikal andere Politik des Westens niemals zu beseitigen. Drei Millionen Menschen, in den Auffanglagern der Türkei auf engstem Raum eingesperrt, versorgt nur mit Hungerrationen, ohne Zukunftsperspektive, rechtlos in einem diktatorischen Staat, verschachert zwischen den Staaten wie Vieh auf dem Viehmarkt - wieviele von ihnen werden sich dort radikalisieren? Zigtausende vor Europas Grenzzaun in Indomeni, Griechenland, ausgesperrt in menschenunwürdigen Zuständen, Schlamm und Kälte - wieviele junge Menschen werden sich bei ihrer erzwungenen Rückkehr in die Bürgerkriegsgebiete desillusioniert und wütend dem Terror zuwenden? Wie viele ihrer Landsleute und Glaubensbrüder hier bei uns werden auf die offenkundige Menschenverachtung des Westens mit Hass auf alle reagieren, die im deutschnationalen Jargon die Überlegenheit der westlichen "Leitkultur" feiern, und werden militanten Islamisten auf den Leim gehen?
Die Opfer des Terrors zahlen mit Leib und Leben für die Unfähigkeit und Unwilligkeit der Politik in Europa, ihre Mitverantwortung für Elend und Bürgerkriege in Nahost und Afrika einzugestehen. Wer nicht bereit ist, sich vorurteilslos mit den Ursachen von Armut und Krieg in der kapitalistischen Wirtschaft auseinanderzusetzen, dem helfen keine "Kriegserklärungen" an den Terror. Der nächste Anschlag ist dann nur eine Frage der Zeit.

Dienstag, 15. März 2016

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Raus aus dem Euro? Weder „Weiter so“ noch zurück zum Nationalismus – eine Streitveranstaltung


Attac Dortmund und der DGB Dortmund haben sich das große Verdienst erworben, zwei hochkarätige Wissenschaftler zu einem Meinungsstreit über die Zukunft des Euro einzuladen. Hier mein Kurzbericht davon.

Prof. Dr. Martin Höpner (Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln):
Der Euro kann so nicht funktionieren, da er von Anfang an wachsende Leistungsbilanzdifferenzen zwischen den Euroländern erzeugte und kumuliert. Die europäischen Länder müssen ihre Wechselkurse zur deutschen Exportwirtschaft anpassen können. Das hat der Euro bewusst verhindert. Die südlichen Defizitländern müssten um mindestens 20 % gegenüber Deutschland abwerten, Deutschland müsste um denselben Betrag aufwerten und um 4% inflationieren, tatsächlich deflationiert es („schwarze Null“).
H. sieht die Lösung in einer „Währungsschlange“ wie dem EWS (das heute noch in der EU neben dem Euro besteht, aber nur von Dänemark genutzt wird).

Prof. Dr. Heinz-J.Bontrup (Westfäl.Hochschule Gelsenkirchen/Recklinghausen):
„Wir haben keine Währungskrise, der Euro ist stabil nach innen und außen, sondern wir haben eine europäische Krise der neoliberalen Wirtschafts- und Fiskalpolitik. Die Abschaffung des Euro löst keines der makroökonomischen Probleme. Ohne den Euro kommt der alte D-Mark-Imperialismus zurück, dann wird alles nur noch schlimmer.“
Was nach Bontrup politisch zu tun wäre: Inflationierung in Deutschland durch Lohn- und Preissteigerungen – gezielte Belastung hoher Einkommen durch Steuerpolitik – Solidarität mit Defizitländern durch gezielte Schuldenschnitte – Mitbestimmung / Wirtschaftsdemokratie.
B. beklagt dass in Deutschland seit 40 Jahren niemand auf die Keynesianer hört, auch die Gewerkschaften der Exportindustrien nicht, auf Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit reagieren sie mit Lohnverzicht.

Mein Fazit:
Wenn man von der – zutreffenden und weitgehend gleichlautenden – Zustandsbeschreibung aus sich nur auf die altbekannten links-keynesianischen Ratschläge an „die Politik“ beschränkt – Bontrup: „Wir sind Wissenschaftler, von uns kann man keine Politik verlangen, die müssen Andere machen“ – und dabei zugeben muss, dass nirgends ein gesellschaftlicher Akteur zur Überwindung des herrschenden neoliberalen Dogmas in Sicht ist, kann man nur auf die Einsicht der Regierenden in letzter Minute hoffen. Das muss aufgrund der spontan vorherrschenden Wettbewerbsfalle privatkapitalistischer Unternehmen zwangsläufig zum Kollaps führen.
Zur Mobilisierung gesellschaftlicher Gegenkräfte brauchen wir eine Alternative zum Euro. Aber eben auch nicht den Rückfall in die ungeregelte Konkurrenz der einzelnen Volkswirtschaften mit nationalen Währungen.

Montag, 14. März 2016

Staatsterror der Türkei ist eine Fluchtursache, Frau Merkel


Der türkische Ministerpräsident Davutoğlu kam zum letzten Gipfeltreffen mit der EU mit der Forderung nach mehr Geld (weitere 3 Milliarden), sowie nach Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen zur EU und nach Visafreiheit für türkische Bürger in Europa ab Juni 2016. Diese Forderungen wurden von den Verhandlungspartnern stillschweigend bis wohlwollend aufgenommen. Die Tatsache, dass in den kurdisch besiedelten Gebieten der Türkei Krieg herrscht, war beim Gipfel nicht der Rede wert. Die EU sieht die Türkei als Helferin in der Not, übersieht jedoch geflissentlich, dass auch die türkische Innen- und Außenpolitik selbst Flüchtlingsströme produziert.
 
Seit den Wahlen vom Juni 2015 ist in der Türkei nichts mehr wie es war. Mit der HDP zog eine pro-kurdische linke Partei ins Parlament ein und brach damit die absolute Mehrheit der AKP. Ein herber Schlag für Präsident Erdoğan – dahin war sein Traum von der Verstärkung seiner Diktatur durch eine Präsidialverfassung. Damit startete er eine eskalierende Gewaltpolitik gegenüber der eigenen Bevölkerung. Es gab Anschläge auf Parteibüros der HDP, den Nachrichtensendern wurde verboten, HDP-Mitglieder zu Wort kommen zu lassen, Zeitungen wurden verboten, Redaktionen von Polizei besetzt, Redakteure verhaftet. Erdoğan versuchte mit Gewalt, vor den Neuwahlen am 1. November 2015, die kurdische Bevölkerung einzuschüchtern:  „Entweder ihr gebt eure Stimmen meiner AKP – oder die Gewalt wird weiter zunehmen.“

Seither setzt die AKP-Regierung auf die bewusste Unterdrückung des kurdischen Volkes mit militärischen Mitteln. Schon im Juli 2015 erklärte Erdoğan die Beendigung  des Friedensprozesses mit der PKK. Seit Monaten hat die Regierung über kurdische Städte den Ausnahmezustand verhängt. Ausgangssperren, Wohngebiete werden durch Militär abgeriegelt, die Grundversorgung gekappt.

Mehr als 100.000 Menschen sind innerhalb der Region auf der Flucht vor dem Staatsterror der Türkei. Es sterben Zivilist-innen, viele kurdische Städte liegen in Schutt und Asche. Fakt ist, dass der Bürgerkrieg des türkischen Staates gegen das eigene Volk eine Fluchtursache ist und viele Kurd-innen vor dem Staatsterror nach Europa fliehen.

Das alles ist Kanzlerin Merkel und den anderen europäischen Regierungen wohlbekannt. Wenn sie von diesem Bürgerkriegsregime den Stop der Fluchtbewegungen nach Europa erwarten, machen sie nicht nur den Bock zum Gärtner, sondern nehmen den Terror in der Türkei in Kauf  und offenbaren ihre eigene Politik als eine Fluchtursache.



Freitag, 11. März 2016

Eine halbe Million auf der Straße gegen französische Agenda 2010


Protestaktionen am 9. März mit bis zu 500 000 Teilnehmern in 150 Städten (224 000 nach Angaben des Innenministeriums), 100 000 Demonstranten allein in Paris. Veranstaltet von 22 Jugendorganisationen, dem Studentenverband UNEF und den zwei größten Schülerorganisationen FIDL und UNL, denen sich die Gewerkschaften CGT, Force Ouvrière, FSU und Solidaires anschlossen. Auch die Parteien links von den regierenden „Sozialisten“ (PS) unterstützten die Demonstrationen, so die Kommunisten (PCF), die Linkspartei (PG) und andere der „Linksfront“. Ebenso Grüne (EELV), die französischen Jungsozialisten sowie ein Dutzend Abgeordnete von Hollande’s regierender Partei selbst. Parallel dazu fand in der Region um Paris ein eintägiger Streik der Eisenbahner und Verkehrsbetriebe statt.
Die Protestaktionen richten sich gegen ein neues Arbeitsgesetz, mit dem der „sozialistische“ Präsident Hollande die französische Wirtschaft an den Kurs von Gerhard Schröders„Agenda 2010“ anpassen will.
Zu den wichtigsten „Reformen“ des Arbeitsgesetzes gehört, dass Arbeitszeiten und Überstundenregelungen, die in Gesetzen und Tarifverträgen festgelegt sind, durch Betriebsvereinbarungen „flexibel angepasst“ werden können. Die in Frankreich gesetzlich verankerte 35 Stunden-Woche wird zwar nicht abgeschafft, aber künftig sollen „Abweichungen“ bis zu 60 Stunden/Woche betrieblich vereinbart werden können, mit Höchstarbeitszeiten bis zu 12 Stunden. Überstundenzuschläge können per Betriebsvereinbarung von 25 auf 10 % abgesenkt werden. Auszubildende unter 18 Jahren sollen künftig statt 8 bis zu 10 Stunden am Tag und bis zu 40 Stunden pro Woche arbeiten können, ohne die Zustimmung der Arbeitsinspektionen und eines Mediziners einzuholen.
Darüber hinaus sollen Entlassungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen erleichtert werden. Abfindungen werden auf 15 Monatslöhne gedeckelt (bisher pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ein Monatslohn, auch über 15 Monatslöhne hinaus).
Insgesamt soll der Niedriglohnsektor schlecht bezahlter und befristeter Kurzzeitjobs ausgeweitet werden, um so den „Wettbewerbsvorsprung“ der deutschen Wirtschaft seit Schröders Agenda 2010 zu verringern. Zugleich würden die betrieblichen Abweichungen von Gesetzen und Tarifverträgen die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften schwächen.
Der Gesetzentwurf rief in der französischen Bevölkerung breite Ablehnung hervor. Bis zu 70 % erklärten sich gegen das Vorhaben. In den sozialen Netzwerken erreichte eine Petition „Arbeitsgesetz – nein danke!“ binnen drei Wochen weit über 1 Million Unterschriften.
Angesichts dieser breiten Ablehnung vertagte die Regierung die Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Ministerrat vom  9. März auf den 24. März und bot „Gespräche“ über „Verbesserungen“ an. Während die sozialpartnerschaftlich-reformistischen Gewerkschaften unter Führung der CFDT darauf eingingen, forderten die linksorientierten Gewerkschaften CGT, FO, FSU und Solidaire die vollständige Zurückziehung des Entwurfs als unannehmbar.
In den nächsten Wochen muss sich zeigen, ob die Protestbewegung gegen die französische „Agenda“-Politik sich zu einer großen sozialen Massenbewegung ausweiten kann. Der Studentenverband UNEF und die Schülerorganisationen FIDL und UNL haben für den 17. März zu weiteren Aktionen aufgerufen. Für den 22. und 23. März sind landesweite Aktionen der Beschäftigten der öffentlichen Dienste und der Post angekündigt. CGT, FO, FSU und Solidaire haben zusammen mit den Jugendorganisationen für den 31. März zu einem weiteren landesweiten Streik- und Aktionstag aufgerufen.