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Mittwoch, 17. August 2016

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Mit Sigmar Gabriel den „Strukturwandel“ feiern heißt: Alles bestens, weiter so.



Zeitgleich mit dem Besuch des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel im Technologiezentrum, dem Flaggschiff des „Strukturwandels“ in Dortmund, berichteten die in Dortmund erscheinenden RuhrNachrichten von vier einschneidenden Deformationen des Sozialstaats, selbstverständlich ohne jeden Bezug auf den hohen Gast und den Anlass seines Besuchs:
1.    Minijobs und prekäre Arbeit können nicht mehr verdecken, dass die Arbeitslosigkeit weiter zunimmt.
2.    Die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung werden sich in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich von 22 auf 55 Euro monatlich mehr als verdoppeln.
3.    In den Großstädten wie Dortmund fehlen immer dringender Sozialwohnungen.
4.    In NRW sind immer mehr Menschen obdachlos.

Jeder dieser vier Trends folgt aus jeweils eigenen spezifischen Ursachen, keine Frage. Dass der massenhafte Zuzug von Geflüchteten auch auf den Arbeitsmarkt drückt, wird niemand bestreiten wollen. Der Zusammenhang der explodierenden Kassenbeiträge für die Versicherten mit dem medizinischen Fortschritt und der steigenden Lebenserwartung leuchtet ein. Dass die Bundesregierung sich total aus der Wohnungsbaufinanzierung zurückgezogen hat, musste absehbar zu Wohnungsnot im unteren Segment führen und war ein großer Fehler, der nun hoffentlich schnell korrigiert wird. Steigende Obdachlosenzahlen mit der Verarmung zunehmender Teile unserer Gesellschaft in Verbindung zu bringen, erfordert auch nicht viel Denkarbeit.

Alles einleuchtend. Wo „Struktur gewandelt“ wird, gibt es eben auch unschöne Begleiterscheinungen. Alles nicht so tragisch, denn die Erklärungen liefern schon die Abhilfe? Gemeinsam ist allen solchen Erklärungen: Sie ermöglichen bestenfalls ein hilfloses Herumdoktern am einzelnen Symptom. Während eine Etage höher, auf gesellschaftlicher Ebene, fröhlich mit dem Minister weiter der „Strukturwandel“ gefeiert werden kann. Von der Industrie- zur „Dienstleistungsgesellschaft“, von dieser zur „Wissensgesellschaft“, und wie die Nebelwolken alle heißen.

Was sie vernebeln, ist der Zusammenhang zwischen den zitierten Meldungen und der tatsächlichen Struktur unserer Gesellschaft. Ihre Spaltung von Grund auf in die wirtschaftlich bestimmende Minderheit und die von ihr abhängige ( mehr und mehr abgehängte) Mehrheit. Solange wir diese Struktur nicht „wandeln“ – und das geht logischerweise nur von unten – werden ihre Folgen weiter eskalieren.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Die Linke in Nöten. Ausweg "Rot-rosa-grün"? Aus aktuellem Anlass ein Ausflug ins Wahljahr


1. Zur Lage und den Aufgaben der Linken

Die Lage der SPD im Jahr vor der nächsten Bundestagswahl bleibt auch nach einem Parteikonvent, der eigentlich den Befreiungsschlag leisten sollte: verzweifelt. Stefan Hebel schrieb in der Frankfurter Rundschau: „Jetzt hat der Konvent ein schönes, in mancher Hinsicht „linkes“ Papier verabschiedet – bis hin zu vorsichtigen Überlegungen über eine Vermögensteuer. Und Gabriel braucht nur noch eine weitere Idee: Er muss den Leuten erklären, warum sie es diesmal glauben sollen.“

Mit dem uralten Trick hofft SPD-„Spitzenkandidat“ (?) Gabriel, das Wahlvolk noch einmal hinters Licht zu führen. Doch wenn auch parteiintern sich die Zweifel mehren, ob der Schröder-Mann, Agenda-Befürworter, nach acht lähmenden GroKo-Jahren, das Betrugsmanöver eines angeblichen Linksschwenks der SPD glaubhaft verkörpern kann – alle ducken sich weg, niemand meldet sich freiwillig als Konkursverwalter.

Mit dem Abrutschen der SPD-Umfragewerte unter 20 % (minus X) und dem Vordringen der populistischen AfD gerät das gesamte altbewährte Bäumchen-wechsle-dich-Spiel des Parlamentarismus durcheinander.

Dabei geht es um weit mehr als das übliche Pöstchengerangel. Der Kapitalismus hat Produktivkräfte hervorgebracht, mit denen es erstmals in der Geschichte möglich (!) wird, die materiellen und kulturellen Bedürfnisse aller Erdenbewohner zu befriedigen. Den Weg dahin, zu einer solidarischen, gemeinwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung aber versperren die Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse. Zugleich folgt die Menschheit einer Entwicklungslogik, die alles zivilisierte Leben auf der Erde mit dem Untergang bedroht. So steht sie vor der immensen Herausforderung, binnen historisch kurzer Zeit einen Ausweg aus diesem Widerspruch zu finden: "Sozialismus oder Barbarei" lautet die historische Weichenstellung des 21. Jahrhunderts.

Mit der neoliberalen Offensive verschärft sich der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit weiter. Und zwar jetzt (wieder) unter Bedingungen einer allgemeinen sozialen Entwurzelung, des Schrumpfens der Industriearbeiterschaft, der Zersplitterung der Arbeitsverhältnisse, der Ausgrenzung von Millionen aus der gesellschaftlichen Produktion, sozialer Spaltung und eines unverkennbaren Defizits an politischem Klassenbewusstsein der unteren Klassen.

Zwar nehmen spontane Proteste und außerparlamentarische Initiativen gegen den Abbau sozialer Sicherungssysteme, Privatisierung staatlicher und kommunaler Versorgungspflichten usw. europaweit und auch in Deutschland wieder zu, aber von einer organisierten und vereinigten Gegenmacht kann keine Rede sein. Spontane Aktionen gegen das Kapital sind unverzichtbar notwendig. Aber ohne organisierende, einigende Anstrengung werden sie die Kapitaloffensive nicht stoppen und den Epochenwiderspruch nicht auflösen.

In dieser Lage bestimmt sich linke Politik danach, ob und was sie zur Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse gegen die Barbarei und für Sozialismus beiträgt.

Eine wichtige Rolle spielt dabei natürlich die Staatsmacht, und in Bezug auf sie kommt der parteilich organisierten Linken eine Schlüsselstellung zu. Illusionär ist allerdings die Ansicht, Parlamente und Regierungen bildeten sozusagen die Arena, in der die Klassen gegeneinander antreten. So eine Sichtweise degradiert „das Volk“ vom Souverän zum passiven Zuschauer der Konkurrenzkämpfe zwischen pressure-groups. Die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu verändern ist keine Willens-, Fleiß- oder Charakterfrage "aufrechter" linker Parlamentarier und Regierungspolitiker. Solche werden sich auch nur heranbilden, indem die Gesellschaft selbst wirksame Gegenmacht der "außerparlamentarischen" Bewegung(en) entwickelt.

Folglich besteht die strategische Hauptaufgabe der Linken heute darin, die Organisierung der gesellschaftlichen Gegenmacht zu befördern. Dem hat die Arbeit sowohl innerhalb wie außerhalb des Staatsapparats zu dienen.

2. Mitregieren unter welchen Bedingungen?

Regieren unter kapitalistischen Bedingungen kann für die Linke kein Selbstzweck sein. Zwar eröffnet die Teilnahme an Regierungsverantwortung immer auch reale Möglichkeiten, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Vielen zu verteidigen und zu verbessern. Zugleich birgt sie aber die Gefahr, die Kräfte im Tages"geschäft" mit den Herrschenden zu binden, zu korrumpieren und von den eigentlich drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen abzulenken. Die kleinen Alltagskämpfe um Reformen sind unerlässlich zur Sammlung, Festigung und Schulung der antikapitalistischen Kräfte, aber die entscheidenden Veränderungen der Gesellschaft werden sich nicht als Summe aus kleinen Reformschritten ergeben. Linke Regierungsbeteiligung muss also gründlich auf Nutzen und "Kosten" abgewogen werden.

Die sehr richtige Erkenntnis, die häufig als Generaleinwand gegen linke Regierungsbeteiligung gestellt wird: bürgerliche Regierungen seien nie mehr als ein ausführender Ausschuss der herrschenden Klasse(n) – als Einwand läuft sie ins Leere, wenn die Linke an der Regierung sich ihrerseits als Exekutivorgan des Widerstands–Aufstands der beherrschten Klassen begreift, sozusagen als trojanisches Pferd in der feindlichen Festung. Übrig bleibt dann nur die Frage, ob die gesellschaftliche Gegenmacht von unten stark genug ist, den Mächtigen auch mithilfe deren eigener Machtorgane Zugeständnisse abzuringen. Diese Frage lässt sich nur jeweils konkret beantworten.

In der europäischen Geschichte haben sich drei typische Konstellationen oft wiederholt, in denen linke oder sich links nennende Parteien die Teilnahme an bürgerlichen Regierungen erwogen oder auch vollzogen haben.
Die klassische Situation, auf welche die revolutionären Strategien der Arbeiterbewegung immer besondere Aufmerksamkeit richteten, tritt im Laufe einer allgemeinen Krise und Zuspitzung des Klassenkampfs ein, wenn fortschreitende Lähmung, Zerrüttung und Handlungsunfähigkeit der kapitalistischen Staatsmacht eine Art "neuer Demokratie" oder "Doppelherrschaft" ermöglichen, ohne dass damit schon die ökonomischen Grundlagen des Kapitalismus aufgehoben würden. Von einer solchen Situation sind wir heute selbstredend weit entfernt.
Eine andere klassische Situation linker Regierungsbeteiligung ergab sich in vielen europäischen Ländern, als es galt, die unmittelbar drohende Errichtung einer faschistischen Diktatur zu verhindern ("Volksfrontregierung") oder nach dem Sieg über den Faschismus gemeinsam mit allen demokratischen Kräften eine "antifaschistische" Neuordnung zu schaffen. Auch das steht heute in Europa (noch?) nirgends wieder auf der Agenda, jedenfalls ist es auf absehbare Zeit keine ernsthaft diskutable Option der deutschen Linken.
Der dritte, weitaus häufigste Fall ist der Eintritt einer reformistisch gewendeten Arbeiterpartei in eine bürgerliche Koalitionsregierung, sei es in einer Krisensituation oder auch nicht. Abgesehen davon, ob die heutige SPD überhaupt als "linke" Partei gelten kann, hat sie sich den diesbezüglichen Sündenfall nicht erst 1966 mit der "großen Koalition" unter dem CDU-Kanzler und Ex-Nazi Kiesinger geleistet, sondern schon 1918 mit dem Eintritt der SPD-Führer Scheidemann und Bauer ins kaiserliche Kriegskabinett des Prinzen Max von Baden zur Niederschlagung der Novemberrevolution.
Seither gilt vielen Marxist*innen generell die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen als Prüfstein darauf, ob eine Partei noch "links" oder schon "reformistisch" bzw. "revisionistisch" sei.

Mir scheint dies ein unzulässig vereinfachtes Pauschalurteil, das wohl auch Marx und Engels heute nicht akzeptieren würden.

Wie auch immer, wurde und wird die Frage einer möglichen Regierungskoalition mit SPD und Grünen spätestens seit 2005 zu jeder Bundestagswahl erneut innerhalb der damaligen PDS wie auch heute der LINKEN "unversöhnlich" kontrovers diskutiert. Um schematische Kurzschlüsse zu vermeiden, müssten nach meiner Ansicht die folgenden Argumente in die Abwägung einbezogen werden.

3. Ein gesellschaftlich getragenes Aktionsprogramm als „rote Liste“ in einer Koalitionsregierung

Wenn, wie im 1.Teil begründet, die aktuelle Hauptaufgabe linker Politik heute darin besteht, die Organisierung außerparlamentarischer Gegenmacht zu stärken, dann ist zu fragen, ob dazu eine Beteiligung der LINKEN an einer Koalitionsregierung mit SPD und Grünen besonders wirksam beitragen würde oder nicht. Das ist m.E. nicht von vorn herein auszuschließen, sondern hängt ab von der Zwangslage, in der die beiden nicht-linken Parteien sich zu so einer Koalition bereit fänden. Denn nur wenn diese unter dem Druck der gesellschaftlichen Veränderungen für sich keinen anderen Ausweg sehen, werden sie auf so eine Wippe steigen. Der Nutzen für die Gegenmacht hängt also davon ab, ob die LINKE eine "rote Liste" unverzichtbarer Minimalforderungen der außerparlamentarischen Opposition ins Regierungsprogramm diktieren kann und diese Programmpunkte in aller Öffentlichkeit zum nachprüfbaren Maßstab ihrer Regierungspolitik macht. – Das schließt übrigens auch die Klarstellung ein, im Streit um die Grundlinien diese Regierung notfalls platzen zu lassen (Beispiel: Linke Tolerierung der NRW-Landesregierung Kraft-1).

Regierungsbeteiligung der LINKEN auf Bundesebene könnte auch bewirken - bei klaren "roten Linien" - dem Versprechen Willy Brandt's von 1972 auf "mehr Demokratie" näher zu kommen: nicht im abstrakt klassenneutralen Sinn eines Aushandelns widerstreitender "Interessen" (wie die herrschende Lehre Demokratie gerne missdeutet), sondern im Sinn der basisdemokratischen Mobilisierung und Selbstorganisation „des Volkes“ – sprich: außerparlamentarischer Bewegungen zur Erfüllung vorrangiger sozialer Bedürfnisse.

Eine solche Taktik setzt allerdings den festen Willen der LINKEN selbst dazu voraus. Denn nur wenn die LINKE sich von den anderen Parteien grundlegend durch Berechenbarkeit, Prinzipientreue und Verlässlichkeit unterscheidet, wird sie den gesellschaftlichen Rückhalt finden, den so eine Taktik erfordert. Der feste Wille dazu ist in der Partei heute (noch) nicht mehrheitsfähig, siehe die Landesregierungen in Thüringen und vormals Berlin. Die demokratische Willensbildung muss also erst einmal bei der LINKEN selbst vorangehen.

Um den Willen und die Fähigkeit der LINKEN zur Koalition mit SPD und Grünen auf den Prüfstand zu stellen, wäre ein erster Schritt, mit verbündeten Massenorganisationen gemeinsam eine „rote Liste" unverzichtbarer Forderungen als gemeinsames Aktionsprogramm aufzustellen und dabei zugleich zu prüfen, wie entschlossen die Bündnispartner um seine Verwirklichung kämpfen.

Wer das für den richtigen Weg hält, muss jetzt damit anfangen, um zu Beginn des Wahljahres die Ergebnisse auswerten und darauf eine Wahlkampagne aufbauen zu können.

Montag, 29. Juni 2015

Klare Mehrheit in Deutschland für Volksentscheide zum Euro

Update 18.40 Uhr: In einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap für die ARD-Sendung »hart aber fair« sprach sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür aus, auch in Deutschland Volksentscheide bei wichtigen Fragen zum Euro und zur Europäischen Union durchzuführen. 65 Prozent der Befragten halten direkte Abstimmungen in solchen Fällen für sinnvoll. Im Vergleich zum Jahr 2012 ist das eine Steigerung um 14 Prozentpunkte: Damals wünschten sich 51 Prozent der Deutschen Volksabstimmungen zu wichtigen Euro-Fragen. Besonders groß ist der Wunsch nach mehr direkter Demokratie in Ostdeutschland: Dort wünschen sich 75 Prozent Volksentscheide bei europäischen Fragen.
Update 7.05 Uhr: Hektischer Positionswechsel der SPD-Spitze
Ein hektischer Positionswechsel der SPD-Spitze zum Referendum in Griechenland sorgt für Diskussionen. Führende Vertreter der Partei hatten sich am Samstagmorgen zunächst positiv zur Volksabstimmung geäußert. Parteichef Sigmar Gabriel hatte erklärt, das Referendum könne sinnvoll sein. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich zunächst positiv. In einer Vorabmeldung zu einem Interview in der »Welt am Sonntag« sagte er, »es liegt jetzt ein gutes Angebot auf dem Tisch - ich hoffe, dass Griechenland die ausgestreckte Hand ergreift. Wenn dies in Form eines Referendums sein soll, dann sei es so«. Das Zitat wurde dann auch von der Nachrichtenagentur AFP verbreitet - am Samstag kurz vor 14 Uhr. Am frühen Sonntagmorgen meldete die Deutsche Presse-Agentur dann jedoch, Steinmeier habe harsche Kritik an der griechischen Regierung geübt. »Ich verstehe nicht, wie eine gewählte griechische Regierung seinem Volk empfiehlt, den europäischen Vorschlag abzulehnen und die Menschen in Griechenland damit in Geiselhaft nimmt, um Europa weitere Konzessionen abzutrotzen. Der Zickzackkurs der griechischen Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslos.« Nach Recherchen von Zeit online »veranlasste Steinmeier die Redaktion der ›Welt am Sonntag‹ dazu, seine Antwort zu Griechenland ins Gegenteil zu verwandeln«. Niemand in der SPD-Spitze habe Samstagfrüh gewusst, so die Erklärung, »dass die Referendumsankündigung durch Tsipras in Wahrheit eine Provokation gewesen sei«. Dies wurde so begründet, dass »in Brüssel die Verhandlungen angeblich kurz vor einer Einigung gestanden hätten«. Ein namentlich nicht genannter SPD-Politiker habe aber bezweifelt, dass eine Einigung zwischen den Vertretern Griechenlands und der Gläubiger wirklich schon so nah bevorgestanden habe, wie es in vielen Medien behauptet wird. Dann stünde auch die Referendumsankündigung in anderem Licht da. Unionspolitiker hätten dagegen schon am Freitagabend vor der entsprechenden Rede von Alexis Tsipras zum Referendum über die Pläne in Athen gewusst. »Wurde Gabriel nicht informiert?«, fragt Zeit online.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/976101.gabriel-erklaert-referendum-zur-grexit-frage.html

Freitag, 19. Juni 2015

Bild Dir Deinen Sigmar!

aus: NachDenkSeiten http://www.nachdenkseiten.de/?p=26449#h02

Man könnte mittlerweile eine eigene Deutschstunde eigens für Sigmar Gabriels Beiträge einrichten. Von Woche zu Woche hat man das Gefühl, dass der Parteivorsitzende der Sozialdemokratie mit Wortbeiträgen verzweifelt darum bemüht ist, sein eigenes Profil zu schärfen. Nun wird vielleicht mancher Leser einwenden, wie sonst könne das politische Profil geschärft werden, wenn nicht mit aktuellen Ansichten zur politischen Lage? Nur zur Illustration: Angela Merkel ist es über die Jahre gelungen, durch strikte Dosierung von persönlichen Bekenntnissen das Image der besonnenen Fachfrau zu schaffen. Sigmar Gabriel entwickelt sich zunehmend und genüsslich zum parlamentarischen Arm der Bild-Zeitung. […]
Ein Anruf der Bild-Redaktion und die Bitte für einen Gastbeitrag ist etwas, das für manche Politiker wie ein Sechser im Lotto oder eine Doppelportion Bockwurst mit Schrippe wirkt: das pure Glück.
Für Gabriel muss es eine Dauerbockwurstparty sein, die ihn dazu bewegt, Politik mithilfe des Boulevards zu machen. Innerparteilich ist er schwach. Seine Parteigenossen haben mittlerweile keine Hemmungen, sich öffentlich von ihm zu distanzieren oder zu widersprechen. Wer aber regelmäßig in der Bild sprechen darf, hat fünfmal mehr Zuhörer als Mitglieder in der eigenen Partei. Und so hat er Aussicht auf mehr Zustimmung in der Bevölkerung und damit eine Form der Macht, die mächtiger als das Parteimandat ist.
Natürlich geht es Gabriel in seiner Äußerung keine Sekunde lang über die griechischen Kommunisten (wer?) und ihre “überzogenen Wahlversprechen” (welche?), die vom deutschen Arbeitnehmer und seiner Familie (hier gleichzusetzen mit “der Bild-Leser”) alimentiert werden. Es geht um den Wunsch, wahrgenommen zu werden. Politiker wie Wolfgang Bosbach machen es vor. Sie verknüpfen ihr persönliches Schicksal mit dem Schicksal eines europäischen Mitglieds an der Ägäis und drohen mit Bosbexit. Sigmar Gabriel will von dem Graben, der in der Griechenland-Frage innerhalb der CDU herrscht, profitieren. Er schlägt sich auf die Seite der Grexit-Befürworter in der Hoffnung auf mehr Fans.
Quelle: Mely Kiyak auf Zeit Online