Schon vor der Verabschiedung des Nachtragshaushalts für 2010 ging es im nordrhein-westfälischen Landesverband der Linkspartei hoch her und kontrovers zur Sache: Die Landtagsfraktion entschied sich anders als vom Landesvorstand und dem Landesrat empfohlen und stützte die Minderheitsregierung durch ihre Stimmenthaltung. In Kürze steht uns wieder derselbe Streit um den Haushalt 2012 bevor. Am 10. September soll der Landesparteitag ein Votum abgeben. Dazu die folgenden Denkanstöße.
Wie wichtig ist für Linke das Arbeiten im Staatsapparat?
Darüber streiten die Linken in der Arbeiterbewegung seit 150 Jahren. Aufgrund aller praktischen Erfahrungen dieser 150 Jahre sehe ich den entscheidenden Grund für die Parlamentsarbeit von Linken, ebenso wie für ihre Beteiligung an bürgerlichen Regierungen, ebenso für die Übernahme verantwortlicher Staatsämter nicht darin, dass man von dort aus etwa den Sozialismus verordnen könnte – sondern entscheidend ist die öffentliche Beachtung, die Linke in öffentlichen Ämtern für ihre Ideen finden. Parteien, die nicht wenigstens Parlamentsdebatten aufmischen, werden von den bürgerlichen Medien höchstens mit Skandalgeschichten totgeschlagen, ansonsten aber totgeschwiegen.
Das kleinere Übel stützen?
Wenn man sich damit zufrieden gibt, dass SPD und Grüne ja nicht ganz so schlimm seien wie die schwarz-gelbe Konkurrenz, dann macht man die Erfahrung, dass der Abstand des kleineren Übels zum nächst größeren immer mehr oder weniger rasch dahin schmilzt. Bis die Wähler-innen finden: „Wenn SPD und Grüne sich kaum mehr von Schwarz-Gelb unterscheiden, tausche ich doch gleich die Kopie gegen das Original aus!“ Die Taktik, das kleinere Übel zu stützen, bietet also für linke Politik mittel- und langfristig keine Perspektive. Sie allein würde es nicht rechtfertigen, einen unsozialen Landeshaushalt passieren zu lassen.
Die Regierung tolerieren, um „mitzugestalten“?
Das eine und andere Positive hat unsere tapfere kleine Landtagsfraktion in ihrem ersten Jahr schon erreicht, z.B. Nachbesserungen beim Kinder-Bildungsgesetz (KIBIZ), mehr Geld für die Kommunen, Verbesserungen im Vergaberecht für öffentliche Aufträge, Rücknahme geplanter Kürzungen für Sozialeinrichtungen und die Möglichkeit zur Abwahl von Bürgermeistern und Landräten gingen auf ihre Initiative und ihren Druck zurück. Das beweist, dass auch eine informelle Tolerierung durchaus als politisches Druckmittel zur „Mitgestaltung“ der Politik einer SPD-grünen Minderheitsregierung genutzt werden kann.
Die entscheidende Frage dabei ist: Werden die kleinen Erfolge der LINKEN von den Wähler-innen überhaupt registriert oder dem Konto von SPD und Grünen gutgeschrieben? Und wie hoch bewerten die Menschen sie im Verhältnis zu ihren eigenen drängenden Problemen?
Damit verbindet sich die spiegelverkehrte Fragestellung:
Wie hoch ist der Preis, den die LINKE für das bißchen Einfluß zahlt?
Wenn in der heutigen Lage in NRW unsere Landtagsfraktion den Haushaltsplan der Regierung ablehnt, dürften SPD und Grüne wohl die Flucht in Neuwahlen suchen. Und wenn die Umfragewerte so blieben wie im Moment, besteht die Gefahr, dass DIE LINKE die 5-%-Hürde reißt. Dann hätte sie sich selbst aus dem Landtag gekickt.
Nun ist wie gesagt nach meinem Dafürhalten die Teilnahme am bürgerlichen Staatsbetrieb einschließlich seiner Wahlämter für Linke kein Selbstzweck. Aber dass wir freiwillig wieder in die öffentliche Nichtbeachtung abtauchen, würde die Mehrzahl unserer Wähler-innen wohl nur dann verstehen und billigen, wenn wir sehr präzise und überzeugend begründen, warum Linke den Landeshaushalt 2012 auf keinen Fall tolerieren können. DIE LINKE muß sich folglich gut überlegen, welche „Haltelinien“ – sprich: Bedingungen, die nicht preisgegeben werden dürfen – sie sich selbst für ihre Entscheidung setzt.
Dann allerdings, wenn unsere Bedingungen von breiten Teilen der Bevölkerung verstanden und gutgeheißen werden, besteht sehr wohl die Chance, dass wir gerade mit dieser Taktik aus der Neuwahl gestärkt herausgehen. Das will gut abgewogen sein.
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