Sonntag, 7. August 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Arbeitsplätze am Flughafen retten?

Als es im Dortmunder Stadtrat um die Verlängerung der Flugzeiten über den Schlafzimmern im Süden der Stadt ging, versuchte ein sozialdemokratischer Lobbyist des Flughafens mit gewaltigem Feldgeschrei, den Flughafengegnern die Gefährdung tausender Arbeitsplätze anzuhängen. Hier die Antwort eines bekennenden Gewerkschaftsmitglieds.

Bei 45.000 Arbeitslosen in Dortmund wiegt der Vorwurf, Arbeitsplätze zu gefährden, schwer. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Flughafenlobby die Beschäftigten des Flughafens und der Dienstleister drum herum nur gegen die 45.000 Arbeitslosen und gegen alle 200.000 Beschäftigten in Dortmund ausspielt.

Seit 2004 (Einstieg in die Billigfliegerei ab Dortmund) haben die Stadtwerke den Flughafen mit über 200 Millionen € subventioniert. Das heißt, jeder einzelne Arbeitsplatz der Flughafengesellschaft wurde mit 700.000 € gestützt. Kein anderes Dortmunder Unternehmen hat auch nur annähernd so viele öffentliche Subventionen erhalten, ganz gleich wie existenzgefährdet es war und ist. Die Unternehmensinsolvenzen stiegen 2010 auf ein neues Rekordhoch. Dabei gingen in Dortmund über 1.000 Arbeitsplätze verloren, beinah viermal so viele wie die Flughafengesellschaft beschäftigt.

Die gesamte städtische Wirtschaftsförderung verfügt über ein Jahresbudget von 11,5 Millionen €, zur Unterstützung aller Dortmunder Wirtschaftsbetriebe. Mal abgesehen davon, dass die Hälfte dieser 11,5 Mio nach Meinung der Linken sinnlos verpulvert wird: Ein einziges Unternehmen aber, der Flughafen, erhält allein doppelt soviel an Hilfen wie 50.000 Firmen zusammen! Ist das gerecht? Ist das auch nur volkswirtschaftlich vertretbar?

Die Arbeitsagentur/ARGE hat im Jahr etwa 70 Millionen € für die Wiedereingliederung von Arbeitslosen zur Verfügung. Die Stadt Dortmund hat nach Einführung von Hartz IV (2005) ihre eigene Beschäftigungsförderung auf null herunter gefahren, in ihren Ämtern und Eigenbetrieben baut die Stadt Jahr für Jahr mehrere hundert Stellen ab. Angeblich aus Geldmangel – aber für den Flughafen haben die Stadtwerke (100-prozentige Tochter der Stadt) jährlich mehr als 20 Millionen € Verlustausgleich übrig. Das alles mit den Stimmen der Sozialdemokratie im Stadtrat.

Diese einmaligen Privilegien des Flughafens bezahlt die ganze Dortmunder Bevölkerung. Das heißt, in erster Linie alle übrigen Arbeitnehmer in Dortmund. Und sogar die 45.000 Arbeitslosen müssen Jahr für Jahr durchschnittlich 75 Euro pro Kopf abdrücken – damit die Beschäftigten am Flughafen weiter ihre Dumpinglöhne erhalten können. Ist das gerecht und solidarisch, „Kollegen“ Sozis?

Liegt es überhaupt im Interesse der Beschäftigten, wirklich jeden Arbeitsplatz zu erhalten? Egal wie teuer ihn die Allgemeinheit bezahlen muss (nicht die Unternehmer und Manager!), egal wie umweltschädlich der Betrieb ist, egal wie unverträglich die Arbeitsbedingungen? Führen wir dann auch die Todesstrafe wieder ein, um Arbeitsplätze für Henker zu sichern?

Die besonders hohen Klimaschäden des Flugverkehrs haben sich allmählich herumgesprochen. Daran ändert auch die verdummende Reklame vom „Ökoflughafen Dortmund“ nichts. Weniger bekannt ist, dass die meisten Firmen am Flughafen ausgesprochen niedrige Löhne zahlen und miese Arbeitsbedingungen bieten. So hatte die städtische Tochter „Flughafen Dortmund GmbH“ schon 2005 eine Servicegesellschaft ausgegründet eigens zu dem Zweck, den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes zu unterlaufen – übrigens mit dem Segen der Sozialdemokratie im Stadtrat, gegen die Stimmen der Linken! Sind auch solche Lohndrücker-Arbeitsplätze es wert, verteidigt zu werden?

Ich meine, nicht nur alle Dortmunder Arbeitenden und Arbeitsuchenden, sondern sogar die Flughafen-Beschäftigten selbst hätten mehr davon, wenn die Stadt die Subventionsruine Flughafen endlich zurück baut, die Immobilie gewinnbringend umnutzt und die jährlich mehr als 20 Millionen € Verlustausgleich für sinnvolle, reguläre, existenzsichernde, sozialverträgliche Ersatzarbeitsplätze ausgibt. Vorschläge dazu liegen seit Jahren auf dem Tisch. Kein einziger Beschäftigte des Flughafens würde dabei ins Bergfreie fallen. Verhindert wird das von der Wirtschaftslobby, die die Billigfliegerei als Wettbewerbsvorteil nutzt und ihre Kostensenkung von der Allgemeinheit bezahlen lässt.

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