Montag, 1. August 2011

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Ein LINKES Gegenkonzept zum neoliberalen Stadtumbau

am Beispiel Dortmund-Hörde
Der Dortmunder Stadtteil Hörde war jahrhundertelang bis zu seiner Zwangseingemeindung nach Dortmund (1928) die einzige reichsfreie Stadt neben Dortmund auf dem heutigen Dortmunder Siedlungsgebiet. Diese herausgehobene Stellung hat der Hörder Stadtgestalt ebenso wie der Mentalität des Hörder Menschenschlags ein eigenes, unverwechselbares kulturelles und wirtschaftliches Profil aufgeprägt. Ab 1840 wandelte sich dies Profil von der mittelalterlichen Ackerbürgerstadt zur zweitwichtigsten Produktionsstätte der Montanindustrien in Westfalen neben der Dortmunder Nordstadt. Nach dem Abzug des Bergbaus und der Stahlindustrie aus Dortmund gegen Ende des 20. Jahrhunderts fielen riesige Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft des Hörder Stadtzentrums brach, verloren Tausende Hörder Familien ihren Broterwerb, verlor die Hörder Altstadt ihre wirtschaftliche und kulturelle Identität. Etwa seit dem Jahr 2000 versucht die Politik, im Rahmen des von ihr gefeierten „Strukturwandels“ Dortmunds von der Industriestadt zur „wissensbasierten Dienstleistungsmetropole“, dem Stadtteil Hörde eine neue Perspektive zu geben. Und zwar vor allem mithilfe zweier Groß-Spekulationsprojekte: Phoenix West als Gewerbestandort für Hitech- und „Kreativwirtschaft“ und Phoenix See als überregional ausstrahlendes Erholungs- und Wohngebiet der Spitzenklasse mit neuem Dienstleistungszentrum.

Um diese Spekulationen so richtig zur Goldgrube zu machen, hat die Stadtspitze sie jetzt um eine „Fortschreibung des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes“ ergänzt, die der Stadtrat im Dezember 2010 gegen die Stimmen der Linksfraktion billigte. DIE LINKE hat dem eine fundierte Kritik sowie ihre eigene Vision einer sozialverträglichen, gemeinwohl-orientierten und kulturgeschichtlich sensiblen Stadterneuerung entgegen gestellt.

Kritik des Stadtumbaukonzepts
Wer sich die Erneuerung alter Ortskerne im Kapitalismus als kulturellen und sozialen Fortschritt für die ansässige Wohnbevölkerung vorstellt, kann sich in Dortmund-Hörde einmal mehr von Illusionen heilen lassen. Der herrschenden neoliberalen Ideologie folgend bedeutet Sanierung vor allem Aufwertung von Immobilien, Waren- und Dienstleistungsangeboten.

Die Bezeichnung als „Stadtumbau“ deutet schon an, dass hier für die Ansiedlung ganz neuer Nutzergruppen geplant wird. Eingeklemmt zwischen den Hitech-Standort Phoenix-West und das städtebauliche Großspekulations-Projekt Phoenix-See, soll Alt-Hörde in die Anwerbung und Ansiedlung hoch qualifizierter, hoch profitabler Unternehmen und einkommensstarker Käuferschichten eingespannt werden. Dass so ein Umbauverständnis auf längere Sicht zum Austausch ganzer Bevölkerungsschichten des alten Ortskerns führt – und zwar nicht nur von Mietern aus den aufgewerteten Miethäusern, sondern auch vieler Kleinhandels- und Handwerksbetriebe – diese marktwirtschaftliche Gesetzmäßigkeit kann man an Hunderten Beispielen in den Metropolen der Welt studieren. Unter dem macht man’s auch in der Provinzhauptstadt Dortmund nicht mehr.

Wirtschaftsförderung im Sinne von „Standortwettbewerb“ geht vor Verbesserung der Lebensbedingungen der Bewohner und dient einer dreifachen Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums:
- von unten nach oben (höhere Einkommen – zahlungsfähige Nachfrage – steigende Steuerkraft – Mietsteigerung),
- Privat vor Staat (private Aneignung der Sanierungsgewinne – Sozialisierung der Sanierungskosten),
- zwischen Gesellschaftsklassen (von lohnabhängigen Mieterhaushalten zum Handels- und Gewerbekapital).

Die öffentliche Hand beschränkt sich dabei einerseits auf die Gestaltung der öffentlichen Räume und Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur, andererseits auf Investitionsanreize für Hauseigentümer und Gewerbetreibende. Charakteristisch für solche Art Umbau ist, dass im gesamten umfangreichen, 15 Mio € teuren Maßnahmenkatalog das Kapitel „Soziales, Integration, Kultur“ fast ganz hinten herunter fällt und gerade mal 825.000 € abbekommt. Dieselbe Geringschätzung erfährt das Teilgebiet mit den massivsten sozialen Problemen, das Wohnquartier um den Hörder Neumarkt.

In Konsequenz daraus, dass die erhofften neuen Nutzer erst hergelockt werden müssen, reduziert sich die gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung auf die Klientel der Immobilienbesitzer und Einzelhändler, deren aktive Mitwirkung bei solcher Art Sanierung gebraucht wird. Hingegen ist die Mitsprache der alteingesessenen Bewohner-innen, also der potentiell von dieser Planung Verdrängten, weder erwünscht noch zielführend. Folgerichtig wird hier Bürgerbeteiligung durchgängig mit „Information und Betreuung der Bewohner“ übersetzt.

Das linke Gegenkonzept
- Ein sozialverträglicher Strukturwandel setzt die Schaffung von Arbeit für die ortsansässige Bevölkerung voraus, also nicht vor allem Hitech-Arbeitsplätze (Phoenix West), sondern öffentlich geförderte Beschäftigung zu existenzsichernden (Mindest-) Löhnen und tariflich geregelten Arbeitsbedingungen. Keine Formen der Zwangsarbeit. Frauenförderplan.
- Begrenzung von Mietsteigerungen auf die Mietleistungskraft der ansässigen Bewohnerschaft. Modernisierungszuschüsse nur gegen Sozialbindung und städtische Belegungsrechte, besondere Förderung genossenschaftlicher Wohnprojekte, Vorkaufsrechtssatzung.
- Vorrangiger Ausbau von Bildungseinrichtungen (Kitas, Ganztagsschule), Schulentwicklungsplan, überbetriebliche Ausbildungsstätten, Integrationsprojekte, Erwachsenenbildung.
- Ausbau der Altenbetreuung.
- Förderung kultureller und sozialer Bewohnerinitiativen.
- Basisdemokratische Entscheidungsbefugnisse auch für Mieter, soziale Verwaltungskontrolle.

Finanzierung
Wie jedes linke Gegenkonzept überzeugen auch unsere Vorstellungen zur Stadterneuerung nur auf Grundlage „realistischer“ Finanzierungsvorschläge – realistisch in dem Sinn, dass sie bei entsprechendem politischen Willen sofort und ohne volkswirtschaftliche Schäden umsetzbar sind. Dazu gehören:
- das allgemeine Steuerkonzept der LINKEN in Bund und Land,
- der vertikale Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Kommunen nach dem Konnexitätsprinzip („Wer anordnet zahlt“),
- Steigerung der Stadterneuerungsmittel durch Land, Bund und EU,
- kommunale Infrastrukturabgabe (z.B. über Hebesatz der Grundsteuer B),
- Teilabschöpfung privater Sanierungsgewinne.

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