Dienstag, 24. März 2015

“Alle fürchten Merkel”-??


So titelte (ohne Fragezeichen) Spiegel-Online Mitte Februar nach der Rundreise des neu gewählten griechischen Regierungschefs durch Europa. Bei dieser diplomatischen Suche nach Verbündeten in Rom, Paris und Brüssel sei Tsipras klar gemacht worden, dass Griechenland vorerst nicht auf praktische Solidarität anderer Regierungen zählen kann. In Europas Hauptstädten herrsche Angst, so Spiegel-Online wörtlich, “die mächtige Kanzlerin Merkel zu verärgern.”
Der diplomatische Misserfolg gab den Auftakt für die bis heute anhaltende, unter "Freunden" geradezu unglaubliche Demütigung einer demokratisch gewählten Regierung durch viele europäische Politiker, allen voran der deutsche Finanzminister Schäuble, mit gezielter Desinformation und schrillen Hasstiraden der weitgehend gleichgeschalteten deutschen Medien. Einen schändlichen Tiefpunkt erreichte der ARD-Moderator Jauch mit einem alten, in demagogisch gefälschtem Zusammenhang verwendeten Stinkefinger-Video gegen den heutigen griechischen Finanzminister.
Worauf Berlin mit der Kampagne gegen SYRIZA abzielt, brachte die Tageszeitung Die Welt klar und zustimmend auf den Punkt: Es gelte, “Tsipras in die Knie zu zwingen” und die linke Regierung zu “blamieren”, um einen Flächenbrand im Keim zu ersticken. Die großbürgerliche Frankfurter Allgemeine äußerte sich ähnlich. Mindestens ebenso wichtig wie die Blamage der seit langem ersten linken Regierung in Europa muss es Merkel und den deutschen mainstream-Medien aber sein, von einer sachlichen Bewertung der desaströsen Folgen des deutschen Spardiktats in der Eurozone abzulenken. Und das haben sie mit der persönlichen Diffamierungskampagne voll und ganz erreicht.
Doch was in Deutschland heute noch funktioniert, wäre in den meisten anderen europäischen Ländern schon nicht mehr möglich. In Frankreich, Italien, Spanien und Portugal, aber auch in England beginnen die Menschen zu verstehen, dass die gigantischen Überschüsse der deutschen Leistungsbilanz, finanziert mit Lohn- und Sozialdumping ("Agenda 2010"), genau spiegelbildlich die Defizite in ihren Staatshaushalten und Leistungsbilanzen mitverursachen.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum die deutsche Kanzlerin auf einmal etwas anders mit dem lieben Herrn Tsipras umgeht als gestern noch und als ihr Finanzminister. Merkel scheint erkannt zu haben, dass sie nicht mehr lange "gefürchtet" bliebe in Europa, wenn Deutschland seine Vorherrschaft weiter so brutal und arrogant zur Schau stellt. Sie ändert die Verpackung, der Inhalt bleibt derselbe.

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