Freitag, 12. Januar 2018

GroKo-Sondierungsergebnisse: Die SPD schaufelt sich ihr eigenes Grab

Von Oskar Lafontaine
Sicher findet man in dem Ergebnis der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD auch Gutes, wie leichte Verbesserungen bei der Rente oder das Verbot von Waffenexporten an Länder, die im Jemen Krieg führen. Aber die vielen Kommentare, die zusammengefasst „Weiter so wie bisher“ lauten, sind richtig. Das mag, wenn die Migration begrenzt bleibt, für CDU und CSU noch gerade so aufgehen, um ihr schwaches Ergebnis bei der Bundestagswahl zu halten (CDU: 26,8 Prozent, ein Minus von 7,4 Prozent. CSU in Bayern: 38,8 Prozent, ein Minus von 10,5 Prozent). Aber die SPD wird, wenn sie die „große Koalition“ fortsetzt, weiter Wähler verlieren.
Die Ungleichheit nimmt zu. Löhne und Renten werden sich unterdurchschnittlich entwickeln. Keine Vermögenssteuer und keine Anhebung des Spitzensteuersatzes zeigen, dass sich die wohlhabenden Spender der Parteien weiter durchsetzen.
Die führenden Sozialdemokraten wissen nicht mehr, was der politische Auftrag einer Partei ist, die sich sozialdemokratisch nennt. Selbstverständlich ist die paritätische Bezahlung der Krankenversicherung zu begrüßen. Aber sie bedeutet ja nur, dass ein Schaden repariert wird, den Christ- und Sozialdemokraten im neoliberalen Reformwahn angerichtet haben. Die Denkmuster bleiben. Verräterisch: Der Arbeitslosenversicherungs-Beitrag soll um 0,3 Prozent gesenkt werden. Das ist, mit der Brille der Arbeitgeber betrachtet, Lohnsenkung! Aus Sicht der Arbeitnehmer heißt das, sie zahlen etwas weniger Beitrag, bezahlen dafür aber mit schlechteren Leistungen in der Arbeitslosenversicherung. Der Sozialabbau der letzten Jahre soll an keiner Stelle entscheidend korrigiert werden.
Auch der Zerfall der europäischen Union setzt sich fort, solange man die Ursachen nicht beseitigt. Wissen die Großkoalitionäre nicht, was sich in Italien zusammenbraut? Die Italiener werden die weitere De-Industrialisierung ihres Landes aufgrund der verfehlten Wirtschafts- und Währungspolitik der EU nicht länger hinnehmen. Solange der deutsche Exportnationalismus triumphiert, sind die europäischen Nachbarn die Leidtragenden. Noch so fromme Sprüche der angeblichen Europafreunde ändern daran nichts.
Hat die SPD vergessen, warum Willy Brandt den Friedensnobelpreis erhalten hat? Soll die Einkreisung Russlands – Nato-Truppen und US-Raketen an der russischen Grenze – weitergehen? Ja es ist richtig: „Europa muss sein Schicksal mehr als bisher in die eigenen Hände nehmen.“ Das kann aber nur heißen, dass die Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts wieder aufgenommen und die Politik der Einkreisung Russlands beendet wird. Eine neue Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands muss das Ziel der deutschen Politik sein. Der Großmeister der US-Diplomatie George Kennan bezeichnete die Osterweiterung der Nato als „den verhängnisvollsten Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Ära nach dem Kalten Krieg“. Zumindest hätten die Sozialdemokraten durchsetzen müssen, dass die auf Betreiben der US-Administration beschlossenen Sanktionen gegen Russland beendet werden. Wenn die SPD unter diesen Bedingungen die „große Koalition“ fortsetzt, schaufelt sie sich ihr eigenes Grab.

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