Ab Mitte 2018 verhandelt die EU ein
neues Partnership Agreementmit den Staaten Afrikas, der Karibik und
des Pazifiks. Vieles wird sich um „Migrationsmanagement“, Sicherheit und
Investitionen drehen.
Das sogenannte Partnership Agreement wird in
unregelmäßigen Abständen neu verhandelt. Mit diesen Abkommen werden die Leitlinien
der Zusammenarbeit zwischen der EU und der AKP-Region festgelegt. Das derzeit
noch gültige sogenannte Cotonou-Abkommen hatte eine Laufzeit von 20 Jahren. Es
beruhte auf den Säulen Entwicklungshilfe, Handel und politische Kooperation.
Bezüglich der Kooperation mit Afrika legt der aktuelle EU-Entwurf im Bereich
der Migration neue Schwerpunkte.
Migration und
Flüchtlinge – nur was der EU nutzt
Die EU-Kommission spricht davon, dass Migration zu Wachstum und dem
Austausch von Wissen und Kompetenzen führe. Das klingt auf den ersten Blick
äußerst positiv. Denn um in Afrika einen dynamischen Entwicklungsprozess in
Gang zu setzen, braucht es Wachstum, dass auf Wissen, Innovationen und
Kompetenzen beruht.
Die EU zielt darauf ab, qualifizierten und gut ausgebildeten Afrikanern die
Migration zu erleichtern. So soll Studenten und Wissenschaftlern der Weg nach
Europa geebnet und Kurzbesuche für Geschäftsleute und Investoren ermöglicht
werden. Außerdem soll die Ausbildung von afrikanischen Arbeitskräften in ihrem
Heimatland in Europa unproblematischer als gleichwertig anerkannt werden.
Die EU geht von einem Überschuss an gut qualifizierten Arbeitskräften in
den afrikanischen Ländern aus. Allerdings ist das in den meisten Sektoren nicht
der Fall. Eine erfolgreiche Abwerbung gut Qualifizierter würde zu einem für die
afrikanische Entwicklung negativen Brain Drain führen. Die für
ein breitenwirksames Wachstum so wichtigen Fachkräfte drohen dann nach Europa
abzuwandern. Im britischen Gesundheitssystem mit einer hohen Anzahl
afrikanischer Ärzte ist genau dies bereits Realität.
Für die afrikanischen Staaten blieben nur die Rücküberweisungen der
Ausgewanderten als Gewinn der von der EU-Kommission vorgeschlagenen
Migrationspolitik. Diese Rücküberweisungen stellt die EU als Möglichkeit zur
Entwicklungsfinanzierung dar. Hier stellt sich allerdings die Frage, wie
afrikanische Unternehmer allein mit Geld die strukturellen Defizite überwinden
sollen, die teils durch schlechte Regierungsführung teils durch eine
entwicklungsfeindliche Handelspolitik verursacht werden.
„Irreguläre Migration“, von Menschen also, die keine ausreichende
berufliche Qualifikation aufweisen oder vor Hunger, Armut und Krieg fliehen,
soll nach Plänen der EU hingegen eingedämmt werden. Dafür soll das
„Grenzmanagement“ in Afrika verbessert und weiter mit der Polizei und der
Justiz in afrikanischen Staaten kooperiert werden (hier).
Doch der Begriff „Grenzmanagement“ ist ein Euphemismus. Schon heute
arbeitet Europa mit brutalen Diktaturen in Eritrea (welches als „Nordkorea
Afrikas“ bezeichnet wird), Südan oder dem Südsudan zusammen. Sie bildet dort
Polizisten und Grenzbeamte aus. An die Regime im Niger und Tschad wurden Waffen
geliefert. Indem die nationalen Grenzen der Herkunftsländer aufgerüstet werden
(mehr dazu hier und hier), sollen Menschen vor der Flucht vor
politischer Verfolgung, Kriegen und bewaffneten Konflikten abgehalten werden.
De facto wird durch eine solche „Migrationspolitik“ das Menschenrecht auf Asyl
eingeschränkt.
Die EU verkennt darüber hinaus, dass ein Großteil der Migration
innerafrikanisch stattfindet. Die Überquerung nationaler Grenzen ist für viele
Menschen fast alltäglich. Nur ein kleiner Teil der Migranten macht sich wirklich
auf den Weg nach Europa. Indem die EU zur Militarisierung nationaler,
innerafrikanischer Grenzen beiträgt, nimmt sie Millionen Menschen ein Mittel,
um in Nachbarländern bessere menschenrechtliche und wirtschaftliche
Perspektiven wahrzunehmen.
Handel – kein
fairer Handel absehbar
Beim Thema Handel verfolgt die EU das Ziel der „inklusiven und nachhaltigen
Entwicklung“. Die EU möchte den Aufbau von Produktionskapazitäten in Afrika
unterstützen, das Unternehmertum voranbringen und die Wertschöpfung vor Ort
fördern.
Um diese Ziele zu erreichen verfolgt die EU weiter den Ansatz, das
sogenannte Geschäftsumfeld und die Investitionsbedingungen zu verbessern. Damit
sollen zum einen bürokratische Hürden beim Aufbau und dem Betrieb eines
Unternehmens abgebaut werden – beispielsweise bei der Gründung, der
Registrierung von Eigentum oder bei behördlichen Genehmigungen. Zusätzlich
zielt der Ansatz auf die Förderung von Infrastrukturinvestitionen im Bereich
Transport, Energie und Digitalem. Durch diesen Ansatz können entwicklungshemmende
Strukturdefizite überwunden werden.
Allerdings zeigt die Entwicklungsforschung, dass diese Reformen nicht
ausreichen. Erfolgreiche Länder setzten auf eine vom Staat gesteuerte
Industriepolitik, die eine Diversifizierung der Wirtschaft zum Ziel hat. Eine
solche Industriepolitik wäre auch für die von Rohstoffexporten abhängigen
afrikanischen Staaten relevant.
Der Ansatz der EU-Kommission zieht nicht in Betracht, dass afrikanische
Unternehmen und Landwirte häufig mit starken Unternehmen auf dem Weltmarkt
konkurrieren müssen. In Bereichen wie Technologie, Innovation und Produktivität
liegen sie weit hinter Konkurrenten aus den USA, Europa oder China zurück.
Afrikanische Unternehmen sind laut Studien nur bei 15 – 35% aller Produkte
ähnlich wettbewerbsfähig wie ihre europäischen Konkurrenten (hier). Durch einen
verstärkten Freihandel drohen diese Unternehmen bankrott und die Arbeitsplätze
verloren zu gehen.
Der von der EU anvisierte Freihandel wird also kaum dazu beitragen, das
selbstgesteckte Ziel des Aufbaus von Produktionskapazitäten in Afrika zu
erreichen. Ganz im Gegenteil. Er droht selbst den letzten Rest industrieller
Kapazitäten zu zerstören.
Ungeachtet dessen werden die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs), also
die Freihandelsabkommen zwischen der EU und afrikanischen Staaten, in dem EU-Vorschlag
als erfolgreiches Projekt der bisherigen Zusammenarbeit gepriesen. Verschwiegen
wird, dass viele afrikanische Staaten EPAs ablehnen und diese nur unter großem
Druck der EU ratifiziert haben.
Doch auch der angestrebten Regionalkooperation innerhalb Afrikas fügen die
EPAs großen Schaden zu. Die Mitgliedsstaaten der afrikanischen
Regionalbündnisse wurden in den Verhandlungen gegeneinander ausgespielt und
Interim-EPAs mit einzelnen Staaten abgeschlossen. Damit werden regionale
Zollbündnisse gesprengt. Wenn etwa Ghana durch das Interim-EPA europäische
Güter zollfrei ins Land lässt, dann können diese Waren innerhalb der
westafrikanischen Zollunion auch zollfrei nach Nigeria weitergeleitet werden,
obwohl sich Nigeria gegen das EPA und den zollfreien Zugang europäischer
Produkte wehrt. Nigerias Bemühungen eine eigene Industrie aufzubauen, werden
dadurch zunichte gemacht.
Bemühungen, eine eigene Industrie
aufzubauen, werden dadurch zunichte gemacht.
Um Investitionen des Privatsektors und generell seine Entwicklung
voranzubringen, drängt die EU die afrikanischen Staaten dazu, eine „gerechte“
Wettbewerbspolitik zu verfolgen und für Transparenz beim geistigen Eigentum und
Investitionen zu sorgen. Diese Punkte werden von afrikanischer Seite jedoch
vehement abgelehnt. Schon bei den EPAs hat die EU versucht, einen (besseren)
Investitionsschutz und einen Schutz des geistigen Eigentums für europäische
Investoren durchzusetzen sowie den internationalen Wettbewerb zu stärken. Den
afrikanischen Staaten gelang es bisher, diese drei Themenfelder aus den EPAs
heraushalten. Das Argument, dass ausländische Investoren noch besser geschützt
und afrikanische Staaten bei Gesetzesänderungen verklagt werden könnten, dürfte
nicht unbegründet sein.
Rohstoffe –
freier Zugang für die EU
Bemerkenswert am EU-Vorschlag ist, wie unverblümt die EU ihr Interesse an
einem freien Zugang zu und der Förderung von Rohstoffvorkommen kundtut. So ist
die Rede von „fairen, nachhaltigen und unverzerrten („undistorted“) Zugang zu
den Rohstoffen, der die Souveränität der rohstoffreichen Länder vollständig
anerkennt“ (eigene Übersetzung, hier: S. 18).
Die Forderung ist ein Widerspruch in sich: Ein souveräner Staat könnte
selbst entscheiden, wie er seine Rohstoffvorkommen nutzen möchte und ob bzw.
wem er Zugang gewährt.
Dass die rohstoffpolitische Souveränität afrikanischer Staaten durch die
anvisierten Freihandelsabkommen einschränkt wird, macht die Sache nicht besser.
Die Abkommen erschweren es, Exportsteuern auf Rohstoffe zu erheben.
Exportsteuern können Exporte relativ zu der heimischen Nutzung der Rohstoffe zu
verteuern. Das kann in Kombination mit anderen Maßnahmen als Anreiz für
Investoren dienen, in den rohstoffreichen Ländern eine Rohstoffe
weiterverarbeitende Industrie aufzubauen. Doch die EU schränkt diese Option
durch ihre Handelspolitik aktiv ein.
Umso vager bleibt der Kommissionsentwurf bei der Menschenrechtsproblematik
im Bergbausektor Afrikas. Zwar wird der sozialen Verantwortung der Unternehmen
(Corporate Social Responsibility) eine wichtige Rolle zugestanden. Und anhand
internationaler Standards sollen Gesetze entwickelt oder erlassen werden, um
die Verantwortung der Unternehmen durchzusetzen. Ob aber mit diesen Versprechen
auch die Unterstützung eines verbindlichen UN-Vertrags gemeint ist, der
Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten würde, wird nicht
gesagt. Aufgrund der Blockadehaltung der EU in laufenden
Verhandlungen zu so einem Vertrag ist eine Unterstützung in den nächsten Jahren
äußerst unwahrscheinlich.
Quelle: https://makroskop.eu/2018/01/europas-interessen-zur-zukunft-der-eu-afrika-partnerschaft/?success=1
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