Dienstag, 23. Januar 2018

Für eine zeitgemäße Vernunft Für eine Verbreiterung der linken Basis.


Die Entscheidung der SPD für die Fortsetzung des großen Weiter-so und mithin für ihren Abgang in die historische Gerümpelkammer stellt uns vor die Zwangslage, dass in Deutschland auf absehbare Zeit keine Regierung mehr gegen die Schwarzen-Gelb-Blau-Grünen und Braunen möglich wird. Daraus haben wir Konsequenzen zu ziehen. Ein Weiter-so ist auch für die gesellschaftliche wie parteiliche Linke keine vernünftige Strategie mehr. Was heute vernünftig ist, lässt sich aber, wenn man will, schon ziemlich genau eingrenzen.

Nach dem Philosophen Immanuel Kant, der versuchte, im aufkommenden Kapitalismus Ethik neu zu bestimmen, können und müssen wir unsere Pflicht aus unserer Fähigkeit zur Vernunft ableiten. Pflicht und Tugend ließen sich durch einen logischen Mechanismus definieren, der allen Menschen gemeinsam sei. Der Menschenfreund Jean Jaques Rousseau hat den Glauben an die Allmacht der Vernunft in die ideale Form eines Gesellschaftsvertrags ("contrat social") gegossen.

Später, als wir auch diesen Glauben auf den Prüfstand der Wissenschaft stellten, fanden wir: Weder Vernunft noch Ethik sind allgemein menschliche Eigenschaften, sondern entstanden in Jahrtausende langer Evolution als Spaltprodukte der Klassengesellschaft(en). In Epochen, in denen Gesellschaftsklassen, aus materiellen Gründen, einander antagonistisch gegenüberstehen, ist Klassenversöhnung unvernünftig und Klassenkampf vernünftig.

Das haben sämtliche Sozialreformer immer hoch und heilig bestritten. Wer auf allgemein Menschliches schwört, muss implizit oder explizit die Klassenspaltung der Gesellschaft leugnen. Ein Interesse, den Wunderglauben allgemein menschlicher Vernunft aufrecht zu erhalten, haben jetzt nur noch die besitzenden und herrschenden Klassen (sowie deren reformistische Bauchredner).

Was die Lohnabhängigen, Prekarisierten und Milliarden Selbstversorger der Erde tatsächlich gemeinsam haben, ist die Klassenvernunft zur Durchsetzung einer nicht-marktbestimmten, solidarischen Wirtschafts- und Lebensweise von unten. Also die praktische Lösung der Eigentumsfrage: Commons plus Ökologie plus Aneignung digitaler Technologie.

Die solidarische Gesellschaft müssen wir nicht völlig neu erfinden, es existieren viele gute und mutige Ansätze. In den aktuellen Krisen zeigt sich, dass die Menschen besonders in den Krisenländern ihre eigenen vernünftigen Alternativen suchen und finden. Weltweit, besonders in Südamerika und Südeuropa, beginnen Städte und ganze Regionen sich gegen imperiale Verwertung und neoliberale Bevormundung zu stellen. In selbstorganisierten Basisbewegungen, zum Teil mit mutigen Politiker-innen an der Spitze unternehmen sie erste Schritte, sich selbst zu regieren.

Vielleicht stößt die von Oskar L. und Sahra W. aufgegriffene Idee einer Sammlungsbewegung in Form einer neuen linken "Volkspartei" diese Tür auch bei uns weiter auf? Natürlich provoziert sie einen Aufschrei nicht nur der neoliberalen Gralshüter, sondern auch aller Dogmatiker und Reformist-innen auf der Linken. Sie könnte aber der zeitgemäßen Klassenvernunft der Beherrschten eine breitere Basis schaffen.

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