Vortrag für die LINKE-Dortmund Hörde
Wer als Dortmunder Bürger/in mit einem
Durchschnittseinkommen heute eine Wohnung sucht, hat mindestens zwei dicke
Probleme.
Das kleinere von
beiden – aber für viele schon kaum lösbar – ist, dass die neue Wohnung – sofern
er/sie denn eine gefunden hat – im Regelfall deutlich teurer wird als die
bisherige.
In den letzten acht Jahren zogen die „Angebotsmieten“ (so
nennen Experten die Nettokaltmiete bei Neu- oder Wiedervermietung) zum Beispiel
im Dortmunder Stadtbezirk Hörde jährlich um 5,7% an -- sogar stärker als in ganz Dortmund um jährlich 4,1%, und somit siebenmal so stark wie die Verbraucherpreise stiegen
(0,8% p.a.).
Das hat zur Folge, dass die Mietbelastung des
durchschnittlichen Haushaltseinkommens der Dortmunder-innen in etwas mehr als
einem Jahrzehnt von 27% auf 34% zunahm (nur durch die Nettokaltmiete, hinzu
noch die Nebenkosten, die noch schneller explodierten).
Das hat weiter zur Folge, dass inzwischen vier von zehn
Dortmunder-innen -- also fast die Hälfte der Bevölkerung -- Anspruch auf einen
„Wohnberechtigungsschein“ für eine Sozialwohnung hätten.
Jedoch ein solcher Schein hilft den meisten Wohnungsuchenden
überhaupt nicht weiter. Denn das viel größere Problem ist inzwischen, in Dortmund
überhaupt eine Wohnung zu finden, die ein Normalverdiener bezahlen kann.
Dortmund leidet akuten Mangel an Wohnraum im unteren
Preisbereich. Der Mangel hat Ursachen.
1.
Dortmunds Einwohnerzahl wächst wieder. Und zwar
um zuletzt 4.600 Neubürger in einem Jahr. Heute leben hier 25.000 mehr Menschen
als 2009.
Die Stadtregierung bejubelt das als einen Erfolg ihrer
Wirtschaftsförderung. (Dazu unten mehr.) Aber es ziehen nicht nur Leute mit
hoher Mietleistungskraft her, sondern noch mehr „arme Schlucker“, etwa aus dem
Osten und Südosten des Kontinents im Rahmen der EU-Freizügigkeit oder als
schutzsuchende Flüchtlinge aus aller Welt.
2.
Der Wohnungsbau hält mit diesem verstärkten
Andrang besonders im unteren Preissegment nicht Schritt.
Im vorigen Jahr wurden in Dortmund zwar über 1.000 neue
Wohnungen genehmigt, aber darunter nur 274 Sozialwohnungen. Zum Beispiel sind am
Phoenixsee in Hörde von 1.200 neuen Wohneinheiten nur 90 öffentlich gefördert
und damit sozialgebunden.
3.
Der Bestand an vorhandenen Sozialwohnungen geht
seit vielen Jahren kontinuierlich zurück.
Und das nicht etwa durch Abriss oder Nutzungsänderung,
sondern weil nach der Tilgung der öffentlichen Darlehen die Mietpreis- und
Belegungsbindung wegfällt.
In Dortmund gab es Ende 2016 für mehr als 125.000 Haushalte
mit „Wohnberechtigung“ nur noch knapp 20.000 sozialgebundene Mietwohnungen.
Allein in 2016 lief für weitere 2.200 ehemals geförderte Wohnungen die
Sozialbindung aus. Im gleichen Jahr 2016, als 274 neue Sozialwohnungen
genehmigt wurden, gingen also achtmal so viele verloren.
Das führt dazu, dass Jahr für Jahr mehr Wohnungsuchende beim
Dortmunder Wohnungsamt auf der Warteliste stehen. Ende 2016 waren es mehr als
1.600; hinzu kommen 1.500 Asylbewerber und „UmF“ (unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge), die noch in Sammelunterkünften leben müssen und ebenfalls auf
eine eigene Wohnung warten; zusammen also 3.100 Bewerber um ganze 274 Wohnungen
= das heißt neun von zehn „Wohnberechtigten“ haben keine für sie bezahlbare
Wohnung gefunden.
Das ist eine völlig verrückte Entwicklung. Aber keine
unglückliche Ausnahmesituation eines ansonsten guten Systems, sondern es ist
von vorn herein im System des Sozialen Wohnungsbaus so verrückt angelegt und
politisch gewollt:
-
Der SWB fördert nämlich nicht bedürftige Mieter,
sondern er fördert die Vermieter, die Kapitalanleger am privaten Wohnungsmarkt.
Indem der Staat einem Investor ein zinsvergünstigtes
Darlehen gibt, verpflichtet sich dieser, die geförderten Wohnungen mit einer
bestimmten Mietobergrenze nur an Haushalte mit WBS zu vermieten – aber nur bis
das öffentliche Darlehen vollständig getilgt ist, also etwa nach 25 Jahren kann
er dann die Wohnungen frei für jeden Preis vermieten, den der Markt hergibt.
Neuerdings bietet der Staat neben den günstigen Darlehen auch noch
Tilgungsnachlässe an, womit die Laufzeit der Sozialbindung sich noch weiter
verkürzt.
-
Gewollt ist aber nicht nur diese systematische
Fehlkonstruktion des öffentlich geförderten Geschäfts mit der Wohnungsnot,
sondern gewollt ist auch eine „marktkonforme“ Politik, die das zunehmende
Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage noch verschärft:
Warum wachsen manche Städte und Regionen, während andere
schrumpfen? Die meisten Stadtsoziologen und –ökonomen sind sich über den
Hauptgrund einig: Die Menschen ziehen den Jobs hinterher. Und Jobs gibt es dort
wo Kapital sich konzentriert. Kapitalistisch verfasste Märkte haben die
Eigenschaft, Investitionen da zu vermehren, wo schon ähnliche Unternehmen und
zugehörige Lieferketten vorhanden sind, die Wissenschaft nennt das
„Clusterbildung“.
Die Dortmunder Wirtschaftsförderung hat das vor 20 Jahren
erkannt und gezielte Hilfen für Hitech- und Logistik-Cluster zu ihrem obersten
Prinzip erhoben. Die Rechnung ist aufgegangen, wie der Zuzug von Unternehmen
und vielen Fachkräften in diese Cluster zeigt.
Was Märkte aber nicht leisten, ist, die Folgen der
Kapitalkonzentration sozial abzufedern. Diese Folgen sind nicht alle positiv,
sondern zum Teil prekär bis katastrophal. In den stagnierenden oder
schrumpfenden Regionen, aus denen Kapital und Arbeitsplätze abwandern, sinkt
die Lebensqualität – aber sie sinkt auch in den wachsenden Städten und
Stadtteilen, die an Verkehrs- und Umweltbelastungen ersticken, Bauland wird
teuer und vernichtet Freiflächen, Wohnungen werden knapp, die Mieten
explodieren, kurz: die Lebensqualität sinkt.
Die genannten Zahlen zeigen uns, wie der Markt versagt. Wohnungen
werden gebaut, aber nur um gut qualifizierte Fachleute anzulocken, für diese
entstehen viele hundert Wohnungen in besten Lagen – unterversorgt hingegen
bleibt die große Masse derer, die in den Kapital-Clustern keine Verwendung finden.
Da müsste dann die Stadt- und Regionalpolitik eingreifen und
gegensteuern.
Jedoch ein Politikverständnis, das die ganze Welt nur noch
als Markt versteht und folglich auch die Städte und Regionen selbst in den
„Standortwettbewerb“ gegeneinander hetzt, eine solche Ideologie ist zu einer
sozialen Wohnungsbaupolitik nicht mehr fähig oder hat sich davon bewußt verabschiedet.
Da kommt dann so ein Phoenixsee in Hörde heraus mit 1.100 frei-finanzierten und
nur 90 Sozialwohnungen.
Was ist dagegen zu tun? Was fordern wir? Welche
Möglichkeiten haben wir, um die Wohnungspolitik in Dortmund sozialer zu machen?
1.
Die 25%-Regelung
1994 beschloss der Stadtrat, dass in Neubaugebieten
Investoren 25% des Baulands an die Stadt abgeben müssen. 2014 wurde diese
Regelung (von der LINKEN im Stadtrat energisch unterstützt) so erweitert, dass
die Bauherren in neuen Baugebieten 25% der Wohneinheiten als Sozialwohnungen
planen sollen. Das ist ein richtiger Schritt, um die Freiheit der
Kapitalverwertung etwas zu begrenzen. Aber in der Praxis wird die Regel allzu
oft umgangen und ausgehebelt, und wie die aktuellen Zahlen beweisen, reicht sie
bei weitem nicht aus, um den Mangel an Sozialwohnungen zu überwinden. Da muss
mehr geschehen.
2.
Die Stadt muss mehr günstige Wohnbauflächen
aktivieren.
Im gesamten Stadtgebiet ist in Bebauungsplänen, Baulücken
oder durch Nachverdichtung noch Bauland für ca. 7.700 Wohneinheiten ausgewiesen,
die binnen zwei Jahren erstellt werden könnten. Aber diese Flächen sind sehr
ungleichmäßig über die Stadt verteilt. Im Stadtbezirk Hörde kommen auf längere
Sicht Grundstücke für ca. 1.900 WE in Frage (1.200 in B-Plänen, 100 in
Baulücken und 600 im F-Plan), allerdings sind nur noch zwei größere Flächen sofort
verfügbar. Unsere Fraktion in der Hörder Bezirksvertretung macht jetzt Druck,
diese Flächen, die seit Jahren vor sich hin schlummern, endlich mit Vorrang zu
entwickeln. Es werden nämlich in den nächsten vier Jahren weitere 200
Sozialwohnungen im Stadtbezirk wegfallen.
Ohne stellenweise Umwidmung bestimmter Freiflächen in
Wohnbauland wird es also nicht mehr lange abgehen. Uns ist sehr wohl bewusst,
dass wir damit ein ökologisches Tabu verletzen, denn natürlich braucht Dortmund
auch dringend seine „grünen Lungen“. – Aber solange wir die markthörige
Wirtschaftsförderung und die dazu passende Wohnungspolitik dulden, gibt es auf
die Schnelle keinen anderen Ausweg.
3.
Die Stadt muss wieder selbst Wohnungen bauen.
Wie wir in der Nachkriegszeit lernten, ist auch
katastrophaler Wohnungsmangel zu überwinden, wenn die öffentliche Hand den
Wohnungsbau nicht nur dem Markt überlässt, sondern selbst als Bauherr auftritt.
Unter den aktuellen Bedingungen, da die Kapitalzinsen so niedrig sind, dass
vergünstigte öffentliche Darlehen für private Investoren nicht mehr lukrativ
genug sind, um dafür Mietobergrenzen in Kauf zu nehmen, wird es wieder
unumgänglich, dass die Stadt selbst baut.
Seit drei, vier Jahren hat das auch die Dortmunder
Stadtspitze erkannt, was wir schon lange fordern, und hat – vorerst für 330 WE
in fünf Baugebieten – einen Weg gefunden, über ein städtisches Sondervermögen
tätig zu werden. Unsere Ratsfraktion erkundet jetzt, wie dies Modell verbessert
und erweitert werden kann.
4.
Wir müssen die Landes- und Bundespolitik in die
Pflicht nehmen.
Die vor-vorige Landesregierung NRW (CDU/FDP) hat die
Gemeindeordnung so verändert, dass den Kommunen fast jede wirtschaftliche
Betätigung untersagt werden kann. Die Städte und Gemeinden müssen darauf
dringen, dass die jetzige CDU-FDP-Regierung das nicht benutzt, um den
kommunalen Wohnungsbau noch weiter einzuschränken.
Gemeinsam mit unserer Bundestagsfraktion fordern wir
außerdem,
- - die sogen. „Mietpreisbremse“, die sich als pure
Augenwischerei blamiert hat, so umzubauen und zu verallgemeinern, dass sie
wirklich funktioniert.
- - Wohnungsbaugenossenschaften müssen gegenüber
privaten Kapitalunternehmen rechtlich gestärkt und bevorzugt werden. Auch dazu hat
unsere Bundestagsfraktion konkrete Vorschläge gemacht.
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