Die Zockerei der Dortmunder
„Amigo-Connection“ (DER SPIEGEL) kennt keine Grenzen der Vernunft mehr
Dass der einst blühende Industriestandort Dortmund im
reichen Deutschland sich in ein Armenhaus verwandelte, verdankt er nicht
zuletzt dem Eigennutz seiner Stadtspitze. Seit Jahrzehnten steckt die hiesige
SPD mit dem privaten Energiemulti RWE unter einer Decke und hat an ihn Hunderte
Millionen Euros zu Lasten der Dortmunder Strom- und Gaskunden und des Stadthaushalts
verschoben. Erst vor wenigen Wochen hat sie über 100 Millionen € für das
RWE-Kohlekraftwerk GEKKO in den Sand gesetzt, Totalverlust.
Was gelernt? Nicht die Bohne, jetzt wollen der OB Sierau und
sein Stadtwerke-Chef Pehlke bis zu 200 Millionen € neue Schulden machen, um mit
Aktien der neuen RWE-Tochter „RWE International SE“ zu spekulieren. – Sierau
sitzt im Aufsichtsrat des Mutterkonzerns RWE AG, Pehlke bei der STEAG, einem
weiteren Energieriesen.
Das ist der reine Wahnsinn, und zwar aus mehreren Gründen:
So wie RWE mit drei, vier anderen Großkonzernen sich den deutschen
Markt für konventionelle Energieerzeugung aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken aufgeteilt
hat, so will RWE jetzt mit der neuen Tochter eine marktbeherrschende Stellung
bei den Erneuerbaren Energien aufbauen. Die meisten konzern-unabhängigen
Fachleute sind sich einig, dass die Energiewende nur über dezentrale Erzeugung
vor Ort gelingen kann. Doch im frontalen
Gegensatz dazu setzt RWE unbelehrbar weiter auf Marktbeherrschung durch Großtechnologien:
So sollen die riesigen Offshore-Windparks, an denen RWE in der Nordsee und vor
Wales beteiligt ist, nach 2017 über 1,5 Millionen Haushalte mit Strom beliefern.
Diese Megatechnik hat aber zwei entscheidende Nachteile:
-
Zum einen braucht sie neue Starkstromtrassen von
der Nordsee bis nach Bayern, die für die Stromkunden erheblich teurer kommen
als dezentrale Anlagen in Verbrauchsnähe,
-
Zum anderen bleiben die Menschen weiter im Status
passiver Verbraucher an die Gewinnerwartungen von Aktionären gefesselt, statt
ihre Energieversorgung selbst planen und kalkulieren zu können.
In einem Komplott zwischen Bundesregierung (Wirtschaftsminister
Gabriel, SPD), Landesregierung NRW (Hannelore Kraft, Garrelt Duin, beide SPD)
und der IG-BCE-Führung haben RWE und die anderen Multis die Energiewende
ausgebremst und beinahe schon abgewürgt. Von der jetzt beschlossenen „Reform“
des EEG profitieren RWE und E.ON am meisten, zu Lasten der preisgünstigeren kleinen
Regenerativ-Erzeuger – und damit auch zu Lasten der Stromkunden. Die Dortmunder
Stadtspitze macht sich zur Komplizin dieses Komplotts, wenn sie RWE dafür Aktien
abkauft.
Damit RWE-alt überhaupt bis 2040 oder gar 2050 weiter Kohlestrom
produzieren kann, wie von der Bundesregierung jetzt geplant, muss der Mutterkonzern unabdingbar aus der
Verlustzone kommen und seine immense, immer weiter ansteigende Schuldenlast reduzieren.
Das wird im konventionellen Sektor aber immer schwieriger: Die Großhandelspreise
am Strommarkt sind im Keller und sinken weiter infolge der europaweiten Überkapazitäten.
Das verrückte ist, dass dafür vor allem die Großanlagen der Oligopole selbst
sorgen und nicht etwa die Erneuerbaren Energien, wie die Konzernlobbyisten immer
schreien.
Folglich sollen die von der neuen RWE-Tochter erwarteten
Gewinne zum Verlustausgleich bei der Mutter dienen und zu 90 % an diese abfließen.
Die Dortmunder-innen würden also RWE-alt indirekt dabei helfen, noch auf
Jahrzehnte hinaus unrentable und äußerst umweltschädliche Braunkohlekraftwerke
und -Tagebaue in Betrieb zu halten.
Nicht nur das – über den Aktiendeal würden die
Dortmunder-innen dem RWE-Konzern auch noch den Ausstieg aus dem Atomgeschäft
finanzieren, denn für Abbau und Verschrottung seiner Reaktoren muss RWE-alt
noch Milliarden locker machen.
Dass die alte RWE noch einmal Dividende ausschüttet, ist
eher unwahrscheinlich. Soeben hat Moody’s das Rating der RWE AG auf eine Stufe
über Ramschniveau gesenkt (Baa3), so dass sich die Refinanzierung weiter
verteuert.
Ob die angekündigte Ausschüttung der Tochter RWE
International SE ausreichen wird, um einen Kredit für den Aktienkauf zu
bedienen, steht heute in den Sternen. Selbst bei den derzeit äußerst günstigen
Kreditkonditionen könnte sich für die Dortmunder Stadtwerke und die Stadtkasse ein
negativer Saldo ergeben, sobald die EZB ihre Nullzins-Politik aufgibt.
Mal ganz abgesehen von all dem kann es doch nicht Aufgabe
eines städtischen Versorgungsunternehmens sein, mit Aktien privater
Großspekulanten zu zocken – und sich dafür auch noch am Finanzmarkt zu
verschulden. Über so eine Perversion der öffentlichen Daseinsvorsorge denken verantwortliche
sozialdemokratische Politiker und Stadträte anscheinend gar nicht mehr nach, so
haben sie die Zockermentalität des Neoliberalismus selbst schon verinnerlicht.
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