Mittwoch, 26. Juni 2013

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Dortmund und RWE - ein Fall für LobbyControl

Dass der multinationale Atom- und Kohle-Konzern RWE die Energiewende mit allen Mitteln hintertreibt, bis hin zu Schadenersatzklagen gegen die Bundesrepublik Deutschland um entgangene Gewinne, ist bekannt. Neu hingegen ist die Feststellung dreier unabhängiger Gutachter, wonach RWE auch vor Ort, als Anteilseigner der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW21 GmbH, RWE-Anteil 47 %) die ökologische Wende ausbremst. (Das hatten wir LINKEN und das Bündnis "DEW kommunal" schon lange kritisiert, aber die RWE-Lobbyisten in SPD, Verdi und DEW-Betriebsrat immer abgestritten.) Anlass der Gutachten war die aktuell anstehende Entscheidung, ob der städtische Versorger nach 2014 weiter unter maßgeblichem Einfluß von RWE bleibt oder ganz ins Eigentum der Stadtwerke übergeht. (Dann läuft der Gesellschaftsvertrag mit RWE aus, und es müsste ein neuer geschlossen werden - oder eben nicht!)
An dieser Entscheidung dürfte OB Ullrich Sierau eigentlich nicht mitwirken. Denn als Mitglied des RWE-Aufsichtsrats ist er laut Aktiengesetz dem Unternehmenswohl verpflichtet, also in einem Interessenkonflikt befangen zwischen RWE und dem (gegensätzlichen) Interesse der Stadt Dortmund. Statt jedoch, wie der Regierungspräsident in einem Rechtshinweis vorgab, sich in den Beratungen des Stadtrats zurückzuhalten, greift Sierau massiv in die Debatte ein, und zwar zugunsten von RWE: Als im Anschluß an die Gutachten ein Vertreter der LINKEN im Rat auf massiven Personalabbau sowie aktuelle Ertrags- und Schuldenprobleme von RWE hinwies, stritt Sierau das alles rundweg ab und steigerte sich in persönliche Angriffe auf die "Glaubwürdigkeit" des LINKEN.
Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, auf welcher Seite die Wahrheit liegt: Bei RWE "...geht es nun darum, das Schrumpfen zu organisieren. Weltweit sollen 10.400 der rund 70.000 Arbeitsplätze wegfallen,“ schrieb die
WAZ am 04.02.13. 
„Als viel zu hoch hatte RWE-Chef Peter Terium die Verschuldung des Konzerns bezeichnet. Der Versorger bemüht sich um den Verkauf von Firmenteilen und will auch an Investitionen sparen.“ (WAZ vom 05.03.2013)
 Der Aktienkurs von RWE fiel seit 2008 von knapp 100 € auf unter 30 €; allein seit September 2012 von 36 € auf 26 €; damit einher ging der Verfall der Dividende von 4,50 € auf 2 €. Damit verfiel der Wert des Dortmunder Bestands an RWE-Aktien in fünf Jahren von ca. 2 Mrd.€ auf unter 600 Mio.€, Dortmunds Dividendeneinnahmen darauf halbierten sich von 90 auf 45 Mio.€ im Jahr.
RWE-Quartalsbericht für das 1. Quartal 2013: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) geht gegenüber dem Vorjahr zurück, das nachhaltige Nettoergebnis sank schon 2012, „Einbußen in der konventionellen Stromerzeugung werden das gesamte Geschäftsjahr 2013 prägen.“ Und im Geschäftsbericht 2012 heißt es: „Nach 2013 wird es kaum möglich sein, das Ergebnisniveau zu halten.“
Da drängt sich die Frage auf, wielange Sierau und die Dortmunder SPD noch Orchester auf der Titanic spielen wollen.
Das trifft auch andere Dortmunder SPD-Größen. Ihr Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Ernst Prüsse sitzt ebenfalls in Aufsichtsräten des RWE-Konzerns, scheut sich aber nicht, laut für die Weiterbeteiligung von RWE an DEW21 zu trommeln, und verstößt damit ebenso gegen seine Pflichten als Stadtrat. Prüsse erklärte, er fühle sich „als gewähltes Ratsmitglied“ nicht an das Votum seines Parteivorstands gebunden. Dieser hatte verlangt, die Ergebnisse der Gutachten öffentlich zu machen. Und in einem früheren Beschluß hatte der SPD-Unterbezirk die vollständige Rekommunalisierung der DEW befürwortet. Als langjähriger Mitarbeiter der VEW, die 1999 von RWE geschluckt wurde, lebt Prüsse seit 2000 im von RWE versüßten Vorruhestand. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Franz-Josef Drabig, den 1999 auf dem Weg an die Stadtspitze eine dubiose Rotlichtaffäre stoppte, wurde mit einem Job als Leitender Angestellter einer RWE-Tochter in Dortmund "entschädigt".
Zur RWE-Lobby gehören auch Dortmunder CDU-Größen: Ulrich Monegel, Chef der CDU-Ratsfraktion, erbte von seinem Vorgänger Hengstenberg ein Aufsichtsratsmandat der KEB Holding und
und bezieht zudem ein nettes Taschengeld vom Aufsichtsrat der RWE Effizienz GmbH. Auch in den Tochtergesellschaften von RWE sind Aufsichtsratsvergütungen von 50 bis 100.000 Euro üblich.
Das ganze läuft weiter hinter verschlossenen Türen ab. Die Nachfrage des Arnsberger Regierungspräsidenten, warum bei so einer wichtigen Entscheidung für das Wohl der Stadt die Bürger nicht informiert werden und nicht mitreden dürfen, war angeblich bei der Dortmunder Stadtverwaltung "nicht angekommen". (Hat die Brieftaube sich verflogen?) Daraufhin setzte der Regierungspräsident der Stadt eine neue Erklärungsfrist bis Ende Juni. Solange die noch läuft, kann die RWE-Lobby ihre Hinterzimmerkungelei in aller Seelenruhe fortsetzen.

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