Angeblich sollte schon binnen zwei Jahren nach dem
Leave-Votum die englische Wirtschaft zwischen 3,6 und 6 Prozent einbrechen und
die Arbeitslosigkeit um bis zu 820.000 ansteigen. Tatsächlich ist das Gegenteil
eingetreten: Ende 2017 lag das britische BIP um 3,2 Prozent über dem Niveau zum
Zeitpunkt der Brexit-Abstimmung, die Zahl der Arbeitslosen ging von Juni 2016
bis Januar 2018 um 187.000 zurück, die Arbeitslosenquote sank von 4,9 Prozent
auf 4,3 Prozent und die Zahl derjenigen, die weder arbeiten noch einen Job
suchen, ist auf den niedrigsten Wert seit fast fünfeinhalb Jahren gesunken.
Besonders peinlich für die Schwarzmaler sind die Daten über
die Entwicklung der britischen Industrie in den letzten zwei Jahren: Trotz der
Unsicherheit durch die Verhandlungen mit der EU „verzeichnet das verarbeitende Gewerbe das stärkste Wachstum seit Ende
der 90er Jahre", so The Economist und der britische Industrieverband
EEF. Der GUARDIAN schrieb: „Das
Brexit-Armageddon war eine schreckliche Vision - aber es ist einfach nicht
eingetreten.“
Eine Studie des Centre for Business Research der Universität
Cambridge (CBR) kommt zu dem Schluss: „Die
wirtschaftlichen Aussichten sind eher grau als schwarz, und das wäre unserer
Meinung nach mit oder ohne Brexit der Fall. Der Grund dafür ist vielmehr die
Fortsetzung des langsamen Produktions- und Produktivitätswachstums, das
Großbritannien und andere westliche Volkswirtschaften seit der Bankenkrise
geprägt hat. Das langsame Wachstum der Bankkredite, verschärft durch die
Sparmaßnahmen des öffentlichen Sektors, verhindern ein Wachstum der
Gesamtnachfrage über das Schneckentempo hinaus."
Noch bedenklicher ist eine weitere neue Studie der Uni
Cambridge. Danach wuchs das Pro-Kopf-BIP nach dem EU-Beitritt Großbritanniens
(1973) deutlich langsamer als vor dem Beitritt. Die viel gepriesene Errichtung
des Binnenmarktes im Jahr 1992 habe nichts verbessert – weder für das Vereinigte
Königreich noch für die EU insgesamt.
Gleiches gilt für den Anteil der britischen Ausfuhren in die
EU und EWU, der seit der Schaffung des Binnenmarkts stagniert und seit Anfang
der 2000er Jahre rückläufig ist (Rückkehr auf das Niveau Mitte der 1970er Jahre).
Wobei die Exportmärkte außerhalb der EU wesentlich schneller
wachsen als die der EU und der Eurozone. Zahlen des IWF ergeben: Während die
weltweiten Exporte sich seit 1991 verfünffacht haben und die Exporte aller
Industrieländer um das 3,91-fache zulegten, stiegen die Exporte der EU nur um
das 3,7-fache und die der EWU nur um das 3,4-fache.
Mitchell und Fazi kommentieren: "Wir schaudern vor der Vorstellung, was
zukünftige Historiker von solchen Verirrungen wie der Kampagne für den
Binnenmarkt halten werden (die auch von Yanis Varoufakis unterstützt wird),
wenn selbst Mainstream-Ökonomen wie Dani Rodrik ausdrücklich sagen, dass die
Handelsliberalisierung 'mehr Probleme verursacht, als sie löst'."
Da muss man sich fragen, warum und wie auch unter Linken die Meinung Fuß fassen konnte, die "Globalisierung" lasse uns keine andere
Wahl, als auf nationale Wirtschaftsstrategien zu verzichten und stattdessen auf
transnationale oder supranationale Institutionen zu hoffen.
(Worauf dieser Irrtum beruht, soll ein weiterer Beitrag erklären.)
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