Donnerstag, 16. Februar 2017

„Bertelsmannisierung“ der kommunalen Finanzpolitik – Das „Neue Kommunale Finanzmanagement“ (NKF)

Seminar der Ratsfraktion DieLINKE&Piraten Dortmund zur Einführung ins kommunale Haushaltsrecht - 1. Folge

Warum „Bertelsmannisierung“: Die Bertelsmann-Stiftung ist bekannt als einer der einflußreichsten Thinktanks neoliberaler Politik in Deutschland. Sie geht seit Jahrzehnten beratend in bundesdeutschen Staatskanzleien und Rathäusern ein und aus.

Der oberste Hüter der Stadtfinanzen heißt in Dortmund noch „Stadtkämmerer“. Doch sein täglicher Job basiert nicht mehr auf der „Kameralistik“, einem jahrhundertealten System staatlicher Finanzverwaltung, das noch in der feudalen Territorialhoheit wurzelte, sondern jetzt auf einem „Neuen Kommunalen Finanzmanagement“.

Kurz nach der Wiedereingliederung der ostdeutschen Kommunen in die „Marktwirtschaft“, in den letzten Jahren des vergangenen Jahrtausends, nutzten die Bertelsmänner und andere Neoliberale die Gunst der Stunde und schlugen den Länderregierungen vor, auch die Gemeindefinanzen enger in die Vermarktung öffentlicher Ressourcen einzubinden.

Ökonomisch erfüllen die Städte seit alters her eine doppelte Funktion, die für die kapitalistische Wirtschaftsweise konstitutiv war und heute noch ist:

-       Zum einen wetteifern die Städte darin, den Unternehmen günstige Rahmenbedingungen zu bieten: ausreichend viele und angemessen qualifizierte Arbeitskräfte, geringe Grundstücks- und Baukosten, niedrige Steuern und Abgaben, optimale Verkehrsverbindungen und sonstige Infrastruktur. Zur Bereitstellung der Arbeitskräfte gehört auch die soziale Versorgung sowie die Moderation von Interessenkonflikten zwischen Kapital und Arbeit auf der lokalen Ebene.

-       Zum zweiten sind die Städte – auch heute noch – als Absatzmärkte der Unternehmen unentbehrlich. Jeder Einwohner Dortmunds verfügt durchschnittlich über ein Nettoeinkommen von ca. 17.000 €/p.a. - das sind in summa rund 10 Mrd €, die großenteils am Ort selbst als Kaufkraft für Konsumgüter auftreten. Darüber hinaus wirft der Kommunalhaushalt direkt oder auf Umwegen – einschließlich aller Neben-, Schatten- und Beteiligungshaushalten – noch eine halb so große Summe als öffentliche Nachfrage auf den Markt (pro Kopf der Bevölkerung etwa 9.000 €/p.a.). Und meistens fließen diese Finanzströme auch noch über Banken und andere Vermittlungsagenturen.

In den letzten 30, 40 Jahren hat das neoliberale Politikkonzept die Funktion der Stadt als Dienstleister der Privatwirtschaft enorm gesteigert. Vorher, in der Nachkriegsperiode des „rheinischen Kapitalismus“ bestand der gesellschaftliche Auftrag der Gemeinden vor allem darin, eine einigermaßen sozialverträgliche Verteilung der Produktionsergebnisse zu gewährleisten. – Jetzt verlangt die Wirtschaft von der Kommunalpolitik eine aktive Mitwirkung am Wirtschaftswachstum, d.h. vor allem an der Expansion der Exportwirtschaft und der globalen Finanzplayer. Der Stadtkämmerer wird selbst zum Zocker an den Finanzmärkten.

Damit geraten die Städte viel stärker in den Sog der Marktbewegungen. Es geht nicht mehr nur um Arbeitskraft und Kaufkraft der Stadtbewohner und die Nachfragewirkung des Verwaltungshandelns, sondern die öffentlichen Leistungen, Einrichtungen und Vermögenswerte werden selbst zur Beute von Investoren.

-       Die klassische Form der Privatisierung kommunalen Vermögens ist die Kreditaufnahme bei Privatbanken. Die Verschuldung der Gemeinden am Kapitalmarkt hat zum Teil existenzgefährdende Ausmaße angenommen.

-       Besonders nach dem Untergang der „realsozialistischen“ Systemalternative beschleunigte sich die Auslagerung öffentlicher Einrichtungen bis hin zum Verkauf an Private.

-       Die direkte Beteiligung privater Investoren am städtischen Betriebsvermögen, die sog. „öffentlich-private Partnerschaft“ (ppp) wurde zur typischen Erscheinung der neuen Epoche.

Allen diesen Ansprüchen der entfesselten Marktkräfte genügte das alte kamerale Rechnungswesen kaum noch. Stattdessen schlug die Bertelsmann-Stiftung vor, die Städte aufs engste mit den Märkten zu verzahnen, indem sie sich auch intern in ihren Finanzabläufen nach betriebswirtschaftlichen Mustern richten. Das Gemeinwesen (="Kommune") mutierte zum Dienstleistungsunternehmen (OB Langemeyer führte die amtliche Bezeichnung „Konzern Stadt Dortmund“ ein), Politik mutierte zum „Standortwettbewerb“, Politiker und Verwaltungsbeamte zu Konzernmanagern, die erstmals in der Menschheitsgeschichte ihre Erfolge und Misserfolge nicht mehr nach sozialen, moralischen, ethischen Maßstäben bewerten, sondern nach Aufwand und Ertrag.

Das sogen. "Neue Kommunale Finanzmanagement" (NKF) hilft ihnen dabei, laufend zu kontrollieren, über welche Vermögenswerte sie verfügen, die sie am Markt verwerten können. Aber wohlgemerkt: Das NKF ist nur ein Hilfsmittel, um das neoliberale Politikkonzept auf der kommunalen Ebene effektiver umzusetzen.

Das NKF wurde ab 1994 vorbereitet, 2005 vom Landtag NRW als Gesetz beschlossen, ab 2009 für die NRW-Kommunen Pflicht (vorher freiwillig).

Nicht zufällig war Dortmund die erste Stadt in NRW, die das neue Verfahren 2006 einführte. Der damalige OB Langemeyer verstand die Stadt ausdrücklich als Dienstleister für die Wirtschaft und als „location“ für eine Eventkultur, die soziale Gegensätze ignoriert. Die Stadtsoziologen Häußermann und Siebel prägten dafür den Begriff „Festivalisierung der Stadt“.

Langemeyer bediente sich einprägsamer Parolen, die die neoliberale Denke auf den Punkt bringen: „Strukturwandel“ (von der Industrie- zur Dienstleistungs“metropole“) – „Hinein in den Wettbewerb der Metropolregionen“ – „Den Anderen die Hacken zeigen“ – „Im Standortwettbewerb entscheiden Alleinstellungsmerkmale“ – „Die Stärken stärken, denn die Starken ziehen die Schwächeren nach“ – „Wirtschaftsförderung ist die beste Sozialpolitik.“

(Fortsetzung folgt in Kürze)

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