Seminar der
Ratsfraktion DieLINKE&Piraten Dortmund zur Einführung ins kommunale
Haushaltsrecht - 1. Folge
Warum „Bertelsmannisierung“: Die Bertelsmann-Stiftung ist
bekannt als einer der einflußreichsten Thinktanks neoliberaler Politik in
Deutschland. Sie geht seit Jahrzehnten beratend in bundesdeutschen Staatskanzleien
und Rathäusern ein und aus.
Der oberste Hüter der Stadtfinanzen heißt in Dortmund noch
„Stadtkämmerer“. Doch sein täglicher Job basiert nicht mehr auf der
„Kameralistik“, einem jahrhundertealten System staatlicher Finanzverwaltung, das
noch in der feudalen Territorialhoheit wurzelte, sondern jetzt auf einem „Neuen
Kommunalen Finanzmanagement“.
Kurz nach der Wiedereingliederung der ostdeutschen Kommunen
in die „Marktwirtschaft“, in den letzten Jahren des vergangenen Jahrtausends, nutzten
die Bertelsmänner und andere Neoliberale die Gunst der Stunde und schlugen den
Länderregierungen vor, auch die Gemeindefinanzen enger in die Vermarktung öffentlicher
Ressourcen einzubinden.
Ökonomisch erfüllen die Städte seit alters her eine doppelte Funktion,
die für die kapitalistische Wirtschaftsweise konstitutiv war und heute noch ist:
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Zum einen wetteifern die Städte darin, den Unternehmen
günstige Rahmenbedingungen zu bieten: ausreichend viele und angemessen qualifizierte
Arbeitskräfte, geringe Grundstücks- und Baukosten, niedrige Steuern und
Abgaben, optimale Verkehrsverbindungen und sonstige Infrastruktur. Zur
Bereitstellung der Arbeitskräfte gehört auch die soziale Versorgung sowie die
Moderation von Interessenkonflikten zwischen Kapital und Arbeit auf der lokalen
Ebene.
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Zum zweiten sind die Städte – auch heute noch –
als Absatzmärkte der Unternehmen unentbehrlich. Jeder Einwohner Dortmunds verfügt
durchschnittlich über ein Nettoeinkommen von ca. 17.000 €/p.a. - das sind in
summa rund 10 Mrd €, die großenteils am Ort selbst als Kaufkraft für
Konsumgüter auftreten. Darüber hinaus wirft der Kommunalhaushalt direkt oder
auf Umwegen – einschließlich aller Neben-, Schatten- und Beteiligungshaushalten – noch eine halb so große Summe als öffentliche Nachfrage auf den Markt
(pro Kopf der Bevölkerung etwa 9.000 €/p.a.). Und meistens fließen diese
Finanzströme auch noch über Banken und andere Vermittlungsagenturen.
In den letzten 30, 40 Jahren hat das neoliberale Politikkonzept
die Funktion der Stadt als Dienstleister der Privatwirtschaft enorm gesteigert.
Vorher, in der Nachkriegsperiode des „rheinischen Kapitalismus“ bestand der
gesellschaftliche Auftrag der Gemeinden vor allem darin, eine einigermaßen
sozialverträgliche Verteilung der Produktionsergebnisse zu gewährleisten. –
Jetzt verlangt die Wirtschaft von der Kommunalpolitik eine aktive Mitwirkung am
Wirtschaftswachstum, d.h. vor allem an der Expansion der Exportwirtschaft und der globalen
Finanzplayer. Der Stadtkämmerer wird selbst zum Zocker an den Finanzmärkten.
Damit geraten die Städte viel stärker in den Sog der
Marktbewegungen. Es geht nicht mehr nur um Arbeitskraft und Kaufkraft der
Stadtbewohner und die Nachfragewirkung des Verwaltungshandelns, sondern die öffentlichen
Leistungen, Einrichtungen und Vermögenswerte werden selbst zur Beute
von Investoren.
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Die klassische Form der Privatisierung
kommunalen Vermögens ist die Kreditaufnahme bei Privatbanken. Die Verschuldung
der Gemeinden am Kapitalmarkt hat zum Teil existenzgefährdende Ausmaße
angenommen.
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Besonders nach dem Untergang der
„realsozialistischen“ Systemalternative beschleunigte sich die Auslagerung öffentlicher
Einrichtungen bis hin zum Verkauf an Private.
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Die direkte Beteiligung privater Investoren am
städtischen Betriebsvermögen, die sog. „öffentlich-private Partnerschaft“ (ppp)
wurde zur typischen Erscheinung der neuen Epoche.
Allen diesen Ansprüchen der entfesselten Marktkräfte genügte
das alte kamerale Rechnungswesen kaum noch. Stattdessen schlug die Bertelsmann-Stiftung
vor, die Städte aufs engste mit den Märkten zu verzahnen, indem sie sich auch
intern in ihren Finanzabläufen nach betriebswirtschaftlichen Mustern richten.
Das Gemeinwesen (="Kommune") mutierte zum Dienstleistungsunternehmen
(OB Langemeyer führte die amtliche Bezeichnung „Konzern Stadt Dortmund“ ein),
Politik mutierte zum „Standortwettbewerb“, Politiker und Verwaltungsbeamte zu
Konzernmanagern, die erstmals in der Menschheitsgeschichte ihre Erfolge und
Misserfolge nicht mehr nach sozialen, moralischen, ethischen Maßstäben bewerten,
sondern nach Aufwand und Ertrag.
Das sogen. "Neue Kommunale Finanzmanagement" (NKF)
hilft ihnen dabei, laufend zu kontrollieren, über welche Vermögenswerte sie
verfügen, die sie am Markt verwerten können. Aber wohlgemerkt: Das NKF ist nur
ein Hilfsmittel, um das neoliberale Politikkonzept auf der kommunalen Ebene
effektiver umzusetzen.
Das NKF wurde ab 1994 vorbereitet, 2005 vom Landtag NRW als
Gesetz beschlossen, ab 2009 für die NRW-Kommunen Pflicht (vorher
freiwillig).
Nicht zufällig war Dortmund die erste Stadt in NRW, die das
neue Verfahren 2006 einführte. Der damalige OB Langemeyer verstand die Stadt
ausdrücklich als
Dienstleister für die Wirtschaft und als „location“ für eine Eventkultur, die
soziale Gegensätze ignoriert. Die Stadtsoziologen Häußermann und Siebel prägten
dafür den Begriff „Festivalisierung der Stadt“.
Langemeyer bediente sich einprägsamer Parolen, die die neoliberale Denke
auf den Punkt bringen: „Strukturwandel“ (von der Industrie- zur
Dienstleistungs“metropole“) – „Hinein in den Wettbewerb der Metropolregionen“ –
„Den Anderen die Hacken zeigen“ – „Im Standortwettbewerb entscheiden
Alleinstellungsmerkmale“ – „Die Stärken stärken, denn die Starken ziehen die
Schwächeren nach“ – „Wirtschaftsförderung ist die beste Sozialpolitik.“
(Fortsetzung folgt in Kürze)
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