Roter Freitag 16.10.2015, 18 Uhr, Schwanenstr.30, Dortmund – Einführung
Im Zusammenhang mit der
Erpressung Griechenlands durch EU, EZB und IWF ist vielen Menschen bewußt
geworden:
Es geht um viel mehr als angeblich „faule Griechen“, die
angeblich „ihre Schulden nicht bezahlen wollen“. Vielmehr sehen wir uns der tiefsten
Existenzkrise der Europäischen Union gegenüber.
Auch in den großen Ländern Europas stellen die Menschen
fest:
Die EU-Bürokratie greift
immer brutaler in unser Leben ein und droht es auf allen Ebenen zu beschneiden,
von der Familie und unseren Versorgungseinrichtungen über Produktion und
Dienstleistungen bis zu Kommunalverwaltungen und Parlamenten.
Der Streit um die
griechischen Staatsschulden hat auch manche Ökonomen erkennen lassen:
Die Währungsunion war von
Anfang an eine Fehlkonstruktion, die auf Dauer so nicht funktionieren kann und
so nicht mehr lange existieren wird.
Das Scheitern des Euro droht
aber die ganze EU und damit die europäische Integration insgesamt zu zerreißen.
Eine Union, in der die Stärksten ihre Überschüsse in die schwächeren Länder exportieren,
diese aber mit ihren Importschulden allein fertig werden sollen, wird über kurz
oder etwas länger an diesem Widerspruch zerbrechen.
Wie wollen wir auf diese
Existenzkrise der EU reagieren? Dazu werfen wir zunächst einen Blick auf die aktuellen
Strategien der Linken in und mit der Europäischen Union. Sie bewegen sich grob
umrissen zwischen drei Positionen:
- einem mehr oder weniger
zögernden "Ja-aber", verbunden mit Bemühungen, die EU-Strukturen und Verfahren
durch konstruktive Mitarbeit von innen heraus zu demokratisieren und sozial
weiter zu entwickeln,
- Aufrufen zu einem "Kurswechsel
der EU-Politik", bis hin zu plakativen Sprechblasen wie "Europa neu
begründen",
- dem radikalen Bruch mit dem
Euro und gar der EU-Mitgliedschaft (Exit-Strategien).
Das Europawahlprogramm der deutschen
LINKEN von 2014 versuchte die ersten beiden Positionen miteinander zu
verbinden.
Darin steht z.B.:
„Wir wollen einen Politikwechsel, damit die EU nicht vornehmlich Eliten an
Reichtum und Macht ein Zuhause bietet, sondern sich solidarisch für alle
entwickelt.“ – „Wir wollen die EU-Institutionen demokratisieren und
kontrollieren und den Kurs der europäischen Kommission und des Europäischen
Rates so verändern, dass…“ – „Die Alternative ist nicht der Rückzug aus der
Union, sondern der Kampf um ihre Veränderung.“ – „Die Wahlen zum Europäischen
Parlament wollen wir deshalb zu einem Signal für einen Kurswechsel in der EU
werden lassen.“
Darin heißt es aber auch:
„Eine solche EU ist auf der Grundlage der bestehenden Verträge nicht
entwickelbar. Sie müssen dringend grundlegend erneuert werden… Die EU muss neu
begründet werden.“ (Ende der Zitate)
Unbestreitbar enthält das Programm
der LINKEN zu Europa viele richtige Forderungen.
Doch kritisiert wird an
ihnen, dass sie folgenlos bleiben, solange nicht benannt wird, wer mit welchen
Mitteln die Änderung der EU-Strukturen und -Politik erzwingen kann.
Kritisiert wird, dass
hierzu das Europäische Parlament gar nicht fähig wäre – ja, dass die EU im
scharfen Gegensatz zur linken Programmrhetorik sogar von Jahr zu Jahr immer
noch undemokratischer, noch marktradikaler und unsozialer wird.
Namhafte linke Ökonomen kritisieren:
So wie die Funktionsweise der EU und der Währungsunion nicht willkürlich durch
politische Gremien erfunden wurde, sondern aus objektiven materiellen Zwängen
der Kapitalverwertung folgt – die sich ungleichmäßig in den miteinander
konkurrierenden Kapitalblöcken und Volkswirtschaften entwickelt – so kann sie
daher auch nicht einfach per Mehrheitsbeschluss im Parlament verändert werden,
ohne ihre materielle wirtschaftliche Basis grundlegend umzuwälzen.
Solcherlei Kritik scheint
mir im Kern einleuchtend und dringend geboten.
Auf berechtigte Einwände
trifft aber auch der radikale, bedingungslose Bruch mit dem Euro oder gar mit der
ganzen EU, wie manche Linke ihn jetzt fordern. Und zwar nicht nur auf ökonomische
Einwände.
Konsens sollte doch unter
Linken sein, dass wir das egoistische Gegeneinander der Nationen in Europa
überwinden wollen. Im Angesicht der europäischen Mitverantwortung für 50
Millionen Flüchtlinge weltweit, zur Flucht getrieben durch den globalen
Kapitalismus, wäre es barbarischer Wahnsinn, die europäische
Staatengemeinschaft ersatzlos wieder in ihre nationalistischen Einzelteile
aufzulösen und die Staaten mit ihren Flüchtlingsproblemen allein zu lassen. Das
wäre Wasser auf die Mühlen von Chauvinisten und faschistischen Hetzern.
Wir brauchen also nicht
„keine Union“, sondern eine andere
Union. Eine Union der Menschen und nicht der Banken.
Und wir brauchen einen
realistischen, gangbaren Weg dahin. Mir scheint, ihren Weg zu ihrer Union
finden die europäischen Völker nur gemeinsam – und nur in scharfer
Konfrontation gegen die derzeitigen Institutionen der EU-Machthaber.
– Was wir an die Stelle des
eigentlich schon gescheiterten Euro setzen wollen, ist dabei nur eine der noch zu
klärenden Fragen.
Dafür können wir heute natürlich keine Patentlösung aus dem Hut
zaubern. Unsere Veranstaltung hat ihr Ziel kürzer gesteckt:
Wir wollen eine Voraussetzung für diesen Klärungsprozess
schaffen, wir wollen beraten, wie wir Linken in Deutschland und den anderen
Teilen Europas die Menschen dazu bewegen können, den Herrschenden der EU zu
erklären:
Wir lassen uns
nicht länger von euch kaputt sparen, wir sagen NEIN zu eurem Lohndumping
und Sozialabbau – in ganz Europa sagen wir
„OXI“ zu euren Austeritätsdiktaten.
Unser Referent Alban Werner hat dazu einen
bedenkenswerten Vorschlag veröffentlicht. Den soll er uns heute erläutern und mit
uns diskutieren.
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