Samstag, 11. Oktober 2014

TTIP – der letzte Sargnagel für die Selbstverwaltung. Beispiel Dortmund


Ein Vortrag für die Ratsfraktion DIELINKE & Piraten mit ATTAC und Gewerkschaft VERDI - Teil 2

Was weder schwarz-gelbe Bundes- und Landesregierungen noch schwarz-rote und rot-grüne bis heute schafften, das würden die EU-Kommission und der US-Handelsminister mit ihrem Freihandelsabkommen „TTIP“ schaffen – wenn sie nicht von unten gestoppt werden: die Selbstverwaltung der Kommunen vollends abwürgen, diesen Eckpfeiler unserer Demokratie niederreißen.
Für unsere föderale Verfassung ist ja wesentlich, dass sie den Bürgern auf der untersten staatlichen Ebene, in der Kommune relativ weite Regelungsrechte einräumt. Und das Standbein dieser kommunalen Selbstverwaltung ist die im Grundgesetz verankerte Finanz- oder Budgethoheit, nach der Städte und Gemeinden selbst bestimmen können, welche öffentlichen Güter sie, über die gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards der Daseinsvorsorge hinaus – sich leisten wollen.
Dass TTIP, sollte es nicht verhindert werden, und CETA, das soeben ausgehandelte Abkommen mit Kanada – radikal Schluß machen würden mit unserer kommunalen Budgethoheit, will ich an konkreten Beispielen aus Dortmund zeigen.

Beispiele für Privatisierungsstrategien
Ein schlagendes Beispiel für die Gleichbehandlung öffentlicher und privater Unternehmen nach TTIP bietet das städtische Klinikum Dortmund.
Seit der Jahrtausendwende erlebten wir ein heftiges Gezerre um die Privatisierung des größten kommunalen Krankenhauses in NRW. CDU und Liberale waren immer heftig dafür, die LINKE und VERDI immer dagegen, die Dortmunder SPD eierte immer herum und ließ sich 2001 von ihrem Star OB Langemeyer die Umwandlung des bis dahin städtischen Eigenbetriebs in eine privatrechtliche, aber immerhin noch gemeinnützige gGmbH abschwatzen.

Danach fuhr das Klinikum, teils infolge der katastrophalen Unterfinanzierung des Gesundheitswesens durch Land und Bund, teils auch infolge interner Managementfehler, von Jahr zu Jahr steigende Defizite ein. Immer wieder musste die Eigentümerin Stadt DO Finanzlöcher des Klinikums stopfen. So konnte 2008 die akute Zahlungsunfähigkeit nur mit einem Gesellschafterdarlehen über 20 Mio € abgewendet werden, von 2010 bis Ende 2012 wurden Investitionszuschüsse über 31 Mio € nötig, jährlich rund 10 Mio € für Zinsen und Tilgung der Investitionskredite des Klinikums.

Nun stellt euch folgendes Szenario vor. Unter dem Vorwand „Schutz des geistigen Eigentums“ soll TTIP den Patentschutz für Medikamente der Pharmakonzerne verlängern und sogar auf Behandlungsmethoden erweitern. Das wird die Krankenhäuser in ganz Europa viele Mrd € mehr kosten und auch die Dortmunder Krankenhäuser noch tiefer in die Schulden treiben. Infolgedessen muss in wenigen Jahren, so das Szenario weiter, die Ev. Stiftung Vollmarstein auch das Krankenhaus Bethanien aufgeben (so wie jetzt gerade Lütgendortmund). Da kauft sich dann ein US-Investor ein. Um aggressiv in den hiesigen Gesundheitsmarkt vorzudringen, wird er dem städtischen Klinikum Patienten abziehen wollen, und zwar die lukrativsten Fälle mit den hohen Fallpauschalen. Zu diesem Zweck investiert er einige Hundert Mio € ins Bethanien – und verlangt auf Grund TTIP von der Stadt, sie solle auch ihm die Zinsen und Tilgung seiner Investitionskredite zuschießen, genau wie ihrem eigenen Klinikum.

Und sollte die Stadt sich weigern, zerrt auch er sie vor so ein privates Schiedsgericht, und dies verurteilt die Stadt Dortmund dazu, einem fremden Gesundheitskonzern zu helfen, ihr eigenes Klinikum in den Ruin zu treiben. Dann wird sie es eher verkaufen. Die Privatisierer haben ihr Ziel erreicht.

Dasselbe Rezept hält TTIP für die Kultur bereit. Angeblich soll TTIP sich gar nicht auf die Kultur erstrecken. Aber das stimmt so nicht. Ausdrücklich ausgeklammert aus den Verhandlungen sind bisher nur auf französisches Drängen audiovisuelle Dienstleistungen (Film, Fernsehen, Audio- und Videoproduktionen u.ä.) – alles andere, was nicht ausdrücklich auf einer Negativliste steht, fällt TTIP zum Opfer.

Die Stadt Dortmund schüttet jährlich ca. 80 Mio € für Kulturförderung aus, als Zuschüsse an Theater, das Konzerthaus, den U-Turm, Museen, Bibliotheken, die VHS usw. Den größten Brocken bekommt der städtische Eigenbetrieb Theater Dortmund mit über 30 Mio €.

TTIP unterscheidet nicht zwischen seriöser Hochkultur und seichter Meterware der Unterhaltungsindustrie. Da könnte jeder Broadway-Entertainer herkommen und in Dortmund eine Musicalbühne oder eine neue Eventhalle aufziehen und nach TTIP von der Stadt dieselben Zuschüsse verlangen wie die städtische Oper. Und wenn die Stadt das im Haushalt nicht locker machen kann oder will, wird sie ihr Opernhaus schließen oder privatisieren müssen.
 
Zum Stichwort „Privatisierung“ erwartet uns noch eine größere Sauerei. In CETA wurden sog. Lock-in- und Ratchet-Klauseln vereinbart, und in TTIP sollen sie wieder auftauchen. Sie bestimmen, dass einmal vollzogene Liberalisierungen und Privatisierungen nie mehr rückgängig gemacht werden dürfen. „Nie mehr“ – man denke mal über diese Hybris nach: Da meinen diese Neoliberalen wirklich, ihre Marktwirtschaft existiere bis zum jüngsten Tag! Sie glauben buchstäblich, der Kapitalismus sei das „Ende der Geschichte“.

Von der historischen Albernheit dieses Aberglaubens abgesehen, hätten  solche Klauseln aber für uns in Dortmund sofort gravierende Folgen: In wenigen Wochen steht uns ein irrsinniger Beschluß einer konzerneigenen Ratsmehrheit ins Haus, den Multi RWE weiter an unserer kommunalen Energie- und Wasserversorgung zu beteiligen und ihm Jahr für Jahr um die 20 Mio € Dividende zu Lasten der Stadt rüber zu schieben. Dieser heute schon anachronistische Ratsbeschluß dürfte dann in alle Ewigkeit nicht mehr zurückgedreht werden – ja nicht mal mehr verändert werden, ohne dass die Stadt den RWE-Multi bis in alle Ewigkeit für die entgangenen Gewinne entschädigen müsste.

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