Die Meinung in Deutschland steht fest: Die Euro-Südländer schaffen es nicht, ihren Staatshaushalt auszugleichen. Sie machen Schulden und wollen diese auf Deutschland abwälzen. Auf eine Schlagzeile verkürzt, lautet die Botschaft: „Geisel des Südens“ (Spiegel) oder „Europa will an unser Geld“ (Welt am Sonntag). Aus dieser Diagnose folgt logisch die Therapie: Die Südländer müssen ihre Schulden selber in den Griff kriegen, erst danach kann Hilfe von außen kommen. „Eine Voraussetzung für Solidarität ist Solidität“, sagt Jörg Asmussen, deutsches Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Doch leider ist diese Analyse und Therapie falsch. Sie ist die üble Frucht eines aus allen Zusammenhängen gerissenen Denkens und der Ignoranz der einfachsten volkswirtschaftlichen Grundregeln.
Das „Modell Exportweltmeister“ hat die Geldelite aber nicht nur auf Kosten des Auslands bereichert. Auch der deutsche Normalbürger wurde zur Kasse gebeten. Zwischen 1999 und 2009 (neuere Daten liegen nicht vor) ist sein Einkommen um 13 Prozent gesunken. Vom Exportboom profitiert hat nur das reichste Zehntel. Diese Umverteilung von unten nach oben ist zweifellos eine Folge der Lohnpolitik. Deren Zweck war es – zunächst mit „Lohnzurückhaltung“, dann mit der Schaffung eines Niedriglohnsektors –, Kostenvorteile im Export zu erringen. Die sinkenden Lohnstückkosten und steigenden Exportüberschüsse zeigen, dass diese Politik erfolgreich war. Dass jetzt die Verluste aus den faulen Auslandsguthaben auf die Steuerzahler abgewälzt werden sollen, ist die Krönung dieser Umverteilung.
Deutschland ist nicht „Geisel des Südens“, wie der Spiegel meint, sondern Geisel der Reichen und ihrer Banken. Sie können einmal mehr glaubhaft mit einem Zusammenbruch des Finanzsystems drohen, falls die Europäische Zentralbank oder die Bundesbank ihre Forderungen nicht deckt. Zwar sind die bisher garantierten 713 Milliarden ein Klacks zu den mehr als 10.000 Milliarden deutschen Vermögens. Setzt man sie aber zu den 354 Milliarden Euro Eigenkapital aller deutschen Banken in Beziehung, erkennt man leicht ein hohes Drohpotenzial. Auch die Welt am Sonntag müsste ihre Schlagzeile anpassen: „Die Reichen greifen nach unserem Geld.“
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