Seminar der Ratsfraktion DieLINKE&Piraten Dortmund zur Einführung ins kommunale Haushaltsrecht (NKF), Teil 4
Im 1. Block des Seminars sahen wir, wie die nach dem Untergang des
„Realsozialismus“ gewachsene Kapitalmacht die Kommunalfinanzen stärker für
die „Marktkräfte“ aufschließt:
- durch Umverteilung des Sozialprodukts von den öffentlichen Haushalten
auf private Konten,
- durch Privatisierung öffentlicher Aufgaben und der dafür
erforderlichen Einrichtungen und Anlagen.
Jetzt wollen wir untersuchen, mit welchen Methoden und Instrumenten das
neue Haushaltsrecht die Vermarktung öffentlicher Ressourcen vorantreibt. Der
folgende Block steht deshalb unter dem Thema „Privat vor Staat“ und behandelt
die Betätigung der Kommune in unterschiedlichen Formen öffentlicher und
privater Unternehmungen.
Dafür stützen wir uns vor allem auf zwei öffentlich zugängliche Quellen,
die beide zum Anhang des städtischen Haushaltsplans
gehören:
- die Bilanz,
- den Beteiligungsbericht.
An der Bilanz interessiert uns in diesem Zusammenhang das auf der
Aktivseite aufgelistete Anlagevermögen
der Stadt.
Wir stellen fest: Dortmunds Anlagevermögen hat in den zehn Jahren
seit Einführung des NKF um
-90 Mio € (-1,5 %) abgenommen.
Das allein wäre kaum der Rede wert. Aber innerhalb des Anlagevermögens gab es eine erhebliche Verschiebung,
erkennbar zunächst am Schrumpfen der Sachanlagen
um -1,2 Mrd € (-29 %). Sie hat zwei
Ursachen:
-
Zum einen zeigt die Auflistung der Sachanlagen in der Bilanz,
dass fast alle stadteigenen Infrastrukturen
seit 2006 mehr oder weniger stark an Wert verloren, teilweise infolge
Entwertung durch unterlassene Instandhaltung, teilweise wohl auch durch Stilllegung,
Auslagerung, Abbau oder Veräußerung (das ist in der Bilanz nicht zu erkennen),
jedenfalls ein starker Wertverlust.
-
Zum anderen sehen wir eine gegenläufige
Verschiebung von den Sachanlagen zu den Finanzanlagen
(+1,1 Mrd €).
Hier kommen wir erstmals der systematischen Privatisierung städtischen Vermögens auf die Spur. Weiter
aufgegliedert, bestehen die Finanzanlagen aus Sondervermögen, Anteilen an
verbundenen Unternehmen, Beteiligungen und sonstigen Finanzanlagen (vor allem
Ausleihungen an Sondervermögen und verbundene Unternehmen).
Sondervermögen sind Vermögensteile
im Eigentum der Kommune, rechtlich unselbständig, agieren aber organisatorisch
und finanziell wesentlich selbstständiger als die Abteilungen der
Kernverwaltung (Dezernate, Stadtämter). Als Sondervermögen geführt werden u.a. Eigenbetriebe (kommunale Unternehmen
ohne eigene Rechtspersönlichkeit), nicht rechtsfähige Stiftungen und öffentliche
Einrichtungen, für die aufgrund gesetzlicher Vorschriften Sonderrechnungen
geführt werden müssen. Sondervermögen sind aus dem kommunalen Haushalt ausgegliedert,
im Haushaltsplan und Jahresabschluss der Trägerkommune werden sie nur mit ihrem
Jahresergebnis ausgewiesen. Sie haben i.d.R. eigene Geschäftsführungen und werden
von gesonderten Betriebsausschüssen des Stadtrats kontrolliert.
Sondervermögen bilden also infolge der Ausgliederung aus dem
Kernhaushalt eine Art „Schattenhaushalt“, sozusagen die Vorstufe zur
Privatisierung.
Gemäß Bilanz hat sich seit Einführung des NKF der Umfang der 10
städtischen Sondervermögen mehr als vervierfacht (+655 Mio €), während die
Sachanlagen im Kernhaushalt entsprechend schrumpften. Daraus müssen wir
schließen, dass die Verwaltung das Ziel verfolgt (oder zumindest in Kauf nimmt),
immer mehr öffentliche Aufgaben der direkten Kontrolle des demokratisch
gewählten Rates und der Öffentlichkeit zu entziehen und im Schatten
halb-öffentlicher Betriebsausschüsse zu verstecken.
Auf die eigentliche Privatisierung städtischen Eigentums aber stoßen wir
unter der Bilanzposition „Anteile an
verbundenen Unternehmen“. So bezeichnet das Handelsgesetzbuch (HGB) Unternehmen
ein und desselben Konzerns (bestehend aus einem Mutterunternehmen und Töchtern),
wenn die Konzernmutter auf das Tochterunternehmen unmittelbar oder mittelbar
einen beherrschenden Einfluss
ausüben kann. Sie sind zwar juristisch selbständig, jedoch wirtschaftlich durch
Kapitalbeteiligung und/oder Vertrag miteinander verbunden. Forderungen und
Verbindlichkeiten der Konzerngesellschaften gegeneinander werden im Konzernabschluss
verrechnet („Konsolidierung“).
Hier geht nun die Vermischung von Privat und Öffentlich untrennbar
durcheinander. In allen Fällen – mit einer einzigen Ausnahme: der Sparkasse als
AöR – sind es Unternehmen in privater
Rechtsform, die zum „Konzern Stadt Dortmund“ gehören: AG, GmbH, GbR. Über
sie hat die gewählte Volksvertretung überhaupt keine Machtbefugnisse mehr.
Sondern nach Aktiengesetz bzw. GmbH-Gesetz bilden sie ihre eigenen, von der Politik unabhängigen
Führungsorgane. In sie werden nur einzelne handverlesene Vertreter der Stadt entsandt und sind durch das Gesetz verpflichtet, das „Wohl des Unternehmens“
über das Wohl der Kommune zu stellen.
Einige dieser Unternehmen hat die Stadt durch Ausgliederung -
„Outsourcing“ - früherer Stadtämter selbst gegründet. Einige hält sie auch noch vollständig im städtischen Eigentum. Doch an
den allermeisten sind andere Institutionen und/oder private Anleger beteiligt (z.B. sind 39 % der DEW21 im Eigentum des
RWE-Konzerns).
Zwar blieb in der städtischen Bilanz die entsprechende Vermögensposition
nahezu konstant, aber wie der Beteiligungsbericht ausweist, verbirgt sich
dahinter ein krebsartig wucherndes
Wachstum der Tochter- und Enkelunternehmen. Außer den „verbundenen Unternehmen“
hält die Stadt weitere Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen der Privatwirtschaft.
Dem Bericht zufolge schnellte die Gesamtzahl der Unternehmen, an denen
die Stadt Dortmund direkt oder über ihre Töchter indirekt beteiligt ist, von 86
(2006) auf 120 (2016) hoch und die Summe des städtischen Kapitals in ihnen von
1,56 Mrd € auf über 2 Mrd €. Das entspricht mehr als zwei Dritteln des eigenen städtischen
Sachanlagevermögens, die dem öffentlich-rechtlichen Bereich entzogen und in
privatrechtliche Unternehmungen verschoben wurden. Während die stadteigenen
Sachanlagen schrumpfen, schießen diese Finanzanlagen geradezu in die Höhe.
Ausgegliedert und zum Teil privatisiert wurden u.a. z.B. DSW21, EDG, der Flughafen, das
Klinikum, Seniorenheime, Kindertagesstätten, Bäder, Sportanlagen,
Freizeitstätten, Spielplätze.
Die Ausgliederungen haben für den Kernhaushalt folgende Einspareffekte:
-
Die Personalkosten der Kernverwaltung reduzieren
sich a) über Personalabbau und b) über Lohndumping durch Wechsel aus dem TVÖD
in niedrigere Tarife,
-
Investitionen und Abschreibungen können aus dem
Kernhaushalt in selbständig wirtschaftende Betriebe ausgelagert werden,
-
An vielen der städtischen Tochter- und
Enkelbetriebe sind private Investoren beteiligt.
-
Folglich konnten im Kernhaushalt auch die Investitionskredite
zurückgefahren werden. Dieser angebliche Schuldenabbau, den der Kämmerer als
Heldentat feiert, war in Wirklichkeit eine Schuldenverlagerung in
Sonderrechnungen.
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