Donnerstag, 18. April 2013

Dann doch besser umfairteilen


„Da habt ihr euch schön blamiert!“ brüllte er mich schon von weitem an. Eigentlich wollte ich jetzt mit niemand reden, am allerwenigsten mich vor irgendwem für irgendetwas rechtfertigen. Ich würgte ja selbst noch an der Enttäuschung, daß ein sozialpolitisches Bündnis, das noch nie so breit war wie jetzt, in Dortmund nicht mehr als 300 Menschen auf die Beine bringt. Von denen ich 200 bei allen politischen Anlässen wiedersehe.
Ich versuchte einen Ausfallschritt:
-      - Wieso ihr? Du nicht?
Er blieb beim „Ihr“:
„Die Leute glauben euch nicht, daß mit ein bißchen Umverteilen die Welt fairer würde. Wenn ihr ihnen nicht erklärt, wo und wie Reichtum entsteht und daß er immer mehr Armut produziert, könnt ihr sie nicht mobilisieren.“
-      - Und du meinst, solche Erklärungen bringen sie auf die Straße?
„Erklärungen allein natürlich nicht. Solange ihr nur palavert, stört das die Herrschaften nicht, das wissen die Leute auch. Erst wenn wir den Reichen auf die Pelle rücken, ändert sich was.“
-      - Was meinst du mit: auf die Pelle rücken?
„Verweigerung, Streik, Blockade, ziviler Ungehorsam.“
-      - Schön und gut, aber die deutschen Untertanen schreckt das doch eher ab. Solange die Menschen nicht einmal zu friedlichen, demokratischen Protesten kommen, würden uns weitergehende Aktionsformen nur noch mehr isolieren.
„Du unterschätzt die Leute. In Stuttgart, ja schon in der guten alten Friedensbewegung, bei den Anti-Atom-Protesten, den Blockaden gegen Naziaufmärsche sind schon massenhaft Untertanen zu Wutbürgern geworden.“
-      - Da hast du recht. Nur lässt sich das leider nicht einfach auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik übertragen.
„Wieso nicht?“
-      - Weil die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge viel schwerer zu durchschauen sind. Das macht gerade die am schlimmsten Betroffenen, Verarmten, Ausgeschlossenen noch wehrloser. Die denken nur noch: Rette sich wer kann!
„Wehrlos? Von wegen! In Griechenland haben die einfachen Leute sich so lange geweigert, eine neue Grundsteuer auf ihre Hütten zu zahlen, bis sie von der Regierung wieder ausgesetzt wurde. Die Portugiesen haben so oft demonstriert und gestreikt, bis das Verfassungsgericht die Regierung zurückgepfiffen hat. Sowas soll bei uns unmöglich sein?“
-      - Der Unterschied liegt darin, daß große Teile unserer Mittelschicht vom deutschen Crashkurs gegen das übrige Europa noch profitieren. Die Merkel ist nicht trotz, sondern wegen ihrer Rolle als Zuchtmeisterin Europas bei uns so beliebt. Solange das so bleibt, wird unser Bürgertum dagegen nicht auf die Barrikaden gehen.
„Dann muss wohl erst der Euro zusammenkrachen.“
-      - Es wäre nicht das erstemal, daß unsere reiche Oberschicht Europa ins Unglück stürzt.
„Dann doch besser vorher den Reichtum umfairteilen!“
-      - Sag‘ ich doch.
„Ach so. Sag das doch gleich!“

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