Montag, 16. April 2012

Reaktionen auf das Grass-Gedicht: Herrenmenschen in Wut

In einer ganzseitigen Reportage aus Israel im Tagesspiegel (12.04.12) bestätigten zwei hohe israelische Militärs indirekt, aber hundertprozentig die Warnung des Grass-Gedichts „Was gesagt werden muß“ vor dem israelischen Kriegskurs: Im Gegensatz zu einer wachsenden Minderheit israelischer Bürger zielt die herrschende Staatsdoktrin darauf, mit allen Mitteln, eben auch mit militärischen bis hin zum atomaren Präventivschlag zu verhindern, daß irgendein muslimischer Staat der Region so mächtig wird, die israelische Besatzungsmacht ernsthaft zu gefährden.

Diese strategische Grundlinie billigt und deckt nicht nur jede US-Regierung, sondern auch die herrschenden Kreise unseres Landes haben sie zur „deutschen Staatsraison“ erklärt (Kanzlerin Merkel). Wenngleich die unbedingte Unterstützung israelischer Politik hierzulande offiziell mit der deutschen Schuld gegenüber den europäischen Juden begründet wird, hat sie real mit dem Holocaust wenig zu tun. Vielmehr bedient das Schlagwort von der „Verteidigung des Existenzrechts Israels“ auch die Ideologie, mit der die USA seit dem 2. Weltkrieg Dutzende ihrer Angriffskriege in aller Welt rechtfertigten, und mit der jetzt Deutschland erneut als Zuchtmeister Europas auftrumpft: die Ideologie der Überlegenheit einiger weniger von Gott auserwählter Völker. Diese Tüchtigen dürfen die Menschheit in Gute und Böse einteilen, und was der gute, tüchtige Staat Israel sich frech herausnimmt und stillschweigend zugestanden bekommt, soll für den bösen, weil radikal-islamischen Schurkenstaat Iran tödlich enden dürfen.

Nur vor diesem ideologischen Hintergrund wird verständlich, welcher Tsunami an Geifer, Schmähungen und Haß dem Friedensmahner Günter Grass entgegenschlug. Solche jede Einsicht abblockende Wut erlebten wir zuletzt, als ein anderer Dichter Serbien gegen deutsche (damals von SPD und Grünen befohlene) Bomben verteidigte: Peter Handtke. So wütend werden die Guten, wenn man ihrer natürlichen-gottgewollten-moralisch-humanitären Vorherrschaft widerspricht.

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