Samstag, 16. Dezember 2017

Notizen aus der Provinzhauptstadt: „Smart City Dortmund“ oder wie man große Rosinen zu kleinen Brötchen schrumpft

Als der Stadtrat im Juli 2016 auf Vorschlag der Stadtspitze einen „Masterplan Digitales Dortmund“ in Auftrag gab, versprach er sich und den Dortmunder-innen damit einen Aufschwung der lokalen Wirtschaft, neue Geschäftsfelder für Unternehmen und digitale Start-ups, flächendeckende digitale Bildung in den Schulen und effektivere, bürgerfreundlichere Stadtämter. Wir, die Ratsfraktion LINKE&Piraten, betonten in einem zweitägigen Seminar die Chance, mithilfe umfassender Digitalisierung des Alltagslebens das allgemeine Bildungsniveau zu heben und die Stadtbewohner-innen zu echter Teilnahme an der Stadtpolitik zu aktivieren.

Kurz darauf ging der Rat noch einen Schritt weiter und  beschloss, aus Dortmund eine „Smart City Dortmund“ zu machen:
„Gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollen Projekte zur intelligenten und vernetzten Stadtentwicklung initiiert und umgesetzt werden, die die Stadt zum Innovationslabor für neue Konzepte und Projekte machen und insbesondere den Norden Dortmunds zum „Schaufenster Smart City“ für die Gesamtstadt und für die Region werden lassen.“

Um diese Pläne umzusetzen luden die Stadt, die Industrie-und Handelskammer sowie der auf diesem Gebiet weltweit führende US-Konzern CISCO im Dezember 2016 handverlesene Vertreter der IT-Fachwelt zur Gründung einer „Allianz Smart City Dortmund – Wir.Machen.Zukunft“ ein. Im Ratsbeschluss dazu hieß es:
„Die Kommune organisiert den gesellschaftlichen Dialog und die Beteiligung der Zivilgesellschaft. Sie konzipiert, initiiert und verstetigt mit der „Allianz Smart City Dortmund“ einen Beteiligungsprozess bzw. eine Dialogplattform, die die Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft dabei unterstützt, miteinander smarte Projekte zu entwickeln und gemeinsame Geschäftsfelder, Technologien und Netzwerke der Zukunft für sich zu erschließen. Die „Smart City Dortmund“ bündelt, stärkt und vernetzt vorhandene unternehmerische und wissenschaftliche Ressourcen, trägt Sorge für die Partizipation der Zivilgesellschaft und erprobt die smarte Nutzung von innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien.“

Große Visionen, starke Sprüche. Es schien als ob wir mit unseren Forderungen nach Demokratisierung der Stadtpolitik und massenhafter Verbreiterung des Bildungsniveaus bei der Obrigkeit offene Türen einrennen. Zumal der Masterplan versicherte:
„Ein besonderes Augenmerk wird auf der Strahlkraft einer digitalisierten Stadtverwaltung für den Bereich Bildung liegen.“

Inzwischen wurden ca. zwei Dutzend von über einhundert geplanten oder schon gestarteten Projekten öffentlich vorgestellt. Das Ergebnis ist ernüchternd und entmutigend:

-       Die bisher bekannten Projekte wurden ausnahmslos von oben nach unten in Expertenteams konstruiert, als mehr oder weniger öffentlich gesponserte Plattformen, auf denen bestimmte IT-Unternehmen ihre Hard- und Software-Produkte präsentieren und vermarkten können.  Von den 79 Unternehmen, die in der „Allianz“ kooperieren (Stand März 2017), sind 46 nicht in Dortmund ansässig, meist weltweit tätige Technologie-Konzerne. Von den mehr als 11.300 eingetragenen Mitgliedsfirmen der IHK Dortmund waren bis November 2017 nur etwa drei Dutzend der „Allianz“ beigetreten.

-       Entsprechend technologisch abgehoben und bürgerfern stellen sich die Projekte dar. Soweit überhaupt kommen die Bürger darin nur rein passiv als Kunden, Anwender und Datenquellen vor, ohne selbst irgendwo Einfluss nehmen oder gar mitgestalten zu können. Als (potentielle) Nutzer von Energie- und Verkehrssystemen, besonders von E-Autos sind sie allerdings hoch willkommen. Nur drei Projekte bieten den Stadtbewohnern Plattformen (websites, Apps) für eine – thematisch begrenzte – Kommunikation untereinander.

-       Ebenso bleibt die breite Masse der Dortmunder Nicht-IT-Unternehmen mit ihren Digitalisierungsproblemen sich selbst überlassen, kein einziges Projekt bietet ihnen Hilfen beim digitalen Umbau betrieblicher Abläufe.

-       So oft in den Beschlüssen auch die Wichtigkeit von Bildung betont wird – nur ein einziges Projekt ist speziell auf jugendliche Nutzer zugeschnitten, aber auch dies behandelt sie nur als Nutzer. Die digitale „Bildung“ reduziert sich so auf die Fähigkeit, eine App aufs Smartphone zu laden und anzuwenden oder in einer fremden website zu navigieren.

-       Über den Datenschutz bzw. die mögliche Verwendung der in den Projekten gewonnenen Datenmengen hüllen sich die Macher der „Allianz“ in absolutes Schweigen. Die Fa. CISCO wurde aber schon vor Jahren der engen Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten überführt und hat das indirekt bestätigt.


Bei unserer ersten Auswertung der wenigen bisher zugänglichen Informationen bekräftigte unsere Fraktion die Absicht, eine breite Anwendung digitaler Techniken in allen Bereichen des städtischen Lebens aktiv voran zu treiben und dazu auch die Masterpläne und die „Allianz…“ zu nutzen – aber eben nicht technokratisch-bürokratisch von oben herab, sondern demokratisch und aktivierend.

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