Rezension von Carsten Klink, Mitglied im Rat der Stadt Dortmund und Finanzkaufmann
Das neue Buch von Dr. Sarah
Wagenknecht ist ein Genuss. Nicht nur für die politischen Anhänger der linken
Politikerin. Mit ihrem dritten Wirtschaftsbuch „Reichtum ohne Gier - Wie wir
uns vor dem Kapitalismus retten" legt die streitbare Fraktionsvorsitzende
im Bundestag nicht weniger als den „Entwurf einer neuen
Wirtschaftsordnung" vor.
Durch ihre Kapitalismus-Kritik wird
man mit Hilfe einer recht lesefreundlichen Gliederung geführt, die an eine
Aneinanderreihung von interessanten Zeitungsartikeln erinnert. Fast jeder davon
schildert einen Skandal. Etwa, dass im iPhone nicht eine einzige Technologie
steckt, die nicht staatlich finanziert wurde. „Privates Wagniskapital steigt in
der Regel erst ein, wenn der Börsengang oder Weiterverkauf des Unternehmens
(...) realistisch erscheint.“ Sehr detailliert, aber nie pedantisch, sind auch
die Darstellungen der historischen Zusammenhänge.
Die Sozialistin demonstriert in
ihrem neuen Buch einmal mehr, dass sie in Wirtschafts- und Finanzfragen nicht
nur satisfaktionsfähig ist, sondern auch so manchem Möchtegern-Wirtschaftsexperten,
der die alte Leier von der angeblich so freien Marktwirtschaft und den
Segnungen der Deregulierung unreflektiert herunter betet, auch und insbesondere
im historischen Kontext intellektuell und argumentativ überlegen ist.
Die promovierte Volkswirtin
Wagenknecht schlägt diese Apologeten des Wirtschaftsfeudalismus, in dem wir
gemäß Wagenknecht leben „und der mit freier oder sozialer Marktwirtschaft
nichts zu tun hat und letztlich das leistungslose Einkommen einer sehr kleinen
Schicht von extremst Reichen garantiert“, mit ihren eigenen Waffen. Angesichts
der Kapitalismus-Kritik, die ja inzwischen bis weit ins bürgerliche Lager
reicht, dort aber meist in der Analyse steckenbleibt, ist es sicherlich nicht
nur für Linke ein Vergnügen, diskussionswürdige Alternativen zu lesen.
Diese Alternativen befassen sich mit
einer andere Verfassung des Wirtschaftseigentums, der Demokratisierung des
Zugangs zum Kapital und die Entflechtung riesiger Konzerne, deren Macht einen
fairen Wettbewerb sowie echte Innovationen verhindert und die Demokratie
zerstört. Die Förderung von Talent und die Belohnung echter Leistung und
Gründer mit guten Ideen ungeachtet ihrer Herkunft wird von Wagenknecht
eingefordert. Sie entlarvt damit die zentralen Lebenslügen unseres heutigen
Wirtschaftssystems. Diese derzeitige Marktmacht, die sich selbst genügt, da
ausreichend Gewinne abgeschöpft werden, die aber nicht wieder in die
Wirtschaft, sondern lediglich in die Finanzspekulation investiert werden, soll
zerstört werden.
Des Weiteren schildert Sahra
Wagenknecht den schleichenden Abstieg der Mittelschicht. Auch wenn sie anführt,
dass es „die Arbeitsplätze mit gutem Einkommen, die den klassischen
Lebensstandard der Mittelschicht ermöglichen“ noch gibt, analysiert sie korrekt,
dass diese aber meist teuer erkauft seien mit extremen Leistungsdruck und
ständiger Verfügbarkeit, mit einem Leben für die Arbeit, in dem für Familie,
Freunde und Freizeit kaum Platz bleibt, auskömmliche Einkommen für Facharbeiter
und Akademiker keine Selbstverständlichkeit mehr sind und ein abgeschlossenes
Hochschulstudium nicht mehr vor Niedriglöhnen oder der ständigen
Lebensunsicherheit befristeter Jobs und prekärer Selbständigkeit schützt.
Wagenknechts Buch ist somit auch das
Angebot an die von Abstiegsängsten geplagte Mittelschicht, die wahren
Profiteure unserer Wirtschaftsordnung zu erkennen und sich mit diesen nicht
mehr aus dem falschen Bewusstsein heraus zu identifizieren, etwas mit diesen
oberen zehn Prozent und ganz speziell mit dem obersten einen Prozent, auch nur
annähernd etwas Gemeinsames zu haben. Dazu dient sicherlich auch der Hinweis
auf das zumeist leistungslose Einkommen dieser 10 Prozent und deren
Wirtschaftsaktivitäten, die dann auch noch mit der von den Bankenrettungen ja
hinlänglich bekannten begrenzten Haftung bei Fehlern und dem unbegrenzten
Anspruch auf den Gewinn verbunden sind. „Eigentum ohne Haftung: Der Clou des
Kapitalismus."
Angesichts der aktuellen Diskussion
über umstrittene Freihandelsabkommen sowie die weltweite Flüchtlingsbewegungen
sind die Abschnitte des Buches, die sich mit der historischen Entwicklung des
Freihandels befassen, ebenso so interessant wie lehrreich. Ein starker,
interventionsfreudiger Staat mit hohen Steuern und Schulden setzte erst auf
Freihandel, als die eigenen Fabrikanten allen anderen überlegen waren. Sofort
muss man an die zahlreichen Staaten des Trikontes (Afrika, Asien, Südamerika) denken,
denen man heute versucht, das genaue Gegenteil aufzuzwingen und sich dann über
die Flüchtlinge wundert, die ihr Land verlassen, da dieser Kapitalismus ihre
Wirtschaft ruiniert hat. Unterwerfung durch Freihandel.
Letztlich ist das neue Buch von
Sahra Wagenknecht gespickt mit interessanten neuen und alten Ideen, die
eigentlich einer eigenen Rezension würdig wären: Die Vollgeld-Theorie, die
persönliche Haftung, Eigentum nur noch durch eigene Arbeit, Gemeinwohlgesellschaft:
gemeinnützige Dienste, die Öffentliche Gesellschaft: Mitsprache der
Allgemeinheit & Mitarbeitergesellschaften mögen hier stellvertretende Schlagwörter
sein, die Lust aufs Lesen dieses sehr empfehlenswerten Buches machen sollen. Schließlich
urteilte der schwarze Peter Gauweiler (CSU) bereits in der Süddeutschen über Wagenknechts
Neuerscheinung: „Eindrucksvoll auch die furiose Abrechnung mit allen Übeln, die
sich der globale Managerkapitalismus, insbesondere die Finanzwirtschaft,
geleistet hat und was er sich seit Bill Clinton, Tony Blair und der Herrschaft
der Rot-Grünen in Deutschland sogar gesetzlich alles herausnehmen darf.
Hedgefonds, Europäische Zentralbank, das EU-Gemeinschaftsgeld und die ‚Euro-Rettung‘
inklusive. (…) Comrade Sahras Buch ist also selbst da besser, wo es noch
wirklich links ist.“
Sahra Wagenknecht:
Reichtum ohne Gier - Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten
Campus-Verlag
Frankfurt 2016,
292 Seiten, 19,95 Euro
E-Book: 16,99 Euro
Reichtum ohne Gier - Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten
Campus-Verlag
Frankfurt 2016,
292 Seiten, 19,95 Euro
E-Book: 16,99 Euro
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen