Donnerstag, 18. Dezember 2014

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Neue Töne von der 1. Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz


„Kann es aus Ihrer Sicht gelingen, die Langzeitarbeitslosigkeit in den nächsten fünf Jahren spürbar zu reduzieren?“ fragte am vergangenen Montag der oberste Dortmunder Wirtschaftsförderer 180 geladene Experten aus Politik, Verwaltungen, Verbänden und Unternehmen. Und ließ sie darüber elektronisch abstimmen. Überraschend am Ergebnis war nicht, dass genau die Hälfte ihre Mitverantwortung für die Misere mit einem zweckoptimistischen „Ja“ übertünchten.

Überraschend für Dortmunder Verhältnisse war, dass die nachfolgenden drei wissenschaftlichen Vorträge den Zweckoptimismus eindeutig Lügen straften. Denn immerhin, zum erstenmal seit der Erfindung des – inzwischen sanft entschlafenen – „dortmund-projects“ vor fünfzehn Jahren präsentierte die Stadtspitze ein ungeschöntes Bild der Misere am Dortmunder Arbeitsmarkt infolge des „Strukturwandels“.

Da wurde das muntere „Wir schaffen es, wenn wir nur an ein paar Stellschrauben drehen (vor allem Bildung, Bildung, Bildung!)“ mit der Tatsache konfrontiert, dass in den letzten fünf Jahren die Langzeitarbeitslosigkeit deutlich zugenommen hat: um 2.000 auf über 18.000, und damit heute fast wieder das Niveau vor Schröders Agenda erreicht (2004: 20.000) – obwohl die Stellschrauben alle seit Jahren bekannt und verfügbar waren. Konfrontiert wurde das „Kurshalten, der erste Arbeitsmarkt wird’s schon richten“ mit der nüchternen Bilanz, dass Stellschrauben wie soziale Kompetenz, Teilhabe, Wertschätzung des Menschen vom Markt nicht einmal als Restgrößen gewürdigt werden. Der Appell an die Arbeitgeber – „aber die brauchen Anreize!“ – wurde konfrontiert mit der Analyse, dass die allermeisten Langzeitarbeitslosen von heute keinerlei Chance haben, den Qualifikationsanforderungen der Unternehmen zu genügen, und morgen noch weniger Einfacharbeitsplätze gebraucht werden. Dass die Lücke zwischen notwendiger, umfassender Qualifizierung („Coaching“ jedes einzelnen Arbeitslosen) und den dafür bereitgestellten Mitteln sich weiter vergrößern wird.

Es überraschte dann auch nicht, dass, sondern w-i-e die Diskussion sich zuspitzte und festbiss am staatlich und kommunal finanzierten „Integrationsarbeitsmarkt“. Während die Arbeitgeberlobby, einschließlich Chefin der Dortmunder Arbeitsagentur(!), ein trotziges Rückzugsgefecht lieferte um Zusätzlichkeit und gegen Dauerhaftigkeit von öffentlich subventionierten Jobs, warb vor allem der ARGE-Geschäftsführer offensiv und engagiert, den gemeinnützigen Sektor ebenso selbstverständlich zu subventionieren wie die Landwirtschaft und die Kohle („die auch niemand als 2., 3. oder 4. Arbeitsmarkt bezeichnen würde“).

Mein Fazit dieser ersten Dortmunder Arbeitsmarktkonferenz: Einige maßgebliche Leute beginnen zu erkennen, dass das Weiter-so nicht mehr geht, und nähern sich dem an, was die LINKE seit Jahr und Tag fordert. Unser zähes Bohren dicker Bretter wirkt. Die Marktfetischisten sind noch stark, sie stellen in Dortmund noch die Hälfte der „Entscheider“, aber sie scheinen an Boden zu verlieren.

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