Griechenland benutzen die europäischen Machthaber als Versuchskaninchen dafür, was man einem zivilisierten Land mitten im zivilisierten Teil der Welt unterhalb der Schwelle des gewaltsamen „regime change“, allein mit dem Knüppel der Kreditabhängigkeit, an politischer Bevormundung, sozialer Verelendung und nationaler Entwürdigung aufzwingen kann. Griechenland hat sich dem Zwang gebeugt, die europäische Bourgeoisie kann zunächst mit dem Ergebnis zufrieden sein.
Griechenland ist zugleich Versuchskaninchen für die
Durchsetzung eines europäischen Wirtschaftsmodells, das mittels Lohn- und
Sozialdumping ganze Volkswirtschaften auf die Verwertungsbedürfnisse des
mächtigsten, aggressivsten Kapitalblocks zurichtet. Auch dieser Versuch scheint
zunächst zugunsten des Kapitals auszugehen. Das Land ist zu klein, zu schwach,
um sich allein aus eigener Kraft aus dem Zangengriff der Gläubiger zu befreien.
Die Wahl vom 20.September hat nochmals bestätigt, wie die
Griech-innen selbst ihre Lage einschätzen: Das soziale Elend zu tief, die
Wirtschaft zu abhängig von internationalen Kreditoren und Investoren, das
politische System zu ineffektiv, das Selbstvertrauen zu lädiert zum Aufstand.
Ein Ausweg aus der griechischen Misere kann folglich nur auf
gesamt-europäischer Ebene liegen. Doch gerade auf dieser Ebene hat die
griechische Krise offenbart, dass das – maßgeblich von deutscher Seite
durchgesetzte – Wirtschaftsmodell für Europa nicht funktioniert und über kurz
oder etwas länger scheitern muss und wird. Ein Modell, das im Namen des
„Wettbewerbs“ die Stärksten auf Kosten der Schwächeren immer übermächtiger
macht, bringt zwangsläufig Widersprüche zwischen den Nationen und in ihren
Gesellschaften hervor, die alle frommen Wünsche und schon erreichten Ansätze
zur europäischen Integration zerstören.
Weder hilft dagegen das ängstliche Festhalten an diesem zum
Scheitern verurteilten Modell, noch muss uns sein Scheitern zur Verzweiflung
treiben. Kennen wir doch seit Hegel die Gesetzmäßigkeit, nach der Geschichte
sich vollzieht: Neues erwächst immer aus der praktischen Kritik des
Bestehenden. Auch wenn heute kaum zu ahnen ist, welche politischen Kräfte die Stärke
gewinnen können, das „Imperium Schäuble“ zu überwinden: Dessen innere
Widersprüche werden sie zwangsläufig hervorbringen. Wie jedes Imperium vor ihm
wird auch dies besiegt werden und einem demokratischeren, sozialeren, solidarischeren
Europa weichen müssen.
Die griechische Wahl vom 20.September hat nicht mehr erreicht
als den Status quo zu verteidigen. Nicht mehr – doch das ist nicht wenig: Sie
hat uns nochmals Zeit verschafft, die Opposition gegen das Europa der EZB und
des BILD-Chauvinismus zu organisieren. Die Opposition muss auf
gesamt-europäischer Ebene heranwachsen, hat aber ihre Wurzeln in den
Gesellschaften der einzelnen Länder.
Der gemeinsame Aufruf „Ein Plan B für Europa“ von Yannis
Varoufakis, Zoe Konstantopoulou, Jean-Luc Mélènchon, Stefano Fassina und Oskar
Lafontaine (ND 12.09.15) liefert dafür eine brauchbare Plattform.
Vorausgesetzt, man liest ihn nicht von vorn herein absichtlich diffamierend als
Plan zum Euro-Austritt. Die Kernaussagen des Aufrufs:
„Die Europäische Union ist zur
Vertreterin eines extrem rechten Ethos geworden sowie zu einem Werkzeug, um
demokratische Kontrolle über Produktion und Verteilung in Europa auszuhebeln. EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker hat es klar gesagt: „Es kann keine demokratische Wahl gegen
die europäischen Verträge geben“.
Wir sind entschlossen mit
diesem „Europa“ zu brechen. Wir müssen dem Irrsinn und der Unmenschlichkeit der
aktuellen europäischen Verträge entkommen und sie von Grund auf erneuern, um
die Zwangsjacke des Neoliberalismus abzustreifen, den Fiskalpakt aufzuheben und
TTIP zu verhindern. Dies ist unser Plan A: Wir werden alle in unseren Ländern,
und alle zusammen überall in Europa, auf eine vollständige Neuverhandlung der
europäischen Verträge hinarbeiten.
Bis diese Neuverhandlung
erreicht ist, beteiligen wir uns in einer Kampagne des europäischen zivilen
Ungehorsams gegenüber willkürlichen, europäischen Praktiken und irrationalen
„Regeln“ an den Kämpfen der Europäerinnen und Europäer überall in Europa.
Angesichts dieser Erpressung benötigen wir unseren eigenen Plan B als Abschreckung gegen den Plan B, den Europas reaktionärste und anti-demokratische Kräfte verfolgen.
Angesichts dieser Erpressung benötigen wir unseren eigenen Plan B als Abschreckung gegen den Plan B, den Europas reaktionärste und anti-demokratische Kräfte verfolgen.
Wenn der Euro nicht
demokratisiert werden kann, wenn sie weiter darauf bestehen, den Menschen die
Luft abzuschnüren, dann werden wir … einen Weg finden, um sicherzustellen, dass
die Europäerinnen und Europäer ein Geldsystem haben, das für sie arbeitet,
nicht gegen sie.
Unser Plan A für ein demokratisches Europa, gestützt durch einen Plan B, der den Mächtigen zeigt, dass sie uns durch ihre Erpressung nicht unterwerfen können, ist offen und zielt darauf, die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer anzusprechen.
Unser Plan A für ein demokratisches Europa, gestützt durch einen Plan B, der den Mächtigen zeigt, dass sie uns durch ihre Erpressung nicht unterwerfen können, ist offen und zielt darauf, die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer anzusprechen.
Wir schlagen deshalb vor,
einen internationalen Gipfel für einen Plan B für Europa einzuberufen, der
allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Organisationen und
Intellektuellen offen steht.“
Der ganze
Aufruf: http://www.neues-deutschland.de/artikel/984333.ein-plan-b-fuer-europa.html
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