Montag, 18. Mai 2015

Notizen aus der Provinzhauptstadt: Die Geschichte von Erind

"Ich will euch eine Geschichte erzählen, die Geschichte von Erind.
 

Als Erind vier Jahre alt war, sind seine Eltern mit seinem kleinen
Bruder und ihm nach Italien gezogen. Dort lebte die Familie, die Eltern
arbeiteten, die Jungs wuchsen dort auf. Erind lernte die Sprache und die
Kultur des Landes, er schätzt sie sehr, sein Lieblingsverein ist
Juventus Turin. Mit dem Land, in dem er geboren wurde, verbindet er nur
sehr negative Einschätzungen.

 

Als Erind 14 Jahre alt ist, verlieren die Eltern ihre Arbeit, und die
Familie muss zurück in das Land gehen, in dem Erind geboren wurde. In
Albanien kommt die Familie nicht mehr klar, der Vater verändert sich, er
trinkt, er spielt, er schlägt die Mutter. Die Mutter flüchtet mit den
beiden Söhnen aus dem Land vor dem Vater, sie gehen wieder nach Italien,
für drei Monate dürfen sie legal bleiben. Sie bleiben länger.

 

Erind erträgt das Leben in der Illegalität nicht, er kann nicht immer in
einem Zimmer sitzen und darauf warten, dass man sie entdeckt, er sucht
seinen Weg. Er geht nach Frankreich. Er versteht die Sprache nicht, er
hat keine sozialen Kontakte, er wird in verschiedenen Unterbringungen
geparkt, er hat keine Schule, er hat keine Perspektive. Er erkundigt
sich und geht nach Deutschland, nach Dortmund.

 

In Dortmund ist Erind "geduldet", er hat eine Wohnung, hier geht er zur
Schule, er ist zuverlässig und mit guten Leistungen, er kann denken. Er
macht ein Praktikum, das er sich selber gesucht hat. Der
Praktikumsbetrieb ist sehr zufrieden mit ihm, dort sind viele
Jugendliche, die "ausbildungsfähig gemacht werden" sollen, die Chefin
nennt ihn nach nur wenigen Tagen "unbedingt ausbildungsfähig". Mitten im
Praktikum kommt der Tag, an dem Erind 18 Jahre alt wird. Die
Ausländerbehörde bestellt ihn ein. Erind bekommt ein Schreiben
vorgelegt. Er muss unterschreiben, dass er nach dem Schuljahr "gehen"
wird, dann kann er die Schule beenden - oder kann sofort "gehen". Erind
unterschreibt.

 

Er nimmt am Integrationsprogramm der Handwerkskammer teil. Er ist gut,
er ist sehr gut, die Handwerkskammer will ihm eine Ausbildungsstelle
besorgen! Erind träumt von einem Job im Hotel, er ist höflich, er kann
viele Sprachen. Aber er will auch die angebotene Ausbildung als Maler
machen, es ist ihm egal, er will Geld verdienen, hier das Geld ausgeben
und Steuern zahlen, er will keine Hilfe, er will seine Wohnung endlich
selber bezahlen. Eine Firma aus Bochum will ihn ausbilden, die
Handwerkskammer macht einen Termin mit der Ausländerbehörde, die
"Duldung" muss verlängert werden für die Ausbildung. Erind bekommt ein Nein.

 

Sein Lehrer hört von der Geschichte. Er schätzt Erind. Er kann nicht
verstehen, dass Erind in ein Land gehen soll, das ihm fremd ist, vor dem
er Angst hat, dessen Kultur ihm nicht behagt, wo er keine Familie hat,
wo er höchstens den Vater trifft, den er besser nicht treffen sollte und
will. Ein Land, in dem Erind fast nie gelebt hat. Der Lehrer ist
Mitglied einer kleinen Partei, die im Rat der Stadt Dortmund vertreten
ist. Er beendet für die Schüler an einem lauen Tag im Mai den Unterricht
früher und redet 2 Stunden mit Erind. Beide haben manchmal Tränen in den
Augen. Der Lehrer sagt zu Erind, dass er einen Plan hat, er erzählt ihn,
und Erind ist einverstanden. Diese Mail ist Teil des Planes.

Ist die Piratenpartei Dortmund, die Vertreter im Rat und die Fraktion im
Rat willens und bereit, mit dem uns möglichen politischem und
öffentlichem Einsatz ein Leben für Erind hier zu ermöglichen?

 

Viele Grüße von Erinds Lehrer
Holger"


Diese Zuschrift fand ich in meinem Postfach. Ich werde in ihrem Sinn handeln und fordere die Leser-innen dieses Blogs auf, sich mit ihren Mitteln für Erind einzusetzen. W.S.

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