Freitag, 21. Februar 2014

Die Mitverantwortung der Stadtpolitik an der Armut in Dortmund



Neulich bei attac Dortmund (17.02.14) sprach ich vor 50 Gästen zum Thema. Hier der erste Teil meines Vortrags:

Armut ist kein gottgewolltes Schicksal, dem der Mensch sich in Demut fügen müßte – sondern: Armut wird von Menschen erzeugt. Die Verarmung ganzer Gesellschaftsschichten ist die Kehrseite und Bedingung zur Anhäufung unvorstellbarer Reichtümer an der Spitze der Gesellschaft.
In unserer kapitalistischen Gesellschaft ist der wichtigste Hebel zur Reichtumsproduktion, daß die Einkommensverteilung vom privaten Gewinninteresse der „Investoren“ / Kapitaleigner diktiert wird. Und zwar einschließlich der breiten Masse der Arbeitseinkommen. Dazu gehört die unternehmerische Entscheidung, wer arbeiten darf und wer nicht.

Dortmund hat seit der Bergbaukrise der 70’er Jahre und der 10 Jahre danach einsetzenden, bis heute anhaltenden Krise der Stahlindustrie, schließlich der Brauereien rund 80.000 industrielle Arbeitsplätze verloren; im Dienstleistungssektor aber nur 40.000 neue Jobs gewonnen. Dazwischen klafft die Beschäftigungslücke, die seit 30 Jahren etwa gleichbleibend 40-50.000 Einwohner der Stadt von Erwerbsarbeit ausschließt.

Und selbst die neuen Dienstleistungsjobs treiben die Verarmung sogar weiter an, denn diese Branchen sind es vor allem, die Dortmund zur „heimlichen Hauptstadt der prekären Beschäftigung“ gemacht haben, der Niedriglöhner und Aufstocker in Leiharbeit, Teilzeit, Minijobs, Praktika, Aushilfen, Existenzgründer usw.

Das mußte durchaus nicht so sein.

Ab 1999, als Dr. Langemeyer Oberbürgermeister von Dortmund wurde, hat die Stadtspitze diesen „Strukturwandel“ mit Hunderten Millionen € subventioniert. Unter Federführung der Unternehmensberatung McKinsey setzte Langemeyers „Dortmund-Project“ zunächst auf drei angebliche „Zukunftsbranchen“ (Informatik, Logistik und Mikrosysteme), die alle nicht dazu taugen, die Masse der Erwerbslosen wieder in Arbeit zu bringen. Zur Halbzeit des DoPro (2005) war seine Beschäftigungsbilanz dermaßen lachhaft hinter den Versprechungen zurück geblieben, daß die Förderung auf acht Branchen erweitert wurde – in denen (außer wenigen hoch bezahlten Spezialisten) nur noch mehr prekäre Jobs entstanden, von denen niemand menschenwürdig leben kann.

Im Gegenzug strich die Stadtspitze gemeinsam mit der Arbeitsagentur sämtliche Reste einer kommunalen Beschäftigungspolitik außerhalb des gewinndominierten Arbeitsmarktes auf Null zusammen. 1.800 ABM, die Dortmunder Dienste (DODI), der Kommunale Arbeitsmarktfonds (KAF), Arbeit-statt-Sozialhilfe (ASS), DOGELA, alles das fiel der neoliberalen Marktreligion zum Opfer. Zwar hatten diese Maßnahmen auch in ihren besten Tagen kaum mehr als 3.000 Erwerbslose von der Straße geholt, aber immerhin war Kommunalpolitik vor Langemeyers Amtszeit sich noch ihrer Mitverantwortung für den Arbeitsmarkt bewußt. – Seit der Agenda 2010 (ab 2005) gibt es stattdessen in Dortmund nur noch 2.000 „1-€-Jobs“ und 400 Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante, heute „Bürgerarbeit“ (die in 2014 ausläuft).

Ergebnis: Bei ca. 300.000 Erwerbstätigen (einschließlich Selbständigen, Beamten, mithelfenden Familienangehörigen usw.) fehlen zur Vollbeschäftigung heute in Dortmund 80- bis 100.000 Vollzeitarbeitsplätze zu existenzsichernden Löhnen.

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