Resolution der Ratsfraktion DIELINKE&Piraten Dortmund, beschlossen am 27.06.2016
Wie sich am Ergebnis des Referendums in England vom
23.06.2016 zeigte, wird die EU von vielen Menschen als bürokratisches Monstrum
wahrgenommen, das unser Leben von oben fremdbestimmt. Diese Wahrnehmung wird
verstärkt durch ein brutales Kaputtsparen ganzer Volkswirtschaften; durch zunehmende
Ungleichheit der Einkommen, Vermögen und Lebenslagen – nicht nur im Inland,
sondern auch europaweit – die als skandalös ungerecht empfunden wird; und durch
einen Interessenfilz, der mit dem Kampfruf nach dem „Wettbewerbsstaat“
Gemeinschaftsaufgaben an die Finanzmärkte ausliefert.
Wie Manchester, Birmingham, Glasgow trifft diese elitäre
Umverteilung des unten geschaffenen Reichtums nach oben auch Dortmund besonders hart: Die verfügbaren Einkommen
stagnieren hier auf niedrigstem Niveau aller deutschen Großstädte, damit stagnieren
auch die Massenkaufkraft und die Einzelhandelsumsätze. Stattdessen erreicht die
Exportquote der Dortmunder Unternehmen Rekordhöhen, begünstigt durch kommunale
Hitech-Förderung. Die als „Strukturwandel“ beschönigte Verlagerung -zigtausender
industrieller Arbeitsplätze in Niedriglohnländer hat die „soziale Stadt“ in
einen Reparaturbetrieb für soziale Notstände verwandelt, bürokratisch
überreglementiert am Tropf der EU-Fonds hängend.
Wie europaweit so steigt auch in Dortmund die Gefahr, dass
die jahrzehntelange Propaganda des „Standortwettbewerbs“ jetzt in der Krise,
aufgeladen mit Enttäuschung und Entfremdung der Menschen von „Europa“,
umschlägt in aggressive Ablehnung jeglicher höheren Vergemeinschaftung, in
Abschottung und Fremdenhass. Aus dem englischen Referendum ziehen wir also die
Konsequenz. Ein grundlegender Politikwechsel tut not. Auch und gerade in
Deutschland. Auch und gerade in Dortmund:
Schluss jetzt mit dem
Kaputtsparen unserer Lebensgrundlagen!
Die von der EU verordnete „Stabilitätspolitik“ vernichtet
nicht nur an Europas Peripherie, sondern auch in Deutschland viele tausend
Arbeitsplätze und macht Armutsbekämpfung zum vordringlichen Thema der
Sozialpolitik. Einer der Haupthebel hierzu müsste die Eindämmung der Erwerbslosigkeit
sein. Doch immer noch fehlen den Kommunen die gesetzlichen und finanziellen
Spielräume für eine aktive Beschäftigungspolitik, die den kommerziellen
Arbeitsmarkt wirksam ergänzen könnte. Umso wichtiger wird es, den städtischen Haushalt und besonders die
kommunale Wirtschaftsförderung so
umzuschichten, dass möglichst viele beschäftigungswirksame Projekte der
Stadtgesellschaft unbürokratisch gefördert werden können.
„Mehr Demokratie
wagen!“
1969, als die EU noch nicht mehr als eine
Wirtschaftsgemeinschaft sein wollte (EWG), versprach Willy Brandt „mehr
Demokratie (zu) wagen“. Heute müssen wir erkennen: Die EU hat den Menschen
nicht mehr, sondern weniger demokratische Selbstbestimmung gebracht. Das
englische Referendum lehrt uns: Weder die europäischen Institutionen und
Regierungen noch Unternehmer und Banker, sondern nur die Menschen selbst können
Europa vor dem Rückfall in nationalistisches Gegeneinander retten. Dafür
brauchen sie mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen. Europa muss von unten
auf wachsen.
Das EU-Modell, das Kommunen und Regionen zu
Befehlsempfängern und ausführenden Organen der Brüsseler Verordnungen
degradiert hat, funktioniert nicht mehr und ist am Ende. Selbstbestimmung der
Menschen – Souveränität – muss ab jetzt in den Kommunen anfangen. Es ist eine
hohe Aufgabe der Kommunalpolitik, den Stadtbürger*innen
die demokratische Mitgestaltung des Gemeinwesens zu erleichtern und sie zu
ermuntern, sich in europäische Belange einzumischen.
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