Im Oktober 2015, im Jahr acht der tiefsten Existenzkrise der Europäischen Union legt die Dortmunder Stadtverwaltung ein "Handlungskonzept Perspektive Europa" auf: Einen neuen technokratischen „Masterplan“, mit dem die Elite in gewohnter Manier von oben nach unten für die Bürger handeln und diese nur "mitnehmen und einbinden" will. Seine Kernpunkte lauten:
verstärktes Abgreifen europäischer Fördergelder, Lobbyarbeit
und Mitarbeit in europäischen Netzwerken, "Sensibilisierung" der
Bürger für "europäische Themen". Alles nicht falsch, ohnehin
Alltagsgeschäft, aber als „Perspektive“ ein Armutszeugnis.
"Zunehmende
Europaskepsis und -kritik" stellt unsere Stadtspitze fest. Kein
Wunder, seit den drakonischen und ruinösen Kürzungsdiktaten gegen das
griechische Volk wird auch vielen Befürwortern der europäischen Integration
bewusst, wie die EU-"Institutionen" immer brutaler und bedrohlicher
in das Leben der Menschen eingreifen, und zwar auf allen Ebenen des Zusammenlebens,
von der Familie und Versorgungseinrichtungen über Produktion und
Dienstleistungen bis zur Kommunalpolitik. Das gilt auch für Deutschland,
auch in Dortmund ist dies der Hauptgrund für die wachsende Enttäuschung der
Bürger-innen von dieser Art Integration.
Aber unsere Stadtspitze sieht die Ursache ausschließlich in
Informationsdefiziten und „Hemmschwellen“ der Bürger-innen, sich mit Fragen und
Themen der Europäischen Union zu befassen und hält dagegen: "Durch verschiedene
Kommunikationsinstrumente, Netzwerkarbeit und ein breites Angebot an Europaveranstaltungen...soll
Europa als wirtschaftliches Erfolgsmodell und die Chancen in Europa dargestellt
werden, z.B. Jobs, Fachkräftesicherung, Binnenmarkt."
Europa als "wirtschaftliches Erfolgsmodell"?? -
konsequenter kann man nicht ausblenden, was dem elitären Eigennutz nicht passt
und vor welchen Problemen Europa heute wirklich steht. Bis in großbürgerliche
Medien hinein kommen unabhängige Experten zur Einschätzung: Die
Fehlkonstruktion der Einheitswährung Euro kann und wird so nicht mehr lange existieren.
Ihr Scheitern aber droht die ganze EU und damit die europäische Integration
insgesamt in die Luft zu sprengen.
Eine Perspektive für die Kommunen und
Menschen in Europa ist das ganz und gar nicht. Ein solidarisches, also
demokratisches und soziales Europa muss und wird sehr anders aussehen als diese
EU mit dieser Währungsunion.
Die Strategie der Linken gegenüber der EU und dem Euro bewegt
sich heute wesentlich zwischen drei Leitlinien:
- einem mehr oder weniger zögernden "Ja-aber",
verbunden mit Bemühungen, die EU-Strukturen und -Verfahren "von innen
heraus" durch konstruktive Mitarbeit demokratisch und sozial gestalten zu
können,
- Appellen zu einem "Kurswechsel der EU-Politik",
bis hin zu plakativen Leerformeln wie "Europa neu begründen",
- dem bedingungslosen Bruch mit der EU- und
Euromitgliedschaft (Exit-Strategien).
Alle drei Positionen haben starke Gründe sowohl für sich als
auch gegen sich. Keine von ihnen bietet Aussicht auf massenhafte Mobilisierung
großer Teile der europäischen Bevölkerungen, ohne die Europa nicht von den
neoliberalen Kürzungs- und Privatisierungsdiktaten befreit werden kann. Denn
über Europas Zukunft wird eben nicht nur in den Glaspalästen der Banken und Regierungsviertel,
sondern letztlich in den Tageskämpfen um die Existenzbedingungen der Menschen
entschieden.
Um zu einer alltagstauglichen , massenwirksamen Gegenstrategie
gegen die Zumutungen der EU-Oligarchen zu kommen, muss die europäische Linke
ihr eigenes Europakonzept weiter klären und entwickeln. Dazu müssen alle drei oben
genannten Positionen, ausgehend von ihren richtigen Ansätzen ebenso wie von
ihren Defiziten und Illusionen, an ihrer sozialen Basis in den Massenkämpfen überprüft
werden.
Der Kreisvorstand der Dortmunder LINKEN sieht auch die
Kreisverbände der Partei gefordert, sich an diesem anstehenden Klärungsprozess
zu beteiligen. Dazu hat er eine Reihe öffentlicher Beratungen ab Mitte Oktober
beschlossen, deren erste voraussichtlich am 16.10.15 stattfindet.
Also schon mal notieren.
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