Protestaktionen am 9. März mit bis zu 500 000 Teilnehmern in 150 Städten (224 000 nach Angaben des Innenministeriums), 100 000 Demonstranten allein in Paris. Veranstaltet von 22 Jugendorganisationen, dem Studentenverband UNEF und den zwei größten Schülerorganisationen FIDL und UNL, denen sich die Gewerkschaften CGT, Force Ouvrière, FSU und Solidaires anschlossen. Auch die Parteien links von den regierenden „Sozialisten“ (PS) unterstützten die Demonstrationen, so die Kommunisten (PCF), die Linkspartei (PG) und andere der „Linksfront“. Ebenso Grüne (EELV), die französischen Jungsozialisten sowie ein Dutzend Abgeordnete von Hollande’s regierender Partei selbst. Parallel dazu fand in der Region um Paris ein eintägiger Streik der Eisenbahner und Verkehrsbetriebe statt.
Die
Protestaktionen richten sich gegen ein neues Arbeitsgesetz, mit dem der „sozialistische“
Präsident Hollande die französische Wirtschaft an den Kurs von Gerhard Schröders„Agenda
2010“ anpassen will.
Zu den
wichtigsten „Reformen“ des Arbeitsgesetzes gehört, dass Arbeitszeiten und
Überstundenregelungen, die in Gesetzen und Tarifverträgen festgelegt sind, durch
Betriebsvereinbarungen „flexibel angepasst“ werden können. Die in Frankreich
gesetzlich verankerte 35 Stunden-Woche wird zwar nicht abgeschafft, aber
künftig sollen „Abweichungen“ bis zu 60 Stunden/Woche betrieblich vereinbart
werden können, mit Höchstarbeitszeiten bis zu 12 Stunden. Überstundenzuschläge können
per Betriebsvereinbarung von 25 auf 10 % abgesenkt werden. Auszubildende unter
18 Jahren sollen künftig statt 8 bis zu 10 Stunden am Tag und bis zu 40 Stunden
pro Woche arbeiten können, ohne die Zustimmung der Arbeitsinspektionen und
eines Mediziners einzuholen.
Darüber
hinaus sollen Entlassungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen erleichtert
werden. Abfindungen werden auf 15 Monatslöhne gedeckelt (bisher pro Jahr der
Betriebszugehörigkeit ein Monatslohn, auch über 15 Monatslöhne hinaus).
Insgesamt
soll der Niedriglohnsektor schlecht bezahlter und befristeter Kurzzeitjobs ausgeweitet
werden, um so den „Wettbewerbsvorsprung“ der deutschen Wirtschaft seit Schröders
Agenda 2010 zu verringern. Zugleich würden die betrieblichen Abweichungen von
Gesetzen und Tarifverträgen die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften schwächen.
Der
Gesetzentwurf rief in der französischen Bevölkerung breite Ablehnung hervor. Bis
zu 70 % erklärten sich gegen das Vorhaben. In den sozialen Netzwerken erreichte
eine Petition „Arbeitsgesetz – nein danke!“ binnen drei Wochen weit über 1
Million Unterschriften.
Angesichts
dieser breiten Ablehnung vertagte die Regierung die Verabschiedung des
Gesetzentwurfs im Ministerrat vom 9.
März auf den 24. März und bot „Gespräche“ über „Verbesserungen“ an. Während die
sozialpartnerschaftlich-reformistischen Gewerkschaften unter Führung der CFDT
darauf eingingen, forderten die linksorientierten Gewerkschaften CGT, FO, FSU
und Solidaire die vollständige Zurückziehung des Entwurfs als unannehmbar.
In den
nächsten Wochen muss sich zeigen, ob die Protestbewegung gegen die französische
„Agenda“-Politik sich zu einer großen sozialen Massenbewegung ausweiten kann. Der
Studentenverband UNEF und die Schülerorganisationen FIDL und UNL haben für den
17. März zu weiteren Aktionen aufgerufen. Für den 22. und 23. März sind
landesweite Aktionen der Beschäftigten der öffentlichen Dienste und der Post
angekündigt. CGT, FO, FSU und Solidaire haben zusammen mit den
Jugendorganisationen für den 31. März zu einem weiteren landesweiten Streik-
und Aktionstag aufgerufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen